Ich vermute mal, dass es im Jahr 2018 war – meinem ersten Mal auf den Norddeutschen HiFi-Tagen und dem Jahr in dem wir beschlossen, gemeinsam mit den HiFi-IFAs durchzustarten – , als ich auch das erste Mal auf Dr. Götz von Laffert und Jens R. Wietschorke traf. Der ebenso umtriebige wie charismatische Berliner Händler Max Schlundt, den ich seit den ersten Tagen seines Ladens im Berliner Stilwerk kenne, stellte mich seinerzeit vor. Er wusste, dass es mir beim HiFi nicht nur um den Sound, sondern auch um die Gestaltung, das Besondere, die Integration in den Wohnraum geht. Seinerzeit starteten Lyravox, die Company der beiden Hanseaten, mit smarten wireless Edel-Musiksystemen in verschiedenen – immer luxuriösen – Varianten, zur Befestigung an der Wand oder zum Aufstellen auf dem Sideboard. Luxus Suiten oder Yachten hätten ein gutes Umfeld für die Pretiosen abgegeben. Ich erinnere mich sehr gut, dass wir an der Bar im Holiday Inn lange über die nicht triviale und tatsächlich anspruchsvolle Aufgabe sprachen, eine dem Produkt angemessene Lochung für die Metall-Lautsprecherblenden der edlen Systeme zu finden – und welche Lösungen es dazu gibt.
Zwischenzeitlich hat sich das Portfolio von Lyravox in Richtung „klassischem“ Lautsprecherbau mit zwei Stereo-Lautsprechern verändert. Geblieben ist dabei aber der Anspruch, dem Kunden eine eigenständige Gestaltung und ein in sich geschlossenes System bestehend aus der Aktivierung (integrierte Verstärker), Digitale Signalprozessoren mit Möglichkeit zur klanglichen Anpassung, sowie einen integrierten Digital/Analog-Wandler zu bieten. Daraus resultiert die Möglichkeit, die Lautsprecher nur mit einem Musikserver/Player zu betreiben, wie Lyravox es gerne als schlankes Anlagenkonzept auf Messen demonstriert. Auf der High End 2022 spielten sie zum Beispiel am brandneuen Antipodes Audio OLADRA, den wir neulich als erstes deutsches Magazin im Test hatten. Nachdem wir HiFi-IFAs die Lyravox Lautsprecher zwischenzeitlich auf der ein oder anderen Messe hören konnten, waren wir nun glücklich, dass sich nach etwas über vier Jahren ein gemeinsames Projekt ergeben hat: Bei uns HiFi-IFAs hat sich das Einstiegsmodell der Hamburger Lautsprechermanufaktur eingefunden: Die Lyravox KARLOS zum Paarpreis von rund 13.000 Euro.
Annäherung
Auf den Test freute ich mich sehr und auch, dass Götz und Jens die Lautsprecher persönlich vorbei bringen und auf den Raum einmessen wollten. Letzteres ist ein Service, der bei Lyravox fast unter „Ehrensache“ fällt. Dies soll sicherstellen, das Beste aus den Lautsprechern in der konkreten Hörumgebung herauszuholen – und um den Lautsprecher an die Hörgewohnheiten des Kunden oder das individuellen Hörvermögen – z.B. in den Höhen – anzupassen. Letztendlich soll der Sound dem Kunden gefallen und nicht einem Klangideal folgen, dass ausschließlich der Hersteller definiert. Ein sympathischer Ansatz, da die finale Deutungshoheit in Sachen Hörvergnügen beim Kunden liegen sollte. Praktischer Aspekt der persönlichen Zustellung war für mich zudem, dass ich die Lautsprecher und das Equipment nicht alleine ins Hörzimmer hoch tragen musste 😉
Der Einstiegslautsprecher von Lyravox machte es Götz und Jens mit 22 kg Lebendgewicht pro Stück dennoch relativ leicht, sie eine Etage höher zu tragen. Im Gegensatz zu den anderen Modellen der Produktpalette ist das Gehäuse der Serien KARLOS aus stabilem Holz und nicht aus Kunststein gefertigt. In der Sondervariante „MONOLITH“ ist KARLOS gegen Aufpreis aber auch mit Massiv-Kunststeingehäuse und Accuton® Cell® C25 Hochtöner erhältlich. Kunden, die ihre eigene Elektronik bevorzugen können auch einen reduzierten KARLOS ANALOG nur mit analogen Eingängen als „klassischen“ Aktiv-Lautsprecher bekommen.
Entwicklungsziel beim KARLOS war es, einen klanglich attraktiven, aktiven Lautsprecher mit DSP und DAC – so wie er hier zum Hörtest steht – um 10.000 Euro anbieten zu können. Möglich war diese Stoßrichtung – neben der Wahl von Holz für das Gehäuse – durch das im Hochton eingesetzte Chassis, das von Accuton speziell für Lyravox gefertigt wird, aber beim Korb auf eine bereits existente Konstruktion zurückgreift. Der Preisentwicklung seit der Erstellung des Lastenheftes ist dann geschuldet, dass der Preis von KARLOS aktuell bei rund 13.000 Euro liegt. Mit dem Anschluss eines Players, wie dem LUMIN U1 mini, oder eines Musikserver/Players, wie dem Antipodes Audio OLADRA, ist das Musiksystem mit KARLOS perfekt. Das früher gegen Aufpreis angebotene und von anderen Magazinen mitgetestete Streaming-Modul ist aktuell nicht mehr im Programm.
Bei den beiden KARLOS-Brüdern – wie bei anderen smarten Systemen – hat sich das Thema Gleichberechtigung als technisches Prinzip als nicht gangbar erwiesen. Hier gibt es einen Master und einen Slave. Der ehrenhafte phönizische Kaufmann Epidemias hätte die Beiden wohl freundlicher als Generaldirektor Präsident und Gesellschafter tituliert. Doch bleiben wir bei den martialischeren technischen Begriffen. Der Master übernimmt im digitalen System die Verkabelung mit der Außenwelt. Ihm stehen dazu die gängigen Digital-Schnittstellen zur Verfügung, in meinem Fall wird es die XLR-Buchse werden. Zwischen den Lautsprechern wird ein digitales Interlink-Kabel, ebenfalls im XLR-Format, gespannt. Das war’s dann auch schon mit der Verkabelung. Die Benutzer-Schnittstelle zwischen Hörer und System stellt ab jetzt die wertige Fernbedienung aus gefrästem Aluminium mit gebürstetem Oberflächenfinish dar. Hier lassen sich auch die Sound-Einstellung des DSPs abrufen. „LIN“ für „linear“ ist selbsterklärend. „C1“ und „C2“ sind über eine Schnittstelle konfigurierbare „Customized“ Setups. Das macht zum Beispiel dann Sinn, wenn der Musikhörer zu unterschiedlichen Gelegenheiten oder Musikrichtungen eine unterschiedliche Klangsignatur des Lautsprechers aktiv haben möchte.
Nachdem die Lautsprecher aufgebaut und verkabelt waren, schlug also die Stunde von Götz von Laffert und Jens R. Wietschorke, die mir die KARLOS per Notebook, Software und DSP an meine Räumlichkeiten anpassten. Dabei war ich schon mal recht froh, dass – abgesehen von zwei nahezu unumgänglichen Raummoden und nach der geschätzten Meinung von Jens – mein Hörzimmer grundsätzlich recht gut zu funktionieren schien. Auch der LUMIN U1 mini, den ich mit einem SBooster Netzteil aufgewertet hatte, fand bei Götz Zustimmung. Alternativ spielte bei unseren Konfigurationsversuchen mit beachtlichem Ergebnis auch der mit knapp über 1.000 Euro noch recht günstige NuPrime Stream9. Einzig beschlossen wir im Kollektiv, ein MATRIX Audio X-SPDIF 2 Interface Converter um 500 Euro in das digitale Signal einzuschleifen, das es dann mittels AES/EBU an den KARLOS-Master weitergab.
Somit stand ein schlankes Anlagen-Setup vor meiner Nase – und meinen Ohren – ganz im Sinne der Schöpfer des aktiven Standlautsprechers. In genau dieser Konstellation habe ich in meiner Freizeit dann ausgiebig gehört. Die Behauptung von Götz, er habe noch nie eine bessere analoge Zuspielung gehört – also mit externer D/A-Wandlung, die auch möglich wäre – , als es mit der internen Elektronik möglich ist, werde ich mit meiner eigenen Elektronik nicht zu widerlegen versuchen, sondern überlasse dies im Fall des Falles individuell dem experimentierfreudigen Kaufinteressenten selbst und beschränke mich auf das Musik-Genießen im Systemgedanken, denn Zeit ist kostbar. 😉 Allerdings sei an dieser Stelle angemerkt, dass die beiden Hanseaten – so erzählte mir Jens bei der Abholung der KARLOS – noch in den Genuss einer analogen Quelle gekommen sein mussten, bei denen ihnen die Spucke weg blieb. Alles ist also relativ… Doch nun zur Technik, bevor es zum Hördurchgang geht.
Technik
Am obigen Foto wird dem Star Wars Fan der Anlass meines Titels deutlich. Ein wenig erkennt der Kenner der Weltraumsaga schon in der zurück geneigten Gestalt des KARLOS mit den beiden stützenden Beinen rechts und links ein Brüderchen des sympathischen Droiden R2-D2. Speziell wenn man zum Fotografieren auf Augenhöhe kommt. Ein Eindruck, den mir mit anderen Menschen teile, wie Jens Wietschorke bestätigte.
Der Lyravox KARLOS ist vom Bauprinzip her ein aktives Zweiwege-Systems mit einer Bassreflex-Öffnung nach unten, das allerdings als Schmankerl noch um einen ambient wirkenden Hochtöner auf seiner Gehäuseoberseite ergänzt wurde. Der Tieftöner stammt vom dänischen Traditionshersteller Scan Speak und weist eine Aluminiummembran im Zehnzoll-Format auf. Eine Modifikation nach Vorgaben von Lyravox soll einen tiefen, kontrollierten sowie impulsiven Bass mit klaren, griffigen sowie klangfarbenstarken Mitten in Einklang bringen. Der Keramik-Hochtöner wird eigens für Lyravox vom Pulheimer Spezialisten Accuton gefertigt. Mittels Waveguide soll er mit dem Tiefmitteltöner eine harmonische Symbiose eingehen.
Das Rückgrat der KARLOS ist ein vollaktives integriertes Lautsprechersystem mit digitaler Signalaufbereitung und Chassissteuerung. Zwei NCore® Endstufen der 3. Generation versorgen getrennt Tieftöner und Hochtöner. So entfällt die Frequenzweiche, die man in passiven Lautsprechern benötigt. Frequenzübergänge, Phasenlage, Zeitversatz und tonale Entzerrung, die für ein schlüssiges Klangbild sorgen, kontrolliert hochpräzise der hochauflösende digitale Signalprozessor (DSP).
Die integrierte Vorstufe ist in allen Funktionen fernbedienbar und erlaubt den „klassischen“ analogen Betrieb an einer externen Vorstufe sowie den direkten Anschluss von bis zu fünf Quellgeräten am Master-Lautsprecher.
Der zusätzliche AMT-Superhochtöner in der Oberseite des Gehäuses erzeugt ein indirektes Schallereignis im Raum – ein erweitertes, sogenanntes Hochton-Diffusfeld – ähnlich der Wahrnehmung in einem realen Raum. Zudem erweitert der Zusatzhochtöner die Abstrahlgrenzen des Haupthochtöners und soll so die Stereo-Hörzone vergrößern. Der DSP ermöglicht die Anpassbarkeit der Lautsprecher an ihre individuelle Umgebung und Hörgewohnheiten. Die Einmessung erfolgt gegen Aufwandspauschale als Expertenservice durch Lyravox.
Das Lautsprechersystem ist ein Manufaktur-Produkt und wird in Hamburger einzeln von Hand gefertigt, geprüft und eingespielt. In Sachen Oberflächenfinish kann Lyravox auf Kundenwünsche eingehen. Die Zulieferer stammen aus Deutschland und Europa.
Technische Daten
Bauart und Grundlegendes
- Dynamisch, 2 Wege plus Diffusfeld-Hochtöner (Oberseite) mit Bassreflex (downfire)
- Vollaktiv mit 2 x Class D, DSP-Signalverarbeitung und integrierter Vorstufe
- Master-Slave-Konfiguration mit digitalem Interlink
- Empfohlene Raumgröße: 12 – 40 m2 (bei normaler Wohnraumhöhe bis 2,8 m)
- Empfohlener Hörabstand: 2 – 5 m
- Empfohlener Wandabstand: 0,5 – 1,5 m (mit Raumeinmessung ab 0,15 m)
- Typischer Frequenzgang: 28 – 28.000 Hz (raumabhängig)
Gehäusekonzept
- Gehäuse aus HDF teilweise gedoppelt, gezielt versteift, mehrkomponentige Schallkammerdämmung.
- Bassreflex bodenseitig.
- Standkufen (verschraubt) aus Stativholz (Esche), tiefschwarz geölt.
- Oberfläche: Mehrschicht-Nanocoating matt ultrasmooth (ringfest, Möbelqualität) in Reinweiß NCS-S 0500N, Individuelle RAL- oder NCS-Farbtöne gegen Aufpreis möglich
- Abmessungen: 40 x 70 x 18,5 cm, mit Fuß 40 x 87,5 x 37 cm
- Gewicht: ca. 22 kg
Chassis je Lautsprecher
- Fronthochtöner Accuton® Vollkeramik 30 mm Neodym
- Tiefmitteltöner ScanSpeak® 26W Aluminium 10“
- Diffusfeld-Hochtöner AMT L50
Elektronik je Lautsprecher
- Pro Lautsprecher 1 x 400 w und 1 x 100 w Class D NCore® der 4. Generation
- Mehrkanal- Hi-Res-DSP mit integrierter, fernbedienbarer Vorstufe für digitale und analoge Quellen (updatefähig).
- Innenverkabelung: Reinstkupfer OCC mit jeweils angepaßten Querschnitten.
- Anschlussmöglichkeiten:
– AES digital XLR (über Hauptlautsprecher)
– SPDIF digital RCA Koax (über Hauptlautsprecher)
– Toslink digital Lichtleiter (über Hauptlautsprecher)
– XLR analog symmetrisch (jeweils rechts / links)
– RCA analog (‚Cinch‘) (jeweils rechts / links) - Klang-Individualisierung:
– Bis zu drei Custom-Klangpresets nach Experten-Einmessung im Hörraum (aufpreispflichtige Option)
Z.B. zusätzliche Presets für ältere Quellen, historische Aufnahmen oder Kino-Ton mit virtual Center.
Lieferumfang
- Aluminium-Fernbedienung zur Steuerung aller Funktionen inkl. Quellenwahl und Klang-Presets
- Kabel: 2 x Netzkabel; 4,5 m Lyra-Link SPDIF-Verbindungskabel Haupt- und Sekundärlautsprecher
- Staubschutzhüllen
- Bedienungsanleitung
Produktvarianten
- KARLOS ANALOG nur mit analogen Eingängen, zum Betrieb an externen Vorstufen, ohne Fernbedienung und Interlink-Kabel
- KARLOS MONOLITH mit Massiv-Kunststeingehäuse und Accuton® Cell® C25 Hochtöner.
Klang
Während meiner Zeit mit den Lyravox KARLOS ergab sich zu den Süddeutschen HiFi-Tagen noch eine kleine Überraschung in Sachen Musikserver/Player. Der umtriebige Händler und Vertrieb CM-Audio bekam die ersten Antipodes Audio OLADRA aus Neuseeland überstellt. Just vor den Süddeutschen HiFi-Tagen steckten sie noch im Zoll und ich sollte einen Edel-Server der ersten Fuhre bekommen. Und so sollte es dann auch sein – nach kleiner logistischer Unterstützung meinerseits. Man könnte fast sagen, es entstand für kurze Zeit ein OLADRA-Hub, ein Umschlagplatz, in meinem Hörzimmer. Zu guter Letzt blieb der silberne Oladra bei mir hängen, der zudem Lyravox gehörte. Durch die glückliche Fügung hatte ich also die Möglichkeit, die KARLOS nicht nur an meiner Elektronik zu hören, sondern auch an dem Edel-Musikserver/Player von den Antipoden. Die Möglichkeit nutzte ich auch ausgiebig, unter anderem mit dem Streaming-Dienst Qobuz.
Doch nun zum praktischen Teil. Beim Hören mit den KARLOSsen waren letztendlich zwei Dinge wichtig: Die Fernbedienung und das Smartphone/Tablet mit der Player-App. Da ich nur über eine Quelle hörte, waren die wichtigsten Tasten auf der hochwertigen und angenehm satt in der Hand liegenden Alu-Fernbedienung Power, Mute sowie Volume +/- .
Die Inputs konnte ich getrost links liegen lassen. Für mich eigentlich auch weniger von Belang, aber für neugierige Geister dennoch spannend, waren die drei Sound Presets, die sich im DSP der KARLOS speichern lassen. C1 war in diesem Fall das Preset für den Hamburger Lyravox-Hörraum. Auf C2 lag meine Einmessung, LIN bezeichnet die lineare/neutrale Einstellung des DSP. Bei einem Wechsel zwischen C2 und LIN wurde die Wirkung des DSPs mit meinen raumspezifischen abgestimmten Parametern schnell deutlich. Auf LIN wirkte es, speziell ab „normalen“ Abhörlautstärken aufwärts, unausgewogener, weniger korrekt. Durch das Umschalten vom optimierten Frequenzgang auf den linearen wurden die Tücken des Raumes, also speziell der Raummoden um 35 und 70 Hertz, aber auch eine gewisse Harschheit in den Höhen deutlich. Der direkte Vergleich machte dies so plakativ deutlich, dass der Daumen schnell wieder die C2 Taste fand und in den Wohlfühlmodus zurück schaltete.
Wahrscheinlich erwähnte ich es in anderen Reviews bereits, dass ich mit audiophiler Musik zum Test nicht immer zu ködern bin. Letztendlich muss mich die Musik irgendwie erreichen. Und ein ausgezeichneter Lautsprecher sollte mit jedem Material klar kommen. In diesem Fall mit Miss Allie, der „kleinen Singersongwriterin mit Herz“ – laut eigener Aussage. Auf Miss Allie wurde ich tatsächlich durch Zufall bei Facebook aufmerksam. Sowas soll es geben. Die kleine Singersongwriterin mit Herz kann in ihren Texten recht derb werden. Es gibt aber auch Titel, die ich persönlich großartig finde und die ich, ohne das es mir die Schamesröte ins Gesicht treibt, mit euch teilen kann. Dazu findet sich in der ARD Mediathek die Aufzeichnung des WDR eines Miss Allie Auftritts in Oberhausen.
Der Reiz liegt in der Aufnahme, die nicht für HiFi sondern für das Fernsehen gemacht ist. Die Sängerin mit der Akustikgitarre steht zentral in der Mitte. Dabei sind die Gitarre und die Stimme sehr direkt aufgenommen. Die KARLOS gaben die Sängerin sehr präsent, sehr klar wieder. Sie nahm den Raum zwischen den Lautsprechern ein, der ihr als Solo-Künstlerin gebührt. Selbstbewusst, aber nicht zu sehr nach vorne spielend. Schön war dabei der Charakter und Klangkörper der Akustik-Gitarre mit ihren Nebengeräuschen nachzuvollziehen. Wie eine Signatur. Miss Allie spielte mit der Stimme – und ihrem Publikum. Nicht nur Gesang, sondern auch die Stimme transportierten die Aktivlautsprecher sehr facettenreich. Das zum Mitmachen animierte Publikum klang authentisch und belebte die Live-Athmosphäre. Das Klatschen, das Johlen, das Giggeln. Schön differenzierten die KARLOS beim „Mitmachpart“ des Songs über das „Schlussmachen“ tonal das „jetzt nur die Männer“ und das „jetzt nur die Frauen“. Sehr Livehaftig.
Ganz anders bog „Dein Lied“ ums Eck. Unvorhersehbar, mit einer unerwartet ernsten und emotionalen Wende im Titel. „Das ist Dein Lied, …“. Auf der Bühne – und mit den KARLOS – kam Miss Allie ehrlich emotional rüber, heulte sich den Kummer und das Leid glaubhaft heraus. Gänsehaut, ehrlich. Die Studioversion, die es beispielsweise bei amazon Music zu streamen gibt, wirkte dagegen sehr viel abgeklärter, distanzierter und nach Studio-Routine. Das änderte nichts an der Emotion, die Lautsprecher machten dies aber deutlich. Ebenso, wie die leichte Basslastigkeit der Aufnahme, die dem Song den Charme des Solo-Auftritts ein wenig nimmt. Glücklicherweise verstand es Miss Allie mit ihren dritten Titel „Du bist so wunderschön“ – der Geschichte vom Oberkörperfreien Schrebergärtner Mitte zwanzig – die noch feuchten Augen mit einigen Lachfältchen zu umspielen. Auch hier das wunderbar nachgezeichnete verbale Spiel mit dem Publikum, das sympathische „sch, das manchmal wie ein „ch“ klingt („Du bist so wunderchön“), die Mitmachstelle und das lebhafte Publikum. Klasse. Ich hörte es ein paar mal und amüsierte mich köstlich, bis ich endlich mal einen Satz dazu für diesen Bericht zu Papier gebracht hatte.
Einen Abstecher in den deutschen Schlager – ein Musik-Tipp von Bernd – machte ich mit Peter Kraus, der auf seinem Album Idole bekannte Künstler zum Duett geladen hatte. Im Falle von „Blue Bayou“ Annett Lousian, die 2004 in Deutschland ihren ersten Hit landete. Die KARLOS arbeiteten dabei die Aufnahme schön heraus. Klar umrissen erschienen die Stimmen von Peter Kraus und von Annett Lousian zwischen den beiden KARLOS in authentischer Größe in der Lausprecherebene. Mal abwechselnd Solo klar umrissen und auch im Duett verschmolzen. Dabei betonten die Aktivlautsprecher eher den Charakter der Studioaufnahme und nahmen so die Rolle des Chronisten ein. Die stimmungvolle Gänsehaut-Komponente des Künstler-Duos, die der Musik gut tun würde, hielten sie dabei eher zurück.
Nichtsdestotrotz war es eine Freude den charismatischen und detailreich abgebildeten Stimmen der beiden Künstler ganz nah zu sein. Bei „Mr. Bojangles“ stand die Stimme von Peter Kraus im Vordergrund, Helge Schneider unterstützte an den Instrumenten. Auch hier stand die Präzision des Studios vor der Intimität einer kleinen Bühne. Der Preis der Genauigkeit. Hinreißend war die Möglichkeit nachzuvollziehen, wie Peter Kraus jedes Wort auf seine eigene Art formte, betonte und in die Melodie goss. Großartig auch der narrative Teil. Überraschend hörenswert auch für Musikfans – wie mich – , die mit deutschem Schlager eher auf Kriegsfuß stehen.
Grad spielte sich auch der Antipodes Audio OLADRA Musikserver und Player warm. Ich war natürlich neugierig und hatte ihn sofort angeschlossen – er sollte ja nicht nur rumstehen bei mir, der edle Antipode 😉 Und Einspielzeit sollte ihm – so sagte man – auch gut tun. Also suchte ich mir bei Qobuz die Einstürzenden Neubauten aus, die ich schon beim Kopfhörertest der FOSTEX TH900 ausgiebig gehört hatte. Interessant war, auch wenn etwas Zeit dazwischen lag, wie sich das Hörerlebnis an einem Lautsprecher darstellte. Zum anderen hing ich immer noch dem Konzert in der MHP Arena Ludwigsburg nach, das mich nachhaltig beeindruckt hatte. Bei Qobuz fand ich das neue Album „Alles in Allem“, das die Band mit dem 40-jährigen Bühnenjubiläum auch in LuBu in voller Gänze zum Besten gegeben hatte.
Schon mit dem Opener „Ten Grand Goldie“ zeigte sich der Unterschied zum Kopfhörer: Die KARLOS transportierten die Gewaltigkeit des Sounds, die Energie des Basses, die Größe der Bühne. Trotz, dass ein Kopfhörer durch die Nähe zum Ohr musikalische Details hervorragend einflößen können, ließen sich die Lautsprecher mit dem Keramik-Hochtöner nicht lumpen. Den Kontrast zum bass- und effektreichen Klangspektakel und handgemachten Soundeffekten lieferte die markante, rezitative Stimme von Blixa Bargeld und das eingespielte historische Sample, das wie aus einem s/w-Film und irgendwie nach „Berlin, Berlin, Berlin-lin-lin“ klingt. Getoppt wurde das noch durch durch das emotionale „Am Landwehrkanal“, das – auf seine Art verschlüsselt – den Verlust eines geliebten Menschen besingt. Wie schon bei Miss Allies „Dein Lied“ sorgt dies für echte Gänsehaut, die auch der Authentizität der Wiedergabe geschuldet ist. Ich hatte das Gefühl, Blixa Bargeld singt nur für mich in meinem Hörzimmer. Alles in Allem wurde auch der Rest des Albums mit den fein herausgearbeiteten Effekten, aber auch den fast intimen Momenten zu einem Erlebnis.
Danach folgte ich noch einem Musik-Tipp der Qobuz-App: die spanische Sängerin Rosalía, die 2020
in der Kategorie „Best Latin Rock, Urban or Alternative Album“ als „Best New Artist“ für ihr Album El mal querer nominiert wurde. Ins Auge der Qobuz-Liste stach mir förmlich das Cover ihres 2022 erschienenen Albums Motomami + , das für einen schamhaften Burschen wie mich schon sehr offensiv daher kommt. Dazu noch der Aufdruck „parental advisory“…
Nun gut, man soll ja vorurteilsfrei an Mensch und Musik herangehen. Zudem verstehe ich sowieso kein Spanisch und beim Cover kann ich mir beim Musikhören ja die Augen zu halten. Was ein Glück. Das Album der seit unlängst dreißigjährigen entpuppte sich für mich als erstaunlich abwechslungsreich – natürlich muss man diese Art von Musik grundsätzlich mögen.
Die Lyravox KARLOS verliehen der Musik den nötigen Kick, um den Spaßfaktor zu erzeugen, den die Musik einfach braucht. Anspieltipp sind „La Combi Versace“, „CUUUUuuuuuute“, „Bizcochito“, „Delirio de Gradenza“ oder „G3 N15“. Die Lautsprecher spielten dynamisch und freudig. Dabei lösten sie schön die cleanen Elektronikanteile, Effekte und Spielereien von den Bässen. Impulsive Bässe erschienen fokussiert und recht trocken in der Mitte der Bühne. Die satten Bässe wie bei „Despecha“ oder „Candy“ kamen zwar fett, aber ohne zu wummern. Die Stimme von Rosalía war als ein wichtiges Element präsent aufgenommen und kam entsprechend über die KARLOS rüber. Interessant auch die Sprachaufnahmen in „abcdefg“ und „Thank You 🙂 “ . An den Anspieltipps merkt ihr, dass ich dran geblieben bin und das Album komplett durchgehört habe. Also genau genommen mehrfach über die Wochen. KARLOS und Rosalía haben sich bestens verstanden.
But now something completely different. Auf meinem Musikserver wählte ich das dort archivierte Album Brothers in Arms von den Dire Straits. Eigentlich bin ich kein kein eingefleischter Dire Straits Fan, aber das Album erschien im Jahr 1985, als meine Mitschüler cool mit dem 80er Moped vorfuhren und ich mich mit meiner liebvoll zusammengestellten und zusammengesparten Stereo-Anlage tröstete 😉 Brothers in Arms war neben Kate Bushs Hounds of love und Stings The Dream Of The Blue Turtles eine meiner ersten LPs und später auch CDs. Da kann man schonmal sentimental werden. Der Unterschied der Aufnahmephilosophie der Dire Straits der 80er-Jahre wurde ab dem ersten Takt deutlich. Fast schon wohltuend nach dem Sound der 2020er der arg nach vorn geht. Lustigerweise neigt man jedesmal fast dazu, zu Beginn von „Money for nothing“ lauter zu machen und ist dann schier überrascht, wie sich das Intro im Schlagzeug und Gitarrensound entlädt. Ist man gar nicht mehr gewohnt.
Mir fiel sofort auf, dass der Sound der 80er über die KARLOS nicht angestaubt oder müde ausgestrahlt wurde sondern frisch und knackig. Der lässige, leicht nölige Gesang von Mark Knopfler, der sich gleichberechtigt in die Musik einbettete – schön schon beim Opener „So far away“ nachzuvollziehen. Mehr noch als beim R’nB‘-Album von Rosalía entstand eine Bühne, die sich von den Lautsprechern löste und sogar etwas darüber hinaus spielte. Höhe, Breite und Tiefe passten wunderbar. Im Gegensatz zu Lautsprechern, die den Tiefen-Effekt erzielen, indem beispielsweise Stimmen sehr nach vorne gehen, verstand es die KARLOS den Raum in der Lautsprecherebene aufzuspannen, was – je nach Hörempfinden – sehr angenehm sein kann. Die (Spiel-)Freude setzte sich bei „Walk Of Life“ nahtlos fort. Spaß machte wieder das knackige Schlagzeug, die freche – toll herausgestellte – Orgel. Sehr zurückhaltend gab der E-Bass in der Rhythmus-Gruppe den Takt an – ganz im Gegensatz dann zu „Ride Across The River“, wo er neben den stimmungsvoll verzerrten Gitarren und den Effekten eine Hauptrolle bekam.
Auf den kleinen LYRAVOX Aktivlautsprechern klang das alles sehr richtig, was das Gehör entspannte. Einen interessanten Effekt zeigte noch das Abdecken des Zusatzhochtöners auf dem Gehäusedeckel, der den Raum mit Hochtonanteilen anreichert, die diffus reflektiert werden und so ans Ohr gelangen. Ohne die Schallinformationen der AMT-Hochtöners fiel der Raum leicht in sich zusammen, als hätte man der Klangsphäre um das Lautsprecherpaar die Luft rausgelassen. Anstatt, dass man nun diesen Kniff der Effekthascherei überführt hätte, wurde der wichtige Anteil am Gesamteindruck der Lautsprecher und der klanglichen Korrektheit deutlich. Überflüssig also, den Zusatzhochtöner bedeckt zu halten. Schnell weg damit und sich wieder den Dire Straits widmen: der trockenen Basedrum, dem Gesang und dem prägnanten Gitarrenspiel von Herrn Knopfler, wie es mir wieder in „One World“ angenehm auffiel – und dem düster effektvollen Donnergrollen des Titelstücks „Brothers in Arms“. Und auch ohne ein Dire Straits Fan zu sein bekam ich wieder ein wenig Gänsehaut bei diesem Stück Musikgeschichte. Ich bitte also nun um Verständnis, dass ich an dieser Stelle das Notebook beiseite lege und mich dem Wesentlichen widme: der Musik.
Fazit
KARLOS stellt mit rund 13.000 Euro den Einstieg in die Welt von Lyravox dar. Der kompakte Standlautsprecher mit breiter Schallfront und sachlich weißer Serienfarbe fügt sich auffällig unauffällig ins Designermobiliar ein oder liefert einen gelungenen Kontrast zum Landhausstil. Für die räumliche Integration sorgt nicht nur das Look&Feel sondern akustisch auch die Raumanpassung, die per Computer und Meßmikrofon mittels eingebautem DSP mit kundiger Hand individuell möglich ist. Der integrierte Digital/Analog-Wandler sowie die fernbedienbare Vorstufe des Aktivlautsprechers bieten mannigfaltige Anschlussmöglichkeiten. KARLOS spielt akurat und beleuchtet jedes feine Detail der Aufnahme. Er öffnet dabei einen authentischen Raum in jeder Dimension, den er eher mit feiner Feder skizziert, als ihn üppig zu colorieren. Kombiniert man die Lyravox KARLOS mit einem hochwertigen Musikserver/Player als Quelle, kann für viele Musikfreunde die Suche nach dem musikalischen Glück hier bereits erfolgreich mit einem minimalistischen Anlagen-Setup abgeschlossen sein. Die beiden Analog-Eingänge können zudem weitere interessante Welten erschließen.
Im Test
Kompakter, aktiver High End Standlautsprecher mit integriertem DAC und DSP
Lyravox KARLOS
Preis: 12.800 Euro / Paar
Variante KARLOS ANALOG (nur mit analogen Eingängen, ohne Fernbedienung und Interlink-Kabel)
Preis: 11.800 Euro / Paar
Kontakt
Lyravox Gerätemanufaktur GmbH & Co. KG
Dr. Götz von Laffert, Jens R. Wietschorke
Jaffestraße 6
21109 Hamburg
Tel.: 040/32089798-0
Mail: info@lyravox.de
Web: www.lyravox.com
Mitspieler im Test
Digitale Quellen – LUMIN U1 mini, NuPrime Stream 9, MERASON DAC-1, Musikserver Innuos ZENith Mk3, Antipodes Audio OLADRA
Plattenspieler / Phonovorstufe – Rega P8 mit Excalibur Platinum, Rega Aria Mk3
Verstärker – SPL Phonitor x mit DAC768, Cambridge Audio Edge W Endstufe
Lautsprecher – Dutch&Dutch 8c, Diapason Adamantes V
Kopfhörer – ULTRASONE Edition 15
Signalkabel – WSS Platin-Line KS-20 XLR, WSS Premium-Line KS-200 XLR, Boaacoustic Evolution BLACK.rca
Lautsprecherkabel – Boaacoustic Mercury, Melodika MDSC4030, Kabelbrücke Melodika MDSC1501
Digitalkabel – Boaacoustic USB-Kabel Silver Digital Xeno, Netzwerkkabel Wireworld Starlight 8, Boaacoustic SIGNAL.lanCat.6A, Boaacoustic Evolution BLACK.xlr-digital
Netzkabel – Netzkabel Supra LoRad 2.5, bfly bPower, Boaacoustic Evolution BLACK.power-16
Zubehör – Netzleiste SUPRA Cables LoRad MD07 DC 16 EU SP MKIII, SBooster BOTW P&P Netzteil, NuPrime AC-4 Power Conditioner, NuPrime Omnia SW-8 HiFi Netzwerk-Switch, Innuos PHOENIX USB-Reclocker
Fotos: F. Visarius