Die Bedeutung der vorliegenden Gerätegattung als ultima ratio im HiFi haben Bernd und ich neulich im Spaß bei unserem sommerlichen Redaktionstreffen mit Stereo Guide und audisseus so definiert: Was ist, wenn Dein Hörraum so fürchterlich ist, dass beim Setup der Lautsprecher nichts mehr hilft? Dann muss ein guter, oder gerne auch ein sehr guter Kopfhörer her! Auch wenn sich für (fast) jeden Raum Lösungen finden lassen, ist da schon etwas Wahres – und womöglich budgetschonendes – dran. Der Nutzen eines Kopfhörers beginnt erst da, wo die HiFi-Anlage an ihre Grenzen stößt. Pah! Eingefleischte Kopfhörer-Fans werden uns zu recht bei dieser Pauschalaussage Frevel ankreiden. Und so ist das natürlich auch nicht gemeint. Trotzdem ist der praktische Nutzen offensichtlich: Der Hörer ist unabhängig vom Raum und – speziell bei einem geschlossenen Kopfhörer – ist die Umgebung umgekehrt unbeeinträchtigt von der Beschallung des Musikhörers. Das wissen natürlich auch die Profis zu schätzen. Hinzu kommt die besondere Art der Musikreproduktion direkt am Ohr – auf kürzestem Weg zwischen Sender und Empfänger, die von vielen Menschen zum (Ab)Hören geschätzt wird.
Mit den Eingangsüberlegungen ist auch der Wunsch verständlich, den Kopfhörer nicht nur als Notlösung oder reines Werkzeug, sondern als vollwertiges HiFi-Gerät zu betrachten und dementsprechend zu optimieren. Ebenso erklärt sich die Bereitschaft von Musikliebhabern stattliche Beträge in leistungsfähige Kopfhörer zu investieren um das Vergnügen zu maximieren. Und hier kommen unsere Test-Objekte ins Spiel. Der japanische Hersteller FOSTEX schlägt gekonnt diese Brücke zwischen Professional Audio und HiFi und bedient mit seinem geschlossenen Referenz-Over-Ear-Kopfhörer TH900 mk2 gehobene Ansprüche in der Preisklasse um 2.000 Euro. Zu meiner Freude hat der deutsche Vertrieb Mega Audio beim Versand gleich die limitierte Special Edition in der Farbe „Pearlwhite“ mit „Anniversary Audio Tuning“ mitgeschickt. Meine Eindrücke, die ich in einigen vergnüglichen Stunden mit dem Duo „Perlweißchen und Rosenrot“ erlangt habe, erfahrt ihr in diesem Test.
Annäherung
Ja, ich weiß. Das Märchen heißt „Schneeweißchen und Rosenrot“, aber das „Pearlwhite“ der Special Edition und das tiefe Rot des Standard TH900 mk2 haben sich im Hörzimmer Seit an Seit derart schön ergänzt, dass ich bei der Formulierung des Titels die künstlerische Freiheit habe walten, und Grimm’s Märchen als Ideenspender zugelassen habe. Dazu kommt die märchenhafte hübsche Erscheinung der beiden Kopfhörer, die Liebe zum Handwerk vermuten läßt.
Das Gehäuse der Kopfhörer besteht aus japanischer Zierkirschen-Birke, die in traditioneller japanischer Handarbeit mit edlem „Urushi“-Lack überzogen wird. Begleitet wird der Lackierprozess von aufwändigen Einlegearbeiten mit Silberfolie und einer fortwährenden Politur per Hand. Abschließend wird ein FOSTEX-Logo aus Platin appliziert und der Lack einem finalen Trocknungsvorgang unterzogen. Ich gebe zu, die Tiefe und Komplexität des Lackes hat auch meinen Wunsch beflügelt die Kopfhörer im Sonnenlicht zu fotografieren. Am besten ist es aber, man erlebt die beiden Pretiosen live. Technische Spitzenprodukte mit traditioneller Handwerkskunst zu zieren hat übrigens eine gewisse Tradition in Japan. Sie stellt nicht nur die offensichtliche optische Veredlung dar, sondern ist auch eine Verneigung vor der technischen Wertigkeit des Produktes. Die japanische Uhrenmanufaktur Grand Seiko beispielsweise verwendet bei den Zifferblättern seiner Elegance Serie ebenfalls eine aufwändige Variante der „Urushi“-Lackierung.
Beim Auspacken stelle ich fest, dass der japanische Hersteller dem TH900 mk2 nicht nur einen weichen Lederbeutel für den Transport beilegt, sondern auch einen Kopfhörerständer der ansonsten für 82 Euro als Zubehör zu erwerben wäre. So geht es praktischerweise nach dem Auspacken beider Kopfhörer direkt sehr aufgeräumt zur Sache. Der Ständer trägt mit sehr pragmatischer Formgebung den 390 Gramm wiegenden Kopfhörer. Den Kopfhörerständer ziert ein großer weißer FOSTEX Schriftzug, ansonsten hält er sich in seinem seidenmattem Schwarz angenehm zurück.
Den Kopfhörern liegt ein 3 m langes, stoffummanteltes, schwarzes Kabel mit 6,3 mm Klinkenstecker zum Anschluss an die verstärkerseitige Buchse bei. Das Kabel will kanalgetrennt auf beiden Seiten mit dem Kopfhörer verbunden werden. Die zweipoligen Stecker sowie die Buchsen sind jeweils dezent und in gleiche Richtung weisend mit L und R markiert. Das ist praktisch, da man so beim Stecken sieht, ob der Stecker richtig gedreht ist. Der rechte Stecker ist zudem Rot markiert, was die Zuordnung zu den Seiten vereinfacht. Die Stecker mit Rhodium-beschichteten Pins clicken mit etwas Nachdruck merklich und sicher ein. Optional ist für rund 300 Euro ein ebenfalls 3 m langes Kabel mit XLR-Stecker in gleicher Qualität erhältlich. Desweiteren ist noch ein 1,2 m langes Kabel mit 3,5 mm Stecker und 6,3 mm Adapter im Zubehör-Angebot gelistet.
Das Kabel hinterlässt einen hochwertigen Eindruck und teilt sich circa 50 cm unterhalb des Kinns, was einen angenehmen Tragekomfort ermöglicht. Den Sitz um die Ohren empfand ich als eher leicht, was mir zu Anfang ungewohnt erschien. Nach einer gewissen Tragedauer legt sich das Gefühl, da der FOSTEX sicher sitzt und ich seine Anwesenheit dann schlicht vergesse. Dabei erweist sich die Kinematik der leichtgängigen Kipp und Drehachse als sehr effektiv. Die Drehachse liegt anatomisch geschickt etwas „hinter“ dem Ohr, was der Anpassung an die Kopfform entgegen kommt. Die Längenverstellung am Bügel ist leichtgängig und gut zu handhaben. Den Übergang zwischen Kopfband und Hörmuscheln bilden auf jeder Seite zwei gekerbte Stahlstäbe, die sauber in gewünschter Position rasten. Der Kopfhörer wirkt durch die runde Form der Schalen auf den ersten Blick zwar symmetrisch, ist aber durch Anlenkung der Muscheln an den Bügeln tatsächlich asymmetrisch. Routinierte Hörer erkennen so intuitiv, wie der Kopfhörer aufzusetzen ist.
Über FOSTEX
FOSTEX wurde im Jahr 1973 als Tochterunternehmen der seit 1949 aktiven japanischen Firma Foster Electronics Ltd. gegründet. Mit monatlich rund 14 Millionen gefertigten Lautsprechern und insgesamt über 20.000 Mitarbeitern ist Foster einer der größten Entwickler und Hersteller von OEM Lautsprechern weltweit. Die Marke FOSTEX sollte die Sparte hochwertiger Lautsprecherkomponenten repräsentieren und so direkt an Händler sowie Kunden auf dem japanischen Markt herantreten können. FOSTEX etablierte sich schnell und wurde für seine Qualität geschätzt.
Mit Produkten wie dem T20RP Kopfhörer oder dem 6301 Lautsprecher erlangte FOSTEX ab Ende der 1970er Jahre internationale Bekanntheit und wurde auch jenseits Japans in Recording-Studios und im Broadcast-Bereich beliebt. Nach dem Start im Studiosektor mit Kopfhörern fokussierte sich FOSTEX ab Anfang der 1980er Jahre mit Produkten Bandmaschinen, analogen und später auch digitalen Multitrack-Recordern sowie vielerlei hilfreicher Studiowerkzeuge zunehmend auf diesen Markt und etablierte sich dort. Auf dieser Basis erweiterte der Hersteller das Sortiment um eine Vielzahl an Kopfhörern und Kopfhörerverstärkern sowie verschiedener Audiorecorder, Studiomonitore, Audio-Wandler und Lautsprecherkomponenten. Mit dem Portfolio wurde auch die Zielgruppe größer: Neben den Profis aus dem Studio und Broadcast-Bereich spricht das Unternehmen aus dem Land der aufgehenden Sonne heute auch zahlreiche Fans aus der HiFi-Szene an.
Technik
Der FOSTEX TH-900 mk2 hat in Standard-Ausführung wie als Special Edition eine geschlossene Bauform und ist als Over-Ear-Kopfhörer konzipiert. Den Abschluss zum Kopf hin bilden angepasste Ohrpolster aus innovativem Protein-Leder, das aus Eierschalen-Membran gewonnen wird und sich sehr angenehm auf der Haut trägt. Die Ohrpolster werden bei Bedarf zum Austausch auch als Zubehör angeboten. Dem Gehäuse aus japanischer Zierkirschen-Birke spricht FOSTEX hervorragende akustische Eigenschaften zu.
Als Treiber dienen 50 mm „Biodyna“-Membranen und ein kräftiger Neodym-Antrieb mit einer magnetischen Flussdichte von 1,5 Tesla (15.000 Gauss), die auf herausragende Dynamik getrimmt sind. Die „Biodyna“-Membran besteht aus Bio-Zellulose-Fasern mit geringem spezifischen Gewicht sowie hoher Steifigkeit bei gleichzeitig hoher innerer Dämpfung. Dadurch können doppelte Membrangeschwindigkeit und eine fünf mal höhere Steifigkeit gegenüber kunststoffbasierten Treibereinheiten erzielt werden. Das abnehmbare Kopfhörerkabel besteht aus sauerstofffreiem Kupfer (7N OFC -> 99,99999%) und kann bei Bedarf gegen ein optionales symmetrisches Kabel (um 300 Euro) vergleichbarer Qualität ausgetauscht werden. Der Stecker hat ein Gehäuse aus Duraluminium und vergoldete Kontaktflächen. Ebenfalls im Zubehör ist ein 1,2 m langes Kabel erhältlich mit vergoldeter 3,5mm Stereo-Mini-Klinke und 51g Gewicht, das mobilen Anwendungen entgegen kommt. Diesem Kabel liegt ein 3,5 mm auf 6,3 mm Adapter bei.
Aber was macht nun das „Anniversary Audio Tuning“ aus? FOSTEX hält sich da in der öffentlichen Kommuniktion recht bedeckt. Grundsätzlich arbeitet die perlweisse Special Edition mit den gleichen technischen Zutaten wie die Standard Version des TH900 mk2. Der japanische Hersteller hat im Detail gefeilt, so hat man mir verraten, und mit der Entfernung von vier Distanzscheiben Volumenanteile im Treibergehäuse sowie durch das Verschließen von zwei Bohrungen die akustische Kopplung an die Gehäuseschalen leicht verändert. Das Anniversary Audio Tuning soll dem Over-Ear so eine andere Feinabstimmung und damit einen eigenen Klangcharakter mitgeben. Ich bin gespannt und freue mich auf die Hördurchgänge.
Technische Daten
- Bauweise: Geschlossen
- Treiber: Dynamisch, 50mm
- Neodym-Magnet-Antrieb mit 1,5 Tesla magnetische Flussdichte
- Foster / FOSTEX „Biodyna-Membran“
- Impedanz: 25 Ohm
- Empfindlichkeit: 100db (@1kHz, 1mW)
- Frequenzgang: 5 Hz – 45 kHz
- Max. Eingangsleistung: 1.800mW
- Gehäuse aus Japanischer Zierkirschenbirke und ‚Urushi‘-Lack-Finish
- FOSTEX-Logo aus Platinfolie auf Gehäuse
- Ohrpolster aus Protein-Leder
- Gewicht: 390g (ohne Kabel)
- Abnehmbares Kabel aus 7N OFC Kupfer (99,99999%) auf 6,3mm Stereo-Klinke (3m)
– Steckergehäuse aus Duraluminium, Stecker vergoldet
– Rhodium-überzogene Anschluss-Stifte
– Gewicht 120g - Im Lieferumfang: Kopfhörerständer und Ledertasche
Klang
Die beiden FOSTEX Kopfhörer kommen mir zur Nachbereitung meines Konzertbesuches der Einstürzenden Neubauten am 21.06.2022 grad recht. Das Wetter gibt sich sommerlich warm und ich kann so auf der Terrasse mit meinem Notebook und dem mobilen Kopfhörerverstärker mit DAC sowie Akku EarMen TR-Amp einige musikalische Lücken in meinem Wissen um die Avantgarde Künstler schließen. In meinem Konzertreview habe ich mein damalige Unkenntnis ja unumwunden gestanden. Der TR-Amp hat eine 6,3 mm Buchse, an die sich die beiden FOSTEXs ohne Adapter anschließen lassen. Die perlweisse Special Edition ließ ich zuvor übrigens zwei Werktage und Nächte im Hörzimmer einspielen, da ich sie taufrisch der Packung entnommen hatte und folgte so der Empfehlung des Vertriebs Mega Audio.
Da das Hören von Testgeräten bei mir immer etwas mit Freizeitgestaltung zu tun hat, ist mir natürlich bewusst, dass die beiden TH900 mk2 es auch mit kapitaleren Kopfhörerverstärkern dankbar aufnehmen würden. Um sich in die Materie einzuhören ist eine angenehme Umgebung und gefällige Musik aber mindestens genauso wichtig, wie das technische Besteck. Dazu muss ich sagen, dass sich die FOSTEX Over-Ears und der rot schimmernde EarMen TR-Amp prima miteinander vertragen haben. Als Zuspieler dient auf der Terrasse ein Windows PC und die Amazon Music App, die auch das Ultra HD Format unterstützt. Der Stream im Internet-Browser bedient Ultra HD nebenbei bemerkt nicht. Meinen dokumentierten Hördurchgang mache ich dann im Hörraum mit dem SPL Phonitor x mit eingebautem DAC768xs und dem NuPrime Stream9 als digitalen Zuspieler. Der Stream9 nimmt ebenfalls direkt Kontakt mit Amazon Music auf, greift aber natürlich auch auf den heimischen Musikserver zu.
Doch zurück zu den Einstürzende Neubauten, mit denen ich auch im Hörraum via Internetstream starte. Als Hörtipp möchte ich für die älteren Stücke das über zweistündige „9-15-2000, Brussels (live)“ empfehlen, das ein gutes Stück Konzertatmosphäre vermittelt und von dem auch ein paar Stücke in der MHP Arena zu Ludwigsburg zum Besten gegeben wurden. Zweiter Tipp ist das neue Album „Alles in Allem“, das sehr musikalisch und fast schon lyrisch nachdenklich daher kommt. Das hat mich, speziell nach dem live Erlebnis in LuBu, sehr beeindruckt. So tauche ich zum warm machen live in Brüssel ein… und zwar ganz gemächlich, wie ich denke: „Silence is sexy“.
Der FOSTEX TH900 mk2 holt mich im Geklatsche und Gejohle des Publikums plastisch ab. Ein gutes Stück bin ich der Bühne in Brüssel näher. „Silence is sexy“ wiederholt Blixa Bargeld so häufig, bis ich es glaube. Dann: Hörbare Stille mit kleinen Nebengeräuschen. Blixa entzündet eine Zigarette und erhebt den Zug und laszives Ausatmen ins Mikrofon zur Kunstform. Mit dem Kopfhörer bin ich nah dabei. „L’amusement… solitude.“ Immer wieder kleine Nebengeräusche, die mich in die Szene einsaugen. Bis mich nach 4:20 min. eine blecherne Schlagwerkeinlage aus dem virtuellen Nikotin-Delirium reißt. Passend dazu das etwas ungelenk wirkende Bassspiel und das Schlagzeug. Alles ist in einer schönen Balance. Der Serien-mk2 gibt dem Sound einen ordentlichen Bass mit. Die Jubiläums Edition des Kopfhörers entschlackt das Klangbild und legt so noch etwas mehr Details offen. Die Charakteristik geht insgesamt mehr in Richtung offen und luftig. Den Serien-mk2 würde ich als stimmungsvoller umschreiben. Stimmungsvoll gibt sich auch der mittlerweile zum Kettenraucher mutierte Blixa Bargeld. Zum Ausklang des Stückes konstatiert er: „Your silence is not sexy at all“. Für sexy Stille dürfte auch niemand in Brüssel erschienen sein. Weiter geht’s.
Bei Songs wie „Die Interimsliebenden“ kommt mehr Schub in die Musik. Knackiger Bass und fettere Beats, gespickt mit Blixas quietschend, kreischendem Geräusch, dass er irgendwie seinen Stimmbändern abringt. Spannend ist dabei, dass sich durch die selbst gebauten Instrumente auch immer metallische Geräusche in die Musik einbauen, die wild von rechts nach links fegen. Die Special Edition pellt das fein raus. Der Standard-mk2 gibt all dies natürlich ebenfalls wieder, bettet es aber in ein satteren Soundteppich ein. „NNNAAAMMM“ und „Haus der Lüge“ hauen in gleiche Kerbe. Dabei schaffen es beide FOSTEX TH900 mk2 Over Ears, dass die Musik der Einstürzenden Neubauten aufgrund der gut nachvollziehbaren Komplexität immer spannend bleibt und nie nervig wird. Dazu kommt die gesunde Mischung, den Hörer in die Musik einzubinden, aber trotzdem eine gesunde Distanz zu wahren. Großartig auch „Sonnenbarke“, die die Band fast 22 Jahre später auch in Ludwigsburg zum Besten gegeben hat. Feine Soundspielereien, rezitativer Gesang, was sich im Fortgang des Titels infernalisch Liedes entlädt. „Komm mit, komm mit, komm mit mir – auf meine Sonnenbarke“ … Beide TH900 mk2 nehmen mich gewiss mit dahin.
Gegen die Live-Aufnahme aus 2000 wirkt das neue Studioalbum „Alles in allem“ unglaublich dynamisch, auf den Punkt. Männer mit über 40 Jahren Banderfahrung, die es ernst meinen. „Ten Grand Goldie“ kreist um ein historisches Soundsample in einer seltsamen Sprache, das – mit etwas gutem Willen – lustig nach „Berlin, Berlin, Berlin-lin-lin“ klingt. Auch hier bleibt die Balance gewahrt. Der Bass könnte verzerren, die Sounds könnten nerven, das Klangbild könnte zu Brei werden. Die beiden Kopfhörer-Brüder behalten aber wohlmeinend die Übersicht. Ein krasser Kontrast das stimmungsvolle, aber leichter instrumentierte und besser sortierte „Am Landwehrkanal“, das fast schon an Country-Folk erinnert. Ja, aber das sind noch die Einstürzenden Neubauten. Klasse.
Blixa gibt hier nicht den begnadeten Chansonisten, aber der Song geht unter die Haut. Der 62 jährige hat etwas zu erzählen. Athmosphärisch dicht auch dass „Möblierte Lied“. Vertonte Lyrik? „Die verbrauchten Metaphern habe ich im Giftmüll entsorgt, mit neuen unbenutzten ausreichend vorgesorgt…“. Mit den beiden FOSTEX mag ich gerne zuhören. Dem was so alles passiert, dem was gesagt wird, dem was sich entwickelt. Alles ist ausgewogen und damit herrlich entspannt. Effekte, die sich in das Gehirn des Hörers fressen sollen, bringen die Over-Ears selbstverständlich rüber. Aber so sauber, das die nötige Distanz gewahrt bleibt, wie zum Beispiel beim „Zivilisatorischen Missgeschick“. Sehr schön plastisch das Schlagen auf ein Kunststofffass bei „Taschen“, dazu die glockenartigen Klänge mit feinem, metallischen Nachhall. Das Album höre ich gerne durch und wechsele gelegentlich die Kopfhörer und erlebe immer wieder die unterschiedlichen Charakteristiken in der Abstimmung.
Mit dem Wechsel auf den Musikserver plane ich auch einen Genrewechsel. Eigentlich wollte ich mir etwas von Kari Bremnes heraus suchen – eine schön aufgenommene Frauenstimme schadet ja nie. Gelandet bin ich aber eher zufällig bei Les Rhythmes Digitales und deren „Liberation“. Schöne elektronische Musik, die ich schon lange nicht mehr gehört habe. Die Samples von „Scimitar“ erklingen offen und sphärisch, bis die fette Base-Drum, die Snare und das Hi-Hat (wohl alles elektronisch) das Regime übernehmen. Garniert mit Elektro-Sounds.
Die TH900 mk2 erzeugen dabei nicht nur irgendwelche Beats, sondern lassen den Hörer ein wenig in die Mathematik elektronisch generierter Musik eintauchen. Spannend der feine Nachhall bei einigen Effekten auf dem rechten Kanal. Ist mir vorher gar nicht so aufgefallen. Das Stück habe ich schon einige Male gehört, lasse mich von den japanischen Kopfhörern aber gerne an die Hand nehmen und noch einmal durch die sieben Minuten Musik führen. Wo mir der Serien-mk2 einen wunderbaren Überblick gibt, sagt die feingetunte Special Edition: Du kennst das schon, aber hör doch hier nochmal genau hin. Weiter geht’s mit dem hektischeren „Oberonne“. Auf den Punkt. Klasse heraus gearbeitet ist auch das folgende „Carlos“. Die Special Edition scheint übrigens einen Hauch leiser zu sein.
Und da ich in der Artisten-Liste schonmal bei „L“ bin, höre ich noch in Lisa Hannigans Album „Passenger“ rein. Die Musik folgt weniger audiophilen Regeln, wirkt auf mich aber sehr sympathisch und berührend. Bei der Irin war ich schon lange nicht mehr zu Besuch. Zeit vorbei zu schauen. „A Sail“ fängt mit getragener Melodie an, kontrastiert vom scharfen Schlagen des Drumsticks auf den Rahmen der Snare-Drum. Die FOSTEXs zeichnen das schön nach. Das Ausklingen des tick, tick macht das sehr realistisch. Die Stimme der Dame aus Kilcloon reiht sich schön in das Gesamtbild ein. Weiter geht’s mit „Knots“. Der Song nimmt direkt Fahrt auf, sehr akzentuiert und entwickelt sich herrlich unaufgeregt – und unaufdringlich. Frau Hannigan kann schon sehr auf einen einsingen bei kritischen Gerätschaften. Die FOSTEXs liefern Dramatik ohne Drama.
Das Video zu „What’ll I do“ ist in einer Achterbahn aufgenommen und dokumentiert Lisa Hannigan, wie sie den Song während der Fahrt zum Besten gibt. Die Bilder passen wie die Faust aufs Auge zum Song. Mit den TH900 mk2 fahre ich wieder mit, wie schon dutzende Male zuvor. Die Over-Ears ersetzen mir das fehlende Bild. Wieder die Stimme von Lisa Hannigan, die ihren Song nicht nur singt sondern erlebt. In der Mitte wieder die sauber gezeichneten Drums und ein Tamburin, rechts ein brummeliger Bass. „Oh hoho oh-hehe – without you – Oh hoho oh-wehe – without you“. Ich sehe die Gesichtszüge der sympathischen Irin wie ein Honigkuchenpferd grinsend entgleisen, als der Wagon über die Kuppe in die Tiefe stürzt. Einfach zu schön.
Dinge, die man als erstes im Sinn hatte, sollte man ja nicht gänzlich verwerfen. Und auf dem Musikserver sind Dublin und die Lofoten nur einen Mausclick voneinander entfernt. Und weil’s so schön ist und ich das audiophile Klischee bereits angedeutet hatte, lege ich bei Kari Bremnes‘ „Norwegian Mood“ den Riemen auf die digitale Orgel. Und ich werde nicht enttäuscht… Benchmark ist immer das „Coastal Ship“. Beide TH900 mk2 geben hier eine wunderbare Figur ab. Gleichzeitig offenbart sich zudem erneut der jeweilige Charakter der beiden Geschwister.
Der Standard-mk2 spielt kräftiger, mit mehr Wucht und zeichnet damit ein opulentes Bild. Dies offenbaren die tiefen Schläge auf die Trommel, die zwar mächtig erscheinen aber trotzdem im Nachschwingen weich eingebettet sind – was dem Titel den besonderen Charakter verleiht. Natürlich verschweigt der Kopfhörer nichts aus der Aufnahme. Die Abstimmung der Special Edition nimmt sich im Bass etwas zurück, wirkt schlanker, dadurch aber sehr präzise. Und der perlweiße Over-Ear arbeitet dabei akribisch jede Feinheit der Stimme heraus, so dass noch mehr Nähe zu der Norwegerin fast schon unanständig wäre. Jede Feinheit in der Entstehung der Stimme, jedes Atmen, jede Schwankung der Stimme, das Verharren auf dem „p“ im Ausklang. Das bekommt der Hörer durch liebevolle Präzision, nicht durch Überzeichnen präsentiert. Schön gesellt sich auch die zweite Stimme hinzu. Klasse.
Um auch einen Eindruck von natürlichen Instrumenten zu bekommen entschied ich mich zum Abschluss für Klassik. Die „Bilder einer Ausstellung“ durften es mal wieder sein mit dem Abschluss „Das große Tor von Kiew“. Einmal dargeboten von Evgeny Kissin am Konzertflügel und einmal in Orchesterbesetzung unter der Leitung von Herbert von Karajan. Die TH900 mk2 machen ihren Job dabei richtig gut. Der Konzertflügel hat ein ordentliches Volumen ohne aufzutragen. Die Anteile der Saiten und die des Klangkörpers sind ausgewogen. Auch die Details, die Nebengeräusche, die sich in die Aufnahme einschleichen kommen gut heraus. Insgesamt empfinde ich das Klangbild als ausgewogen. Die „Arbeit“ des Pianisten an seinem Instrument lässt sich anschaulich mitverfolgen. Die Aufnahme des Berliner Philharmonie Orchesters dröseln die beiden TH900 mk2 schön auf. Lassen einen nah dabei sein – näher als es im Konzertsaal möglich ist – , erlauben aber auch in den dynamischen Momenten einen Blick auf das Ganze, in dem sie einen Schritt zurückgehen, der die Übersicht über eine breite Bühne ermöglicht. Dabei wirken die Instrumente immer noch natürlich und individuell. Nähe und Oppulenz wechseln sich spannungsvoll ab. Bis sich der finale Satz großartig entlädt. Ein bisschen süchtig macht das schon. Aber auf eine irgendwie gesunde Art.
Abschließend gestehe ich, dass die beiden FOSTEX TH900 mk2 mir das Chronisten-Dasein schwer machen. Nicht etwa, weil es eine Qual war, dem Dargeboten zu lauschen. Sondern eher, weil ich den Stift, respektive die Tastatur viel lieber links liegen lassen möchte, um einfach nur in Klang zu duschen – das Bad ist wohl eher der Frontalbeschallung eines Lautsprecher-Setups vorbehalten 😉 – und mich durch die Musik treiben zu lassen. Ohne Ablenkung, ganz easy. Und das ist das, was ich jetzt auch tun werde. Noch sind beide Pretiosen bei mir im Garten zu Gast, Perlweißchen und Rosenrot.
Fazit
Der japanische Spezialist FOSTEX und sein deutscher Vertrieb Mega Audio haben ihr Standbein im Professional Audio. PA setzt der Interessent leichtfertigerweise gerne mit Direktheit, werkzeuggleichen Tugenden und im Alltag womöglich mit einer schonungslosen Ehrlichkeit gleich, mit der – Achtung, plakatives Klischee – der gern in Plüsch gehüllte HiFi-Fan erstmal klar kommen muss. Der FOSTEX TH900 mk2 zeigt sich vielschichtiger. Er spannt gekonnt den Bogen zum HiFi. In seiner äußeren Erscheinung kombiniert er optische Leichtigkeit mit handwerklicher, japanischer Tradition. Der ausgewogene Klang lädt zum entspannten Hören ein, bei dem man gerne die Zeit, aber auch sein Hör-Instrument vergisst. Der TH900 mk2 ist kein Schönfärber, sondern ein Chronist, der den Hörer präzise und stimmungsvoll am Musikgeschehen teilhaben lässt.
Die perlmutweiße Special Edition mit maßvoll dosiertem Anniversary Audio Tuning bleibt der Klangcharakteristik treu, nimmt dem Klangbild aber etwas Wärme und spendiert dafür piekfein herausgearbeitete Details und ein Schluck mehr Offenheit. Lautet dann die entscheidende Frage „Perlweißchen oder Rosenrot?“, heißt die Antwort: in welchen der beiden Over-Ear-Zwillinge sich der Musikfreund verlieben wird, ist letztendlich keine Frage des Kopfes, sondern des Herzens. Wie im richtigen Leben.
Im Test
Geschlossene Highend Over-Ear-Kopfhörer FOSTEX TH900 mk2 und mk2 Special Edition
Preis TH900 mk2: 1.939 Euro
Preis Limitiertes Sondermodell Perlmutt-Weiß: 1.991 Euro
Kontakt
Mega Audio
Gesellschaft für professionelle Audiotechnik mbH
Feldborn 3
55444 Waldlaubersheim
Tel.: +49 (0) 6707 91452-2
Fax: +49 (0) 6707 91452-88
Mail: info@megaaudio.de
Mitspieler im Test
Digitale Quellen – Streaming Bridge LUMIN U1 mini, Musikserver MELCO N100, Innuos ZENith Mk3, D/A-Wandler MERASON DAC-1, FiiO M11, HP Notebook Windows 10
Lautsprecher – Dutch&Dutch 8c, Diapason Adamantes V
Kopfhörer- / Vorverstärker – SPL Phonitor x mit DAC 768xs, EarMen TR-Amp, EarMen SPARROW, EarMen COLIBRI
Kopfhörer – ULTRASONE Edition 15, FiiO FH7, DENON AH-D7100
XLR-Signalkabel – WSS Premium Line KS-200, WSS Platin Line KS-200
Zubehör – Netzkabel Supra LoRad 2.5, bfly bPower, Netzleiste SUPRA Cables LoRad MD07 DC 16 EU SP MKIII, SBooster BOTW P&P Netzteil, NuPrime AC-4 Power Conditioner, NuPrime Omnia SW-8 HiFi Netzwerk-Switch, Lautsprecherkabel Melodika MDSC4030, Kabelbrücke Melodika MDSC1501, Innuos PHOENIX USB-Reclocker, Boaacoustic USB-Kabel Evolution BLACK.usb2.0 und Silver Digital Xeno, Netzwerkkabel Wireworld Starlight 8
Fotos: F. Visarius