Nirvana ist nicht nur eine amerikanische Rockband. Vielmehr ist Nirvana, oder zu deutsch Nirwana, ein Begriff aus der buddhistischen Glaubenslehre. So nehme ich einmal sehr stark an, dass der serbische Hersteller edler HiFi-Komponenten mit der Spezialität Röhrentechnik, AURIS Audio, nicht etwa Curt Cobain in seinem Produktportfolio ein spätes Denkmal setzen wollte. Vielmehr soll wohl der audiophile Röhren-Kopfhörerverstärker NIRVANA mit der buddhistischen Philosophie begrifflich in Einklang gebracht werden.
AURIS Audio hat die HiFI-IFAs schon seit der ersten Messe-Begegnung fasziniert. Wegen der opulent verwendeten Materialien Holz und Leder, und auch wegen der ersten flüchtigen Klangeindrücke. AURIS Audio hat häufig mit den eigenen Lautsprechern Poison 8 vorgeführt, die optisch wie klanglich eine tolle Figur abgegeben haben. Aktuell fokussiert AURIS Audio aber verstärkt auf seine Kompetenz in Sachen Röhrentechnologie.
Zeit also, um mit diesem Test im eigenen Hörzimmer in medias res zu gehen. Mit dem 5.799 US-Dollar teuren Röhren-Kopfhörerverstärker AURIS Audio NIRVANA möchte ich das musikalische Nirwana ergründen.
An dieser Stelle gestehe ich, dass ich recherchieren musste. Nirwana ist einer dieser Begriffe, den ich mit großer Selbstverständlichkeit in meinen Sprachschatz übernommen habe, ohne zu Wissen, was Nirwana wirklich bedeutet. Der bloße Besuch buddhistischer Tempel in Asien, wie zum Beispiel des Borobudur auf Java, der einiges über das Leben Buddhas zu erzählen weiß, reicht also doch nicht aus, um spirituell trittsicher zu werden. Das musste ich mit jetzt eingestehen, wollte ich doch im Text den naheliegenden Bezug zur HiFi-Pretiose herstellen.
Laut Wikipedia also bezeichnet Nirwana „den Austritt aus dem Samsara, dem Kreislauf des Leidens und der Wiedergeburten (Reinkarnation) durch Erwachen (Bodhi)“. Freier gedeutet bedeutet Nirwana „das Verstehen im Sinne des Endes aller mit falschen persönlichen Vorstellungen vom Dasein verbundenen Faktoren“. Reduziert auf das handlichere Bild des „Erwachens und Verstehens“ mache ich mich also ans Werk und versuche das Wesen des AURIS Audio NIRVANA zu ergründen. Ich freue mich und bin gespannt. That feels a litte bit like „teen spirit“ to me… Dachte ich so bei mir.
Annäherung
Der Weg zu meinem klanglichen Nirwana beginnt bei einem rund 20 Kilogramm schweren, fast kubischen Paket. In ihm ist alles Nötige enthalten, sicher verpackt in mehreren Ebenen von Schaumstoffformteilen. Der Röhren-Kopfhörerverstärker NIRVANA und das separate Netzteil sind die wesentlichen Komponenten. Um Beschädigungen beim Transport und Handling vorzubeugen, sind die empfindlichen Bauteile separat beigelegt: die Röhren, deren Verpackungen für den zugedachten Steckplatz gekennzeichnet sind, sowie die schützende Glasscheibe.
Montiert ist das alles recht schnell. Die Rauchglasscheibe wird mit zwei Klemmschrauben in die Halterung montiert. Das erfordert etwas Konzentration, weil die Schrauben nah über der Gehäuseoberfläche liegen. Dann werden die Röhren verdrehsicher vorsichtig in die Sockel gesteckt. Zum Schluss noch das AURIS Audio Netzteil mit dem mitgelieferten Kabel mit dem NIRVANA verbinden. Die beigelegten Stoff-Handschuhe schützen bei der Montage die empfindlichen Oberflächen. Soweit das Geräte-Setup.
Die weitere Verkabelung ist recht einfach. Stromkabel an das Netzteil und eine analoge Quelle an den NIRVANA. Das Gerät hält schaltbar zwei Stereo-RCA-Anschlüsse und einen Stereo-XLR-Anschluss bereit. Ich verkabele den NIRVANA symmetrisch mit dem MERASON DAC-1.
Freude bereitet mir dabei, die tollen Materialien des NIRVANA zu erleben: Das Walnuss-Holz des Gehäuse-Ober- und Unteteils und der Lederbezug des Mittelteils, die der Besitzer der Pretiose beim Aufbau ja nicht nur anschaut, sondern auch haptisch erlebt. In das Oberteil sind die Drehschalter eingelassen: Die Einstellung der Last-Impedanz links, die Quellenwahl rechts und in der Mitte der Lautstärkeregler. In der Frontplatte sitzt der An-/Aus-Schalter des NIRVANAs und ein 6,3 mm Klinken- sowie ein symmetrischer 4-Pin XLR-Kopfhörer-Ausgang. Sollte sich beim Einschalten des NIRVANAs nichts regen, so könnte es daran liegen, dass sich der Kipp-Netzschalter am Netzteil noch in der Position „0“ befindet.
Die Ebenfalls in die Frontplatte eingelassenen, runden VU-Meter warten darauf, zum Leben erweckt zu werden. Ich kippe also das Netzteil-Schalter auf „I“, tippe den Betriebsschalter auf an und stöpsle den ULTRASONE Edition 15 an der 6,3 mm Klinkenbuchse an. Die Eingangswahl drehe ich auf „III“ – den XLR-Eingang – und den Lautstärkeregler auf leise. Sicher ist sicher. Die VU-Meter leuchten verheißungsvoll gelblich. Und schon kann es losgehen. Doch zuvor etwas Technik.
Technik
Ein externes Netzteil liefert Gleichstrom über ein 1 Meter langes mitgeliefertes Kabel an den Röhrenverstärker, der dann die Transformation der Spannung übernimmt. Die beiden zylindrischen Trafos, die sich in beachtlicher Größe hinter den Röhren auftürmen, sind von Hand um einen Doppel-C-Kern gewickelt und nach strengen Vorgaben im Hause AURIS Audio gefertigt. Alle weiteren Komponenten stammen von namhaften Zulieferern wie Mundorf, Rubicon, Wima und so weiter.
Der Röhren-Kopfhörerverstärker ist in single-ended Technologie aufgebaut und leistet pro Kanal 6,5 Watt in reinem Class A Betrieb. Die verhältnismäßig hohe Leistung soll den Betrieb von einer großen Bandbreite an Kopfhörertypen erlauben. Von dynamischen Treibern, die auch von Mobilgeräten betrieben werden könnten, bis hin zu leistungshungrigen planaren Magnetostaten. Eine Impedanz von 32 Ohm bis 600 Ohm ist in fünf Schritten einstellbar.
Die Röhren, die zum Einsatz kommen, werden sorgfältig selektiert und vorab getestet. AURIS Audio erwartet eine Lebensdauer von 10.000 Stunden. Im Leistungszweig arbeitet je Kanal eine EL34 von Electro Harmonix. Eine Pentode, die auch gerne in Britischen Verstärkern eingesetzt wurde. Die Steuerspannung liefert eine ECC82 von Tung- Sol, die ein geringes Rauschen verspricht. Das Holzgehäse hat eine dämpfende Wirkung gegenüber mechanischen Schwingungen.
Technische Daten NIRVANA
Ausstattung
- Zwei integrierte Trafos
- Glas-Schutzscheibe
- Leicht zugängliche Röhrensockel
- Zwei hintergrundbeleuchtete VU-Meters
Kopfhörerausgänge
- Symmetriesche 4-pin XLR-Buchse
- 6,3mm Stereo-Klinken-Buchse
- Schaltbare Ausgangs-Impedanzen: 32, 80, 150, 300, 600 Ohm
Stereo Eingänge
- 2x analog RCA (asymmetrisch)
- 1x analog XLR (symmetrisch)
Abmessungen: 300mm ( B ) x 390mm ( T ) x 210mm ( H )
Gewicht: 13,5 kg
Technische Daten Netzteil
Netz-Spannung: 110/220 Volt
Material: Aluminium
Abmessungen: 144mm ( B ) x 204mm ( T ) x 74mm ( H )
Netz-Verbindungskabel: 1m
Klang
Die Spannung ist nicht nur bei den Röhren hoch. Das Trio hat sich zwischenzeitlich im Standgas warm gelaufen während ich mich auf die Hörsession vorbereitet habe. Die Spannung ist auch bei mir hoch. Und die Vorfreude. So etwas Edles wie den AURIS Audio Nirvana habe ich schließlich nicht jeden Tag im Hörzimmer. Der NIRVANA ist ein Spezialist, der immerhin mit rund 5.400 Euro im AURIS Audio Online-Shop zu Buche schlägt. Da ist die Erwartungshaltung entsprechend hoch. Die Mitspieler sind angemessen: Der MERASON DAC-1 spielt als D/A-Wandler zu – wie immer gespeist vom LUMIN U1 mini und dem MELCO N-100. Auf der Wiedergabeseite kommt der offene Kopfhörer ULTRASONE Edition 15 zum Einsatz, der mir wegen seiner luftigen, räumlichen Abbildung und dabei knackigen Spielweise gut gefallen hat. Hier darf der NIRVANA zeigen, was er kann.
Ich starte mit The Colorist & Emiliana Torrini. Ein Album, bei dem sich die Isländerin in einem Musik-Projekt quasi selbst covert. Die Initiatoren, The Colorist Orchestra, bieten eine Mixtur aus elektronischen und natürlichen Instrumenten sowie Klangobjekten. Die Idee hinter dem The Colorist Orchestra sind Projekte, in denen die Coloristen gemeinsam mit den Künstlern ihr Liedgut zu neuen klangmalerischen Sounds um arrangieren. So geschehen also auch in Island mit dem Repertoire von Emiliana Torrini im Jahr 2016.
Die „Jungle Drum“ hat es mir angetan. Der Song startet komplex mit vielen kleinen Ereignissen die der AURIS Audio NIRVANA mit dem Ultrasone Edition 15 an der Strippe feinst auflöst. Dann explodiert der Song förmlich und ist augenblicklich auf hundert. Das Geschehen auf der Bühne kann bei der Aufnahme auch schnell mal hektisch, fast ein wenig nervig werden.
Das Duo behält die Übersicht und die Ruhe. Es macht Freude dem zu lauschen, was mit Emiliana Torrini und den Coloristen neu entsteht. Quasi vor den eigenen Augen – respektive Ohren. Die charismatische Stimme der Sängerin bettet sich schön in den Sound ein.
In der Playlist reiht sich „Speed of Dark“ ein. „Life is just a flicker in the universe“ tönt Emiliana Torrini über den NIRVANA, „under the stars we are indistructable“. Der Song hat einen schönen Rhythmus, mit einem fast sehnsüchtigen Streicher-Arrangement. Dazu die fantastische Stimme. Der NIRVANA versteht es, das Klanggebilde bruchlos zu transportieren und so bade ich noch ein wenig im fein colorierten Sound.
Da eine Frauenstimme gepaart mit musikalischer Dynamik schon mit Emiliana Torrini eine gute Idee war, durchforste ich meine Sammlung nun nach Kari Bremnes und dem Album „Reise“. Der Titel „Sovngjengersken“ soll die Steigerung zum vorher gehörten darstellen. Ein echter Knaller, da der Song für eine Live-Aufnahme unglaublich direkt aufgenommen ist. Die markante Stimme der Norwegerin steht über allem. Ihre Fans wissen wovon ich spreche. Aber auch das Bassspiel von Sondre Meisfjord lässt sich wunderbar mitverfolgen und verleiht dem Song eine unglaubliche Spielfreude.
Instrumente, die sonst als beiläufig mitspielend durchgehen – wie dieser Bass – , werden durch feine klangliche Faceteen, die auf der Aufnahme schlummern, zu eigenen Solisten im Geschehen, auf die sich der Hörer mühelos fokussieren kann. Zugleich zieht er im Kopf einen Raum auf, wie diese Schneekugeln aus Glas, und läßt darin Klangereignisse wie zum Beispiel die Hi-Hats entstehen. Und ich meine, in der Späre mit der Hand darum herum greifen zu können. Eine faszinierende Illusion.
Der eigentlich Star des Songs ist aber Helge Norbakken, der es in der Mitte des Stückes mal richtig krachen lässt. Die Bühne gehört ihm. Ihm allein. Über den NIRVANA hört man praktisch alles. Wie der Schlagwerker ackert, lautmalerisch die Hi-Hats nachahmt, ein kleines Pling-Pling hier, der Knallharte Schlag auf die Drums da, das fast das Fell reißt, die rhythmische Trommel die durch das Solo treibt. Unglaublich. Und als dann noch der Hocker unter seiner Last so realistisch knarzt, falle ich fast vom Glauben ab.
Ich war selber beim Konzert und saß in der dritten Reihe. Jetzt sitze ich Helge Norbakken praktisch auf dem Schoss. Ganz nah dran, aber mit der respektvollen Distanz, die man zur Musik benötigt, um sie wirklich genießen zu können. Das ist schon eine Kunst für sich. Die Details und die gleichzeitige Dynamik ziehen mich in ihren Bann. Es soll nicht aufhören. Doch nach eine paar Sekunden hat die Band den Drummer wieder eingefangen und er reiht sich ein, zurück ins Glied. Das war großes Kino. Jetzt im Hörzimmer aus der Digitalkonserve, so wie live im Konzert-Haus. Der Röhrenverstärker hat einen fantastischen Job gemacht.
Gerne darf es noch eine dritte Dame sein. Nochmal aus dem Norden. Die dänische Singer-Songwriterin Agnes Obel. „Just so“ vom Album „Philharmonics“. Der leichte, klare Sound mit der ebenso markanten Stimme begleitet von Gitarre und Klavier kontrastiert den atmosphärisch dichten Sound der Titel zuvor. Der NIRVANA verschweigt nichts. Die luftig entrückte Stimme, der der Tonmeister seine Aufmerksamkeit bei der Aufnahme geschenkt hat. Dazu das perlige Klavier und das gezupfte Saiteninstrument. Schön dröselt der NIRVANA auch die zweite männliche Stimme auf, die zeitweise mit singt. Als Individuum. Klasse.
Um von den Frauenstimmen los zu kommen wechsel ich hart und konsquent. In einem gemeinsamen Musikprojekt widmen sich Charlie Watts und Jim Keltner dem Drummer „Art Blakey“. Ein atmosphärisch dichter Sound, der über die Drums eine breite, fast riesige Bühne entstehen lässt. Durch die feineren, hektischeren Klänge in der Mitte, die zugleich das Gehör fokussieren, wird der Bühneneffekt noch verstärkt. Auf Lautsprechern ist das berauschend. Aber auch der NIRVANA in Kombination mit dem ULTRASONE Edition 15 versteht neben der Dynamik und den Klangfarben auch eine Bühne zu generieren und sich ein Stück vom Kopf zu lösen.
Und weil es nicht genug des Schlagzeugs ist, lege ich Charlie Antolinis „Knock Out 2000“ nach. Mit „Sticks to me“ drischt der Schweizer unerbittlich auf meinen Schädel ein. Impulsivität und Natürlichkeit machen aus der Tonkonserve ein „Mittendrin statt nur dabei“-Erlebnis. Whow.
Zum Runterkommen etwas Klassik. Es darf gerne wieder Evgeny Kissin und das Klavier sein. „Das große Tor von Kiew“ bitteschön. Durch eine Vielzahl von Klangdetails wird das Klavier und Erlebnis greifbar. Ich höre Nebengeräuusche sehr bewusst. So fein, so echt. Ich denke, sie wären in meiner Wohnung. Vorsichtshalber nehme ich die Kopfhörer ab. Nein. Es ist nicht in meiner Wohnung.
Der Hocker knarzt. Die Musik steigert sich. Der Anschlag der Saiten, der Eindruck des gespannten Stahls. Der Korpus des Flügels, sein angeregtes Volumen. Alles lässt sich kinderleicht nachvollziehen. Völlig unangestrengt. Fast habe ich das Gefühl, der AURIS Audio NIRVANA nimmt sich aus der musikalischen Gleichung heraus und lässt so die Musik einfach geschehen. Was kann der Musik besseres passieren, als das man sie einfach sie selbst sein lässt? So klingt es also, das Erwachen. Das Verstehen. Das Nirwana. In diesem Zustand möchte ich Verweilen.
Fazit
Der edle Röhren-Kopfhörerverstärker NIRVANA des serbischen Herstellers AURIS Audio ist zum Preis von 5.799 USD mehr als nur ein Highend-Spezialist zur hochwertigen Musikreproduktion. Der NIRVANA repräsentiert eine Lebensart, wenn nicht gar ein Stück Lebensphilosophie, bei der die Sinne durch feine Materialien und dem Glimmen der Röhren schon vor dem Hörerlebnis stimuliert werden. Sitzt dem Besitzer des NIRVANA erst ein hochwertiger Kopfhörer auf den Ohren, erlebt er sein musikalisches Nirwana. Eine musikalische Erleuchtung der Extraklasse mit unglaublich organischer Präsenz, Natürlichkeit und Raum.
Im Test
Audiophiler Highend Röhren-Kopfhörerverstärker AURIS Audio NIRVANA
Preis: 5.799 USD (Online-Shop AURIS Audio, Serbien)
Kontakt
Auris Audio
Mike Stojanovica 11
37000 KRUSEVAC
Serbia
Mail: info@aurisaudio.rs
Homepage: https://aurisaudio.rs/en
Mitspieler im Test
Digitale Quellen – Streaming Bridge LUMIN U1 mini, Musikserver MELCO N100, D/A-Wandler MERASON DAC-1
Kopfhörer- / Vorverstärker – AURIS Audio NIRVANA, SPL Phonitor x mit DAC 768xs
Kopfhörer – ULTRASONE Edition 15
XLR-Signalkabel – WSS Premium Line KS-200, WSS Platin Line KS-200
Strom – Netzkabel Supra LoRad 2.5, Netzleiste SUPRA Cables LoRad MD07 DC 16 EU SP MKIII,
NuPrime AC-4 Power Conditioner, SBooster BOTW P&P Netzteil