Manchmal muss man gar nichts tun außer zu warten, bis sich die Wege kreuzen. In meinem Fall dauerte es allerdings bereits mein ganzes (HiFi-) Leben, bis mir endlich ein Gerät (in diesem Fall sogar deren zwei) von Vincent in die Hände fiel. Endlich, weil das Equipment von Vincent Audio, einer deutschen Marke (was man nie oft genug sagen kann…), gegründet in den 1990er Jahren das Ziel verfolgen, auch audiophilen Feingeistern einen echt guten Sound zu liefern; und das nach wie vor zu bezahlbaren Kursen, an die man nicht gleich den das halbe Leben angesparten Bausparvertrag verlieren muss.
Das Geheimrezept? Gar nicht so exotisch und auch nicht geheim. Man nutzt in vielen Fällen die Dienste der guten alten Audioröhre, was beileibe keine schlechte Entscheidung ist. Die Verstärker sind meist Hybridkonzepte, die den klassischen Röhrenklang mit den Vorzügen moderner Transistoren vereinen – man muss sich ja nicht für eines entscheiden, wenn man beides haben kann. Neben Verstärkern findet man bei Vincent auch „beröhrte“ CD-Player und D/A-Wandler weil, naja, irgendjemand da draußen hört sicher noch CDs (unter anderem ich). Irgendwie macht mir all das die Marke sympathisch – ganz zu schweigen vom gewissen Retro-Touch, der den Geräten den Hauch von „damals war alles besser“ verleiht…
Vor-/End-Kombi Vincent SA-32 / SP-332 – Optik und Technik
…und genau so präsentiert sich auch die recht „günstige“ Vorverstärker-Endstufenkombi – klassisch designt als auch – erwartungsgemäß – mit Röhren ausgestattet. Der Vincent SA-32 ist ein Vorverstärker aus der sogenannten „Power Line“ und ist komplett „analog“ aufgebaut. Es gibt keinen digitalen Eingang oder sonstige Dinge, die eigentlich auch (meiner Meinung nach…) in keinen ernsthaften Vorverstärker (oder auch generell Verstärker) gehören. Was es gibt: viele analoge Anschlüsse, eine Fernbedienung für Lautstärke sowie Eingangswahl, eine abschaltbare Klangregelung und ja: Röhren. Derer sogar vier an der Zahl.
Und alle (Achtung liebe Röhrenverweigerer) mitten im Signalweg! Allerdings handelt es sich nicht um die üblichen Verdächtigen (wie ECC83 oder E88CC – Typen) sondern um eine sogenannte „Miniaturröhre“, meist gefertigt im nahen Osten – die 6N16, die im Servicefall recht günstig und (Achtung: Späßle…) ohne kriminelle Eingriffe zu beschaffen ist. Eine gute Entscheidung, wie ich meine.
Der Vincent SP-332 ist der preislich passende Endverstärker dazu. Gleichfalls als Hybridkonzept ausgeführt, nutzt auch er in seiner Eingangsstufe Röhren des Typs 6N16, was ihn laut Vincent „musikalischer“ als vergleichbare andere Verstärker machen soll. Dazu kommt noch eine 6N15 – diese auch gar nicht so seltene Röhre kümmert sich um die Gleichrichtung der Spannung; nach alter Väter Sitte. Auf jeden Fall ist der SP-332 ein echtes Kraftpaket, was eine Dank der Leistungstransistoren in der Ausgangsstufe eine Dauerleistung von zweimal 250 Watt an 4 Ohm liefert. Damit sollte man auch bei Nutzung etwas wirkungsgradschwächerer Lautsprecher mehr als auf der sicheren Seite sein. Schön und nostalgisch: Die farblich umschaltbaren VU-Meter sind etwas fürs Auge – natürlich Geschmackssache, aber ich fand so etwas immer: einfach nett. Es ist schon ein Unterschied, wenn man sich die halbe Nacht durchs Programm streamt und einen `ne müde LED anleuchtet oder aber man wird von zwei schönen VU-Metern stundenlang angezwinkert…figure out yourself. Das helle Blau ist im Übrigen mein persönlicher Favorit…
Vincent bietet hier eine Vor-Endstufenkombination an, die, preislich und verarbeitungstechnisch gesehen, durchaus eine Überlegung wert ist, vor allem, wenn man sich die Alternativen ansieht. Wo bekommt man heute noch eine ausgewachsene Vor-/End-Kombi für roundabout 3.550 Euro? Zu dem Preis wildern die SA-32 und SP-332 zudem vor allem im Bereich der etablierten Vollverstärker-Platzhirsche. Das ist schon eine echte Nummer. Lohnt es sich auch klanglich? Das sehen wir später. Erst einmal das Unvermeidliche: technische sowie allgemeine Daten.
Vincent Hybrid Stereo Vorstufe SA-32 – Technische Daten
- Übertragung: 20 Hz – 20 kHz +/- 0,5 dB, 20 Hz – 50 kHz +/- 2 dB
- Nenn-Ausgangsspannung: 2 Volt
- Klirrfaktor: < 0,1 % (1 kHz, 1 Watt)
- Eingangsempfindlichkeit: 500 mV
- Signal-Rauschabstand: > 90 dB
- Eingangsimpedanz: 47 kOhm
- Max. Leistungsaufnahme: 40 Watt
- Eingänge: 5 x Stereo RCA, 1 x Stereo XLR
- Ausgänge: 2 x Stereo RCA Pre Out, 1 x Stereo XLR Pre Out, 1 x Stereo RCA Rec Out, 2 x 3,5mm Klinkenbuchse (Power Control)
- Röhren: 4 x 6N16
- Farbe: Schwarz / Silber
- Gewicht: 6.2 kg
- Abmessungen (BxHxT): 430 x 77 x 360 mm
- Besonderheiten: Fernbedienbar, abschaltbare Klangregelung
Vincent Hybrid Stereo Endstufe SP-332 – Technische Daten
- Übertragung: 20 Hz ,- 20 kHz +/- 0,5 dB
- Leistung RMS / 8 Ohm: 2 x 150 Watt
- Leistung RMS / 4 Ohm: 2 x 250 Watt
- Klirrfaktor: < 0,1 % (1 kHz, 1 Watt)
- Eingangsempfindlichkeit: 1,35 Volt
- Signal-Rauschabstand: > 91 dB
- Eingangsimpedanz: 47 kOhm
- Max. Leistungsaufnahme: 531 Watt
- Eingänge: 1x Stereo RCA, 1x Stereo XLR, 1 x 3,5 mm Klinkenbuchse (Power Control)
- Ausgänge: 2 x 4 Lautsprecherklemmen, 1 x 3,5 mm Klinkenbuchse (Power Control)
- Röhren: 2 x 6N16, 1 x 6N15
- Farbe: Schwarz / Silber
- Gewicht: 21 kg
- Abmessungen (BxHxT): 430 x 165 x 430 mm
- Besonderheit: farblich umschaltbare VU-Meter
Vor-/End-Kombi Vincent SA-32 / SP-332 – Klang
Vincent eilt ein in klanglicher Hinsicht guter Ruf voraus, selbst und vor allem auch dann, wenn es um die sog. „Einsteigersektion“ geht. Und ja, selbst die Unterkante des Vor-End-Kombi-Angebotes von Vincent sorgt für hochgezogene Augenbrauen. Da ist gleich so viel Nachdrücklichkeit, Spielfreude und Tempo vorhanden, dass „die Mucke“ richtiggehend muskulös wirkt, dabei aber gleichzeitig leichtfüßig spielt. Keine Spur von Schwere und dem dunklen Einschlag, der bei falsch konstruierten Röhrenamps „alter Schule“ öfters diagnostiziert werden muss.
Die SP-332 arbeitet autoritär, robust im Bass, bleibt dabei aber schön perlig-frisch. Fast widersprüchliche Eigenschaften, aber homogen sozusagen unter ein und dasselbe Chassis gepackt. Unterstützung erfährt die Endstufe in trefflicher Form vom Vorverstärker SA-32, der ihr die musikalischen Happen schön aufbereitet präsentiert – wenngleich ich mich des Eindruckes nicht erwehren kann, dass der fette Poweramp der heimliche Star in diesem Ensemble ist…
Einen solch tiefreichenden, mächtigen und dennoch konturierten Bass haben nur wenige Scheiben wie beispielsweise „Temptation“ von Holly Cole zu bieten, und die Stimme kommt eindringlich, warm und überzeugend rüber. Die recht sparsame Instrumentierung lässt Tom Waits` Kompositionen weniger spröde und damit eingängiger wirken als seine eigenen Interpretationen. Die Vincent-Kombi nimmt diese Marschrichtung auf und zaubert eine schöne, große Bühne, die sehr schön authentisch wirkt. „Tango Til They`re Sore“ mit seinen Klavierakkorden, seinem Bass und Holly Coles glockenklarem Gesang, der über allem schwebt, passt da super. Da sich die Nachbarn glücklicherweise in Urlaub befanden, konnte ich den Vincents so richtig „die Sporen“ geben und mich auf diese Art und Weise in die Musik ziehen lassen.
Vom Klangcharakter her geht diese Vincent-Kombi in Richtung bassstark, wuchtig, schnell und differenziert, wenngleich die Vorstufe SA-32 einen Tick strenger, konservativer agiert als die Endstufe SP-332. Eher zackig als emotional, aber das ist wie immer Geschmackssache. Zumal die Kombi „als Ganzes“ den etablierten Platzhirschen ziemlich an die Nieren gehen dürfte. Energie und Detail werden in einem Maßstab freigesetzt, der so manchen namhaften Konkurrenten aus dem High-End-Lager zumindest in diesen Disziplinen zeitweise die Lederhosen auszieht. Die beiden Vincents zeigen dabei nicht die Spur von Schärfe. Damit ist Langzeitgenuss – auch und vor allem bei hohen Pegeln – garantiert, weil die nachdrückliche und dennoch lässig dahingeworfene Art des Musikmachens offensichtlich ein dem Gehör zuträgliches Verzerrungsspektrum aufweist. Wenn die SA-32 und die SP-332 hart gefordert werden, setzt sich diese Eigenschaft weiter fort; die beiden stecken das kalt weiterlächelnd einfach weg.
Dazu kommen üppige und satte Klangfarben, die aber noch nicht ins Ausufernde gehen, sondern immer schön ausbalanciert für Körperhaftigkeit und Überzeugungskraft sorgen. Das Fehlen von Schärfe geht in diesem Zusammenhang auch niemals so weit, dass von „Langeweile“ die Rede sein könnte – dazu sind die beiden Vincents zu gut; wenngleich in der einen oder anderen Situation oder für die ein oder andere Hörgewohnheit ein winzig kleiner Hauch mehr Aggressivität dazukommen dürfte. Aber zum einen befinden wir uns hier in einem preislichen Umfeld, das sich weit, sehr weit unterhalb der üblichen Euro-Gegenwerte eines Kleinwagens bewegt, zum anderen würde eben dieser „scharfe“ Einschlag die Fähigkeit der Vincents, nämlich einen Hörgenuss über Stunden hinweg zu bieten (und das ohne Hörstress und Ohrensausen eben auch bei hoher Lautstärke), konterkarieren.
Nun jedoch zum Schluss zu kommen, dass die Vor-End-Kombi SA-32 und SP-332 von Vincent nicht „rocken“ könne, ist grundfalsch und vielleicht einer fehlenden, gewissen „Effektheischerei“ geschuldet. „Parallel Universe“ von den Red Hot Chili Peppers jedenfalls hat etwas „rotziges“, kantiges, der gewaltig gespielte Bass sowie der ungehobelte und zugleich seidenweiche Gesang (so bekommt das tatsächlich kaum jemand hin…) von Anthony Kiedis brauchen Hardware, die all das und auch John Frusciantes` kreischend aufgenommene Gitarre hart und laut rüberbringen. Ja, das ist Musik nach dem Geschmack der beiden Vincents. Sie lassen den in Mark und Bein gehenden Bass richtig erschütternd slappen, da rollen die Klangattacken unerbittlich auf einen zu, dass man mit dem Fusswippen gar nicht mehr aufhören kann – und man wundert sich am nächsten Morgen nach dem Aufstehen, woher der Muskelkater denn nun herkommt. Empfehlung: bei schlechter Laune einfach mal die ganze Scheibe durchhören – über die Vincents gehört, steigt die Laune im Nu wieder in den grünen Bereich.
Soll es etwas entspannteres, verträumteres sein? Da kommt der SA-32 und der SP-332 die hübsche Norwegerin Maria Mena gerade recht. Sparsam instrumentiert, mit einer weichen, lieblichen, dennoch präsenten Stimme interpretiert und mit Hintergrundrauminformationen nur so gespickt zieht der zweite Track der Platte „Apparently Unaffected“, nämlich „This Bottle of Wine“ den Hörer in die Gefühlswelt der Singer-Songwriterin aus dem hohen Norden hinein, da gibt es kein Entkommen. Es geht um bezaubernd vorgetragene Geschichten von Liebe, Enttäuschung, Hoffnung, Freude und ja, sogar Hass. Und das alles gleichzeitig. Frauen können ja so emotionsflexibel sein…
Auch das ist genau der richtige Stoff für die Vincent Vor-End-Kombi. Sie bringen mit Leichtigkeit das „rüber“, was Maria beabsichtigt. Besonders charmant ist, dass durch die profunde, körperhaft-rhythmische Art und Weise des Musizierens der Vincents auch in traurigen Momenten niemals auch nur der Hauch von Langeweile aufkommt.
Über die Verarbeitung des Vincent-Duos haben wir noch gar nicht gesprochen – die ist nämlich, und nicht nur für diese Preisklasse, hervorragend. Mag man sich eventuell noch über die am Vorverstärker SA-32 etwas dünnere Abdeckplatte unterhalten, ist jede weitere Diskussion hinfällig, wenn man sich den Rest anschaut, vor allem auch hinsichtlich der Qualität der verbauten Teile. R-Core-Trafos (SA-32) und Ringkerntrafos (SP-332) wohin man schaut, fette Stromspulen, gelötete statt gesteckter Verbindungen, ein fernbedienbares Alps-Poti, das auf der Platine sitzt und über eine stählerne Verlängerungsachse bedient wird, sehr hochwertige, gasdichte Relais, saubere Schaltungslayouts. Das ist der Stoff, aus dem ernsthaftes Hifi gemacht wird. Vor allem die Endstufe erhebt sich ihrer Preisklasse diesbezüglich so drastisch, dass man glaubt, es läge ein Kalkulationsfehler bei Vincent vor…
Vor-/End-Kombi Vincent SA-32 / SP-332 – Fazit
Wer eine solche Vor-/Endstufenkombination im Programm hat, hat gut lachen. Vincent hat alles richtig gemacht – man führt zu einem mehr als konkurrenzfähigen Preis „Verstärkung“ im Angebot, die in einem höherem Preisgefilde wildert, klanglich als auch vom Materialeinsatz her. Als Team harmonieren die Vincent SA-32 und SP-332 hervorragend – symmetrisch verbunden noch ein wenig besser – und treiben leistungsmäßig auch fast jeden Lautsprecher auf der Welt locker an.
Agiert die SA-32 etwas akademischer und neutraler, ist die SP-332 der heimliche Star im Duo und möglicherweise zu Höherem berufen. Die Endstufe könnte sich in einem preislich ganz anderen Umfeld gut behaupten. Vincent SA-32 und SP-332 bieten großes Kino und sind, auch über ihre Preisklasse hinaus, unbedingt eine Hörsession wert. Preistipp!
Im Test
Hybrid Vorverstärker
Vincent SA-32
Preis: 1.250 €
Größe: 43,0*36,0*7,0 cm (b*t*h)
Gewicht: 6,2 kg
Gehäuse: Schwarz
Front: Aluminium Silber oder Schwarz
Hybrid Endverstärker
Vincent SP-332
Preis: 2.299 €
Größe: 43,0*43,,0*16,5 cm (b*t*h) 430 x 165 x 430 mm
Gewicht: 21,0 kg
Gehäuse: Schwarz
Front: Aluminium Silber oder Schwarz
Vertrieb
SINTRON Distribution GmbH
Südring 14
D-76473 Iffezheim
Tel.: + 49 (0) 7229 / 1829 – 98
Mail: info(at)sintron.de
Web: www.sintron.de
Web: www.vincent-tac.de
Mitspieler im Test
Quellen digital – Netzwerkspieler Olive Audio 4HD, CD-Spieler AMR CD-777, Streamer WIIM Pro
Quellen analog – Plattenspieler Dr. Feickert Audio Blackbird mit Tonabnehmer Ortofon Cadenza Red, Ortofon SPU Classic GE MKII, EMT HSD006, Phono MM- & MC Verstärker Cyrus Signature Phono (mit PSX-R), Übertrager von Phasemation
Verstärker – Vollverstärker Circle Labs A 200
Lautsprecher – Standlautsprecher Sonus Faber Olympica 2, Paradigm Founder 80f
Zubehör – Kabel von Horn Audiophiles, A23, HMS, Isotek, Boaacoustic, Tellurium Q
Bei uns HiFi-IFAs im Test von Vincent
Test: Vincent DAC-700 – Edler High End Audio D/A-Wandler mit Röhren- und Transistor Ausgangsstufe