Der Sonntag der Süddeutschen HiFi-Tage sollte laut Ankündigung der Veranstalter ein etwas kürzerer Tag werden als der Samstag: Öffnungszeit 10-16 Uhr. Das bedeutete 6 Stunden Zeit für gute Musik und Gespräche. Bernd und ich waren uns sicher, auch diesen Tag mit guter Musik und mit vielen guten Gesprächen über die Bühne bringen zu können. Und gereicht hat es leider wieder nicht für alle Hörzimmer und -Räume. Schön war, dass die vorgestellten Anlagen, gemessen am nicht immer ganz einfachen Hotel-Umfeld, sehr gut geklungen haben. Natürlich konnte man meistens den Einfluss des Raumes raus hören – so wie im richtigen Leben – , die Aussteller haben sich aber beste Mühe gegeben, das vorgestellte Equipment mit dem Raum in Einklang zu bringen, so dass es eine Freude war, den unterschiedlichsten Exponaten zu lauschen. Wer also nur den Kopf ins Zimmer steckte, nicht Platz nahm und inne hielt, war selber Schuld. Am Sonntag waren deutlich weniger Besucher im Holiday Inn in Weilimdorf als an Messetag eins, dem Samstag, so dass sich – trotz der immer noch gut besuchten Hörzimmer – mit etwas Geduld eine schönes Plätzchen zum Hören finden ließ. So fanden sich bis in den zweiten Stock – für den sich die Aussteller dort etwas mehr Werbung im Erdgeschoss, bzw. Ausschilderung gewünscht hätten – viele interessante HiFi-Anlagen. Hier also unser Bericht vom Tag 2, dem Sonntag der Süddeutschen HiFi-Tage 2022 in Stuttgart.
An einem Schwätzchen mit Gerd Kopistecki von Supra Cables kamen wir HiFi-IFAs nicht vorbei. Zumal sich der Stand an der strategisch günstigen Stelle auf der Eingangsebene befand, wo jeder vorbei musste. An der obligatorischen Supra Cables Wand waren das bekannte Kabel- und Zubehör-Sortiment ausgestellt. Angucken und anpacken möglich, Höreindrücke der Kabel und Netzleisten bekommt ihr in unseren Tests. Zudem darf man Bernd und Gerd keine fünf Minuten alleine lassen. „Nimm das Ding von meinem Kopf, das sieht aus wie eine Dornenkrone“. Gesagt, getan – aber muss es dann gleich zum Heiligenschein erhoben werden … 😉 Man kann das Kabel aber auch einfach als USB-Audio-Verbinder verwenden.
Der Vertrieb Audio Reference hatte neben dem Lautsprecherhersteller Backes & Müller nicht nur mit den größten Raum, sondern wohl auch das breiteste Hersteller-Spektrum im Angebot. Mit Velodyne Acoustics, Wilson Audio, Dan d’Agostino, VTL, VPl, Bassocontinuo, Perlisten Audio, M&K Miller & Kreisel, Krell, Meridian Audio, Nordost Cable, Vicoustic, Millenium Audio und Starke Sound gab es an Produkten so ziemlich alles zu bestaunen, was ein HiFi-Enthusiast für eine vollständige Anlage benötigt – Alternativen im eigenen Portfolio inbegriffen. Mit einem Ohr bekamen wir noch den großen Perlisten Standlautsprecher an Krell-Elektronik mit, der in einer der beiden Vorführanlagen mächtig aufspielte. Etwas mehr Zeit hatten wir dann bei den Wilson Audio Sascha Lautsprechern (Preisklasse um 50.000 Euro) zu verweilen, die an einem Dan D’Agostino Progression Integrated Vollverstärker mit integrierten Phonostufen- und Digital-Modulen (incl. Streaming; um 42.000 Euro) und Nordost-Kabeln spielte. Die Anlage fügte sich mit dreidimensionaler Bühne prima in den Raum ein. Mitten und Höhen kamen sauber und frisch ohne sich aufzudrängen. Ein konturierter Bass rundete den Eindruck ab. Ein schönes Hörerlebnis.
Ein Erlebnis der anderen Art bot Phonosophie Master Mind Ingo Hansen. Seine Idee: Gutes HiFi muss sich mit Live-Musik messen können. Für die HiFi-Welt standen dabei Phonosophie Elektronik und Modifikationen sowie kompakte Fink Lautsprecher. Live spielte Wolfgang Bernreuther mit seinen elektrischen und akustischen Gitarren und seiner Stimme über kleine Amps – also genau genommen auch über eine einfache Bühnen-Elektronik. Witzig und mit launigen Sprüchen führte er durch sein Programm. Dabei führte er ganz nebenbei die Wirkung einer Kabelmodifikation von Ingo Hansen am Kabel zum Gitarrenverstärker vor. Nach dem Kabeltausch hatte der Sound mehr Energie, mehr Volumen und etwas mehr Fülle im Bass. Ein interessantes Phänomen.
Zur Freude des Publikums gab Wolfgang Bernreuther, der seine Wurzeln im Blues hat, seine Musik live und zum Vergleich dann von CD zum Besten. Der Clou aber kam zum Schluss: der Gitarrist begleitete sich live selbst zu seiner eigenen Musik aus der Konserve, die über die HiFi-Anlage spielte. Das Ergebnis erklang wie aus einem Guss. Eine tolle Aktion für die Fans des Österreichers und des Gitarren-Blues, aber auch für HiFi-Fans, die offen für Neues sind.
Der französische Elektronik-Hersteller B.Audio präsentierte sich wieder, wie auf der High End 2022 in München, mit dem polnischen Lautsprecherhersteller Intrada. Auf französischer Seite spielte der Digital/Analog-Wandler und Vorverstärker B.dpr EX mit der Stereo-Endstufe B.amp, auf der polnischen Seite der 3-Wege Top-Lautsprecher Maurice. Aus der französisch-polnischen Partnerschaft erwuchs ein entspannter Sound, der sicher auch längeren Hörsessions Stand hält. Die HiFi-IFAs überzeugte übrigens bereits 2018 der B.audio B.dpr im Test.
Wenn zwei sich finden freut sich ein Dritter. So könnte man die Symbiose aus 40-jähriger Erfahrung in Bau und Entwicklung von Breitbandlautsprechern in Kombination mit ambitioniertem Gehäusebau wohl umschreiben. Das Resultat der Symbiose ist der Lautsprecher Aerofon von AER. Der lachende Dritte ist der Zuhörer, der ein akustisches Erlebnis der besonderen Art geboten bekommt. Vom Bauprinzip ist ein Breitbandlautsprecher mit einem Horn kombiniert, das den nach hinten abgestrahlten Schallanteil aufnimmt und durch ein ausgeklügeltes Abstrahlverhalten wieder mit dem Direktschall vereinigt.
Der Klang, der dabei entstand, war ausgesprochen losgelöst von den Lautsprechern, so dass ich sehr nah an den Lautsprecher herantreten musste um festzustellen, welches der beiden ausgestellten Paare grad spielte. Da der Lautsprecher voll und recht tief spielte glaubte ich nämlich zuerst, es sei der größere. Pustekuchen, es war der innere, kleinere. Die Stimmen in der Musik waren sehr fokussiert und körperlich, Erstaunlich: Dafür war deutlich unter einem Watt erforderlich, so dass der Lautsprecher – es spielte also die kleinere, aber mit wertigerem Breitbänder ausgestattete Essence (Preis um 70.000 Eurio) – die einen Wirkungsgrad von 117dB / 1W besaß, so dass diese locker mit dem 2×3 Watt Consonance Röhren-Verstärker auskamen. Die größere Essence liegt preislich übrigens bei rund 30.000 Euro. Eine weitere Besonderheit, die erst auf den zweiten Blick auffällt: Die Plexiglas-Gehäuse (!) sind unter anderem deshalb aufwändig zu fertigen, da sie keine rechten Winkel besitzen.
2021 verschmolzen der Lautsprecherhersteller Live Act Audio (LAA) und MHW Audio zu einem Unternehmen. Das Ergebnis des Zusammenschlusses präsentierte sich in Stuttgart gemeinsam im Hörraum. Im Mittelpunkt standen dabei die mit rund 6.000 Euro bepreisten Kompaktlautsprecher LAA Viola S, die an mfe Elektronik – der ein Levar Ultimate II Plattenspieler beistand – spielten. Bei MHW ist übrigens auch der außergewöhnliche Guerilla Audio Schallwandler 08/15 von Helmut Hack im Programm, den die HiFi-IFAs 2021 im Test hatten.
Ebenfalls im Test hatten wir HiFi-IFAs die Buchardt Audio A500 Aktiv-Lautsprecher. Was der Regallautsprecher so alles drauf hat – und das ist eine ganze Menge – liest man natürlich am Besten im ausführlichen Review, das Wichtigste zeigte er im Hörzimmer: ein kompaktes Komplett-Anlagen Setup mit HiFi-Hub als Streamer und Schnittstelle zu weiteren Geräten, sowie kabelloser Signalübertragung per WiSA zu den Lautsprechern, die also nur einen Stromanschluss brauchen. Das Set unter 4.000 Euro bietet zudem eine automatische Raumeinmessung, DSP und eine Fernbedienung.
Großer Bahnhof im über die Tage gut besuchten Hörzimmer von ARAKAS. In der Vorführung großes Hörkino: Filmmusik aus dem „Grand Budapest Hotel“, die sich opulent und ausgesprochen räumlich zeigte. Kopfkino. Die Idee von ARAKAS liegt darin, unerwünschten Schall nicht zu eliminieren – denn jedes dB der HiFi-Anlage ist zumeist teuer erkauft und damit wertvoll 😉 – sondern im Raum so umzuverteilen, dass er dem Hörer direkt zu Gute kommt. Neu im Programm ist der Grunewald Bass-Transformer, der tiefe Töne mit Hilfe der glatten Wand, an der er montiert werden sollte, „einfängt“, durchleitet, dabei beruhigt und gezielt wieder ausleitet. Unterstützt wird er von den klassischen akustischen Spiegeln von ARAKAS, die wir HiFi-IFAs Anfang 2021 zum Test in unserem Hörraum hatten. Eine weitere Neuheit sind die Boxen von Joachim Gerhard / Rose Lautsprecherbau mit Arakas Mach-52-Technologie, die hochfrequente Schallanteile generiert, in den Überschallbereich beschleunigt und so diese Informationen ans Ohr bringt, bevor das Ohr das eigentliche Musiksignal empfängt. Einen ähnlichen Effekt der „Vorahnung“ gibt es übrigens beim Sprachverständnis von Muttersprachlern. Interessierte sollten sich selber ein Bild machen. Das ausgestellte Setup bot jedenfalls ein beeindruckendes, dröhnfreies Bassvolumen mit gleichmäßiger Anregung des Raumes – Sound nicht nur im Sweetspot.
Beim Berliner Hersteller von Lautsprechern – Spezialität ist der Radialstrahler- und Elektronik mbl spielte am späten Nachmittag das große Gedeck: Preisklasse in Summe rund 100.000 Euro. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht: Die Lautsprecher von mbl sind intelligent modular Upgrade-fähig. Vom kompakten Einstiegsmodell bis zur gezeigten vollen Ausbaustufe ist also kein Euro verschenkt. Ein kundenfreundlicher Ansatz, wie wir meinen. Im Gegensatz zur Größe war der Klang herrlich losgelöst von den Lautsprechern. Sehr luftig und frei, die Stimme fast holografisch, nichts klebte am Lautsprecher. Ein Effekt der sicherlich zu großen Teilen den Radialstrahlern geschuldet ist. Das Klatschen in der Live-Aufnahme wirkte sehr realistisch, nachdem der Interpret die dreidimensionale Bühne verlassen hatte.
So, die Uhr zeigte 16 Uhr, die Süddeutschen HiFi-Tage waren eigentlich rum. Viele Hersteller begannen mit dem Einpacken. Schnell nochmal bei Lyravox vorbei. Grund war der brandneue Highend-Musikserver Antipodes Audio Oladra, von dem erst vor ein paar Tagen die ersten Modelle den deutschen Zoll passierten. Die HiFi-IFAs sprangen für Lyravox und cm audio ebenso spontan wie ungeplant mit einer kleinen Logistik-Dienstleistung ein und von zwei Modellen, die wir im Großraum Stuttgart „jonglierten“ wollten wir dann doch gerne einen zum Test bei uns behalten – und der sollte eben bei Lyravox stehen 😉
Die Hamburger Lautsprecherspezialisten Lyravox hatten auf den Norddeutschen HiFi-Tagen bereits ihr Heimspiel. Götz von Laffert und Jens R. Wietschorke scheuten sich aber auch nicht, knapp zwei Wochen später die Reise ins Ländle anzutreten. Im Gepäck hatten sie Karl II, einen aktiven Standlautsprecher in respektablem Format mit Keramikhochtöner, integriertem Digital/Analog-Wandler und DSP. In dieser Konfiguration hat er einen Paarpreis von 54.000 Euro, gegen Aufpreis gibt es Karl II auch mit Diamant-Hochtöner um 63.000 Euro. Einzig einen Zuspieler benötigt der Lautsprecher somit, der auch – so wie ausgestellt – im Verborgenen arbeiten kann, so dass sich ein minimalistisches Setup ergeben kann. Wir erlebten die Karl II mit großer Bühne und sortiertem Raum, fokussierten Stimmen, die sich schön von der breiten Schallfront lösten, crispen Gitarren sowie einem trockenen Bass.
Ein besonderes Schmankerl durften wir noch überraschend in einer ungeplanten Privatvorstellung erleben, als wir zu Betriebsschluss bei Götz und Jens zur Abholung des Oladras vorbei schauten. Hinter dem großen gespannten Lyravox-Banner verbargen sich drei Top-Musikserver, die auch als Player für die Karl II aufspielten: der Pink Faun 2.16 (knapp unter 10.000 Euro), der Grimm MU1 (knapp über 10.000 Euro) und eben der Antipodes Audio Oladra (um 25.000 Euro). Da sich Götz opferte um das Kabel umzuklemmen, das Server und Lautsprecher verband, konnten wir entspannt sitzen bleiben und genießen. Zudem wussten wir nicht direkt welcher Server spielte. Ein spannender Vergleich, der zur Diskussion anregte, da jeder seinen eigenen Charakter an der Karl II zeigte, der als Top-Schallwandler auch in der Lage war, Unterschiede abzubilden. Ein ebenso unerwarteter wie audiophiler Abschluss.
Wir meinen, dass HiFi-Messen, die sich regional an Interessenten – mit oder ohne Kaufabsichten – und Kunden richten, wichtig für unser gemeinsames Hobby sind. Eine feste Institution sind dabei die Süddeutschen HiFi-Tage im Stuttgarter Holiday Inn Weilimdorf – auch wenn die SDHT im Jahr 2022 nach der „Corona-Zwangspause“ verständlicherweise schlanker ausgefallen sind, was Ausstellter- und Besucherzahlen anging. Eingefleischte HiFi-Fans oder solche die es werden wollen, hatten aber dennoch eine breit gefächerte Auswahl vieler Hersteller und – das finden wir wichtig – unterschiedlichster HiFi-Konzepte, verbunden mit der Möglichkeit zu fachkundigen Gesprächen. Wer die Chance nicht nutzt, vorbeischaut und sich darauf einlässt, ist also selber Schuld. Die HiFi-IFAs sagen ein Dankeschön an die ambitionierten Veranstalter und Aussteller. Wir freuen uns auf die kommenden Veranstaltungen.
Fotos: Falk Visarius