
Der Odenwald ist Deutschlands stille Antwort auf Stress: Die Menschen sind wortkarg, herzlich und wetterfest – ein knappes „Jo“ gilt schon als emotionaler Höhenflug. Hier ist kein Ort für Spektakel, sondern für leise Wunder. Zwischen Bergruinen mit Namen wie „Burg Frankenstein“ oder „Schloss Zwingenberg“ liegt ein Hauch von Mystik in der Luft, als könne jederzeit ein Ritter mit Burnout oder ein pensionierter Drache um die Ecke kommen. Kulinarisch wird nicht diskutiert, sondern serviert: Kochkäse, Handkäs und kräftige Suppen sind weniger Trendküche als körpernahes Erlebnis. Im Odenwald reihen sich sanfte Hügel an dichte Wälder und sorgen für das Gefühl, sich in einer Landschaft zu bewegen die bewusst nichts von einem will – außer, dass man endlich langsamer wird. Genau hier – in einem Örtchen Namens Otzberg – hat Thomas Stieb von Stieb Audio sowohl Sitz als auch Wurzeln.

Breitband-Standlautsprecher Stieb Audio Naggusi – Hintergrund
Das „Start-Up“-Unternehmen Stieb Audio bietet Lautsprecher an, die „anders“ sein sollen. Nicht umsonst hat man dort jahrelang geforscht, entwickelt, gehört. Und dann das Ganze wieder von vorne gemacht. Und wieder und wieder – solange, bis man dort endlich zufrieden war mit dem Ergebnis. Welches Ergebnis das sein soll? Thomas Stieb versteht Musikwiedergabe nicht als Showeffekt. Sein Ziel ist es, die technische Kette so weit zurückzunehmen, dass nur noch Musik bleibt – emotional, glaubwürdig und ohne künstlichen Glanz. O-Ton Thomas Stieb: „Ich möchte keine Technik feiern, sondern diese vergessen“. Ein starkes Statement in der heutigen Zeit, wo es doch eigentlich fast überall nur um Technik als Selbstzweck geht.
Alles fing ganz harmlos an. Thomas Stieb war irgendwann unzufrieden mit dem Klang gängiger Lautsprecher. Irgendwie, fand er, hörte sich am Ende doch alles ähnlich an. Also fing er an, seinen eigenen ersten Lautsprecher zu bauen – damals noch in Ermangelung einer Werkstatt und eines Hörraumes im heimischen Wohnzimmer. Thomas probierte verschiedene Konzepte, nahm sich immer viel Zeit und verwarf genau so viel, wie er baute. Zusammen mit einem seiner Freunde (einem pensionierten Klavierbauer) kam er nach jahrelangem Hören, Basteln, Messen und Rechnen aber zum Schluss, dass es unbedingt eine Punktschallquelle sein muss, damit die eigenen Ansprüche zufriedengestellt sind. Um die Bassthematik zu befriedigen, legte man sich zudem auf „Horn“ fest. Da war dann schon der Punkt erreicht, an dem man professioneller werden musste – ein Hörraum als auch eine eigene Werkstatt mussten her. Auch um Thomas` Lebensgefährtin endlich zu erlösen, die sich bis dato im heimischen Wohnzimmer mit Chassis, Gehäuse, Akkubohrer, Verstärker und dergleichen arrangieren musste…
Thomas Stieb war nach circa 6 Jahren dann so weit, dass er mit dem Ergebnis zufrieden war. Allerdings war der erste Prototyp „viel zu groß“ (O-Ton). So groß, dass er derart wenig WAF (Wife Acceptance Factor) hatte, dass ihn niemand hätte kaufen wollen. Also ging das Messen, Rechnen und Hören so lange weiter, bis man endlich einen Weg fand, das klangliche Ziel mit wohnzimmertauglichen Abmessungen zu vereinen. Dazu Thomas Stieb: „Ein Horn kann bis zu einem gewissen Grad berechnet werden. Allerdings muss es am Ende in Ruhe und zeitintensiv gestimmt und gebaut werden wie ein Musikinstrument. Alle klanglichen Abstimmungen erfolgen mit dem Gehör. Macht man es anders, wird man mit seinem Lautsprecher keine Emotionen vermitteln können“.

Die Produktpalette umfasst derzeit drei verschiedene Modelle – es handelt sich immer um Hornlautsprecher mit Breitbändern: Einen Kompaktlautsprecher („Pikulo“, 13.500 Euro), einem mittleren Standlautsprecher („Patos“, 18.600 Euro) als auch einem „großen“ Standlautsprecher Namens „Naggusi“ (22.800 Euro. Beiden erstgenannten ist das gleiche Breitbandchassis zu Eigen – ein 17er Chassis, das dann, allerdings etwas größer gehalten (20 cm), auch im Spitzenmodell zu finden ist.
Thomas hatte mich netterweise einfach zu sich eingeladen um herauszufinden, was denn genau an seinen Lautsprechern so „anders“ sein soll, und so fand der LautsprecherTest auch bei ihm statt. Ich kann schon vorwegnehmen, dass wir einige sehr angenehme sowie für mich aufschlussreiche Tage im Hörraum von Stieb Audio verbracht haben. Und problemlos für mich, weil ich nur einen Katzensprung entfernt wohne. Nach kurzer Zeit waren wir uns beide einig, dass dies ein Bericht über die große „Naggusi“ werden soll.

Breitband-Standlautsprecher Stieb Audio Naggusi – Technik und Haptik
Genau an dieser Stelle würde Thomas Stieb sinngemäß anmerken „Ich habe fast sechs Jahre gemessen, geforscht, gebaut und vor allem gehört, um zum klanglichen Ergebnis zu kommen, das ich wollte. Warum müssen wir jetzt über Technik reden – lass uns lieber Musik hören!“. Lieber Thomas, grundsätzlich sind wir sicherlich alle Deiner Meinung. Dennoch, vor dem Vergnügen kommt immer auch ein wenig Arbeit…
Die Stieb Audio Naggusi ist ein ausgewachsener Standlautsprecher, der auf den ersten Blick aussieht wie viele andere Hornlautsprecher mit Breitbandchassis auch. Allerdings gibt es zwei wesentliche Unterschiede zur „Stangenware“. Da ist erstens der Fakt, dass man bei Stieb Audio keinerlei Dämmung oder Dämpfung oder sonstiges in irgendeiner Form „beruhigendes“ Material verwendet; übrigens auch keinen integrierten Helmholtz-Resonator. Das ist sehr ungewöhnlich, riskiert man doch gewöhnlich „ungedämpft“ vagabundierende wie auch ungewollte Frequenzen, die dann ans Ohr gelangen und die Musik verwässern.
Thomas Stieb geht an der dieser Stelle einen anderen, weit aufwendigeren Weg. Er lässt sich die Lautsprechergehäuse halbfertig – ohne seitliche Wände – anfertigen. Im Falle der Naggusi hat er dann volle Eingriffsmöglichkeit auf den „Hornkanal“ (der circa 2,30 Meter lang ist) und „stimmt“ diesen in zeitintensiver Manier durch anbringen von Holzleisten und anderen Maßnahmen so lange, bis sich der Lautsprecher für ihn „richtig“ anhört und aus dem Horn nur noch die Frequenzen nach außen dringen, die gewollt sind. Thomas sagt dazu „die Naggusi hat eine verrückte Innenkonstruktion“. Übrigens bietet sich so auch die Möglichkeit, die Stieb Audio Naggusi geringfügig an den Hörraum des stolzen neuen Eigentümers anzupassen – Thomas kommt bei ernsthaftem Kaufinteresse vorbei und „erhört“, wie er die Lautsprecher abstimmen muss. Erst nach dieser Feinabstimmung wird die Naggusi dann fertiggestellt und in der Folge ausgeliefert.

Das Breitbandchassis mit einem Durchmesser von 20 cm – und das ist „zweitens“ – hat logischerweise keinerlei Frequenzweiche, und weder Saugkreise, Kondensatoren oder Widerstände. Es „hängt“ direkt an der Endstufe. Dazu nochmal Thomas Stieb: „Bei meinen Lautsprechern ist Einfachheit Trumpf. Keine Weiche, keine Dämmung. Das, was aus der vorgeschalteten Elektronik kommt, wird 1:1 umgesetzt. Die beste Frequenzweiche ist keine Frequenzweiche – der Lautsprecher arbeitet dann ohne Bremse“.
Der Treiber hat eine mehrfach gefaltete Sicke und eine „Staubschutzkalotte“ aus Holz inmitten eines aufgesetzten Schwirrkonus. Die Membran besteht aus einer Papier/Faser-Mischung. Woher dieses etwas exotischer aussehende Chassis kommt? Da will sich Thomas Stieb verständlicherweise nicht in die Karten schauen lassen. Die Naggusi hat eine Nennimpedanz von acht Ohm sowie einen Wirkungsgrad von ca. 97 dB/A. Somit ist sie voll röhrengeeignet, arbeitet aber laut Stieb Audio auch sehr gut mit Class-D – sowie „normalen“ Transistorverstärkern zusammen.
Breitband-Standlautsprecher Stieb Audio Naggusi – technische Daten
- Typ: Breitband-Standlautsprecher mit Horn
- Treiber: 20 cm
- Empfindlichkeit: 97 dB/A / 1 Watt
- Nennimpedanz: 8 Ohm
- Gewicht: 32 kg
- Maße: Höhe 101 cm, Breite 38 cm, Tiefe 37,7 cm
- Garantie: 2 Jahre
- Ausführungen: Schwarz, Weiss (matt oder hochglanz) und alle RAL-Farben ohne Aufpreis. Andere Farbwünsche/Farbkombinationen nach Absprache

Breitband-Horn-Standlautsprecher Stieb Audio Naggusi – Klang
Nun ging es endlich los – alles war verkabelt, warmgelaufen und bereit, Thomas Stiebs Worten Taten folgen zu lassen. Es ertönte „Salento“ aus dem Album „Plaisirs d`amour“ von Rene´ Aubry. Die Stieb Audio Naggusi präsentierte sofort eine bemerkenswert stabile und weitläufige Raumabbildung. Die Bühne spannt sich zwischen, hinter und über die Lautsprecheraußenseiten hinaus auf, mit riesiger Tiefenstaffelung und sauber voneinander getrennten Klangquellen. Instrumente erscheinen ortbar und plastisch, nicht nur als klangliches Ereignis, sondern mit definierter Position im Raum. Und auch außerhalb des Raumes. In „Salento“ gibt es Kastagnetten. Nun ist es nicht so, als hätte ich nicht schon einmal welche gehört. Aber nicht so wie mit der Naggusi: Diese Kastagnetten erklingen von hinten rechts. Nein, von noch weiter hinten rechts. Aber da steht doch eine Wand – wie kann das denn sein? Schon wieder die Kastagnetten – und Zack, weg war die Wand.
Auffällig ist auch die Körperhaftigkeit der Wiedergabe. Klänge wirken nicht flach oder zweidimensional, sondern besitzen Volumen und Substanz. Gerade bei akustischen Instrumenten entsteht wahrhaftig der Eindruck realer Größe und realistischer Ausdehnung. Dynamisch arbeitet die Stieb Audio Nagussi feinzeichnend und souverän. Übergänge zwischen leisen und lauten Passagen erfolgen fließend, völlig ohne Härten oder Kompression. Besonders positiv fällt die Fähigkeit auf, Mikrodynamik darzustellen – kleine Lautstärke- und Spannungsänderungen bleiben nachvollziehbar und musikalisch geschlossen… genau wie meine Augen, als ich den letzten Klängen des Tracks lauschte. Die Naggusi hatte mich einfach in die Musik gezogen und mich vollkommen für sich eingenommen. Das liegt an der Art und Weise, wie sie den Klang „modelliert“. Räumlichkeit, Substanz sowie Detailfreude werden ganz locker und selbstverständlich miteinander verbunden. Die Stieb Audio Naggusi agiert weniger spektakulär (bis auf die verschwundene Wand…) als vielmehr überzeugend und erlaubte es, „Salento“ nicht nur zu hören, sondern in seiner emotionalen und räumlichen Struktur nachvollziehbar zu erleben.
Kaum hatte ich mich von den ersten Eindrücken erholt, lief schon der nächste Track – Sophie Hunger mit „Le vent nous portera“ (Album: „1983“, Sophie Hunger). Die Stieb Audio Naggusi zeigt eine bemerkenswert freie und hohe Abbildung der Stimme. Sophie Hungers Gesang steht im Raum. Die Position wirkt aufrecht, stabil, körperlich präsent mit einer vertikalen Ausdehnung, die eher an eine reale Person als an eine Aufnahme erinnert. Besonders perfekt ist die Natürlichkeit der Stimmwiedergabe. Ärgern Sie sich manchmal auch über Stereoinstallationen, die mit ihrem „scharfen S“ im Gesang nerven? Verständlich. Denn im normalen Leben, zum Beispiel in Gesprächen mit Freunden oder Arbeitskollegen, da gibt es diese nervigen S-Laute gar nicht. Oder sie fallen uns einfach nicht auf, weil die natürliche Tonalität von Stimmen sowie teilweise unser Gehör diese extremen Sibilanten dämpft („natürliche Dämpfung“).
Und genau deswegen stören sie uns besonders dann, wenn wir Musik über eine Stereoanlage hören. Die Stieb Audio kennt solche Auffälligkeiten allerdings nicht. Bei ihr gibt es keine scharfen S-Laute, wo keine sind. Sie modelliert Stimmen natürlich und bildet relativ hoch ab. Daher entsteht der Eindruck von „Echtheit“- ruhig und greifbar. So, als würde Sophie Hunger direkt vor mir stehen und mir ein Ständchen halten. Der Bass entfaltet sich tief, warm und wohlig. Nicht dominant, sondern atmosphärisch tragend. Alles bleibt kontrolliert und strukturiert. Kein Wummern, kein künstliches Aufdicken. Das Saxophon steht leicht rechts versetzt im Raum, klar umrissen mit genau jener rauen, rotzigen Textur, die Live-Charakter vermittelt. Es klingt atmend, leicht schmutzig im besten Sinne – mit realistischem Anblasgeräusch und schönem Volumen.
Die Stieb Audio Naggusi erlaubt Sophie Hunger ihre melancholische und gleichzeitig sehr menschliche Atmosphäre voll auszuspielen. Und der Bass? Kann ein solcher Lautsprecher, der mit „nur“ einem Breitbandchassis ausgerüstet ist, überhaupt einen ordentlichen Bass reproduzieren? Kurz und knapp: Ja, klar! Aber nicht den typischen HiFi-Bass. Nicht den Bass, der immer stumpf auf einer einzigen Note rumkaut und bei dem man am Ende kaum erkennt, wie er erzeugt wurde. Dort geht’s nur um schiere Luft, die bewegt wird. Die Stieb Audio Naggusi ist anders. Die sagt Ihnen ganz genau, wieviel und welcher Bass auf der Aufnahme „drauf ist“. Man erfährt, was echter Bass ist. Wie im Livekonzert, wo man ja auch nicht vor lauter „Bumm-Bumm“ nichts mehr anderes hört. Nein, die Naggusi zeigt in allen feinsten Facetten genau, ob es ein Kontrabass ist. Oder eine Bassgitarre. Oder eben ein E-Bass. Kickdrum, Bassdrum oder Pauken werden so nachgezeichnet, als stünde man genau neben demjenigen, der sie gerade in diesem Moment bedient. Elektronisch erzeugte Bässe werden gleichfalls durchgereicht – nur inklusive ihrer Räumlichkeit, die sie zu bieten haben. So etwas hört man sehr selten über „normale“ Lautsprecher – ein echtes Erlebnis.
Es gibt Musikstücke, die klingen wie eine Zeremonie, bei der man sich am liebsten verbeugen möchte. „Poem of Chinese Drum“ gehört ohne Zweifel dazu. Die ersten Sekunden lassen keinen Zweifel: Hier kommt kein harmloses rhythmisches Übungsstück – hier tritt ein Großmeister barfuß auf eine Bühne aus Luft und Schall. Doch der eigentliche Protagonist ist nicht nur Yim Hok-Man mit seiner majestätisch geschlagenen Riesentrommel, sondern auch die Stieb Audio Naggusi. Kaum ertönt der erste Drum-Schlag, passiert etwas Ungewöhnliches. Der Bass setzt nicht einfach ein. Nein, er gestaltet sich. Statt dumpfem Wummern entfaltet sich eine vibrierende Tiefe, die fast geologischen Charakter hat. Die Naggusi legt dabei jede Nuance frei wie ein Archäologe mit federleichtem Pinsel sein Relikt. Man erfährt, wie stark der Anschlag ist, wie die Luft im Resonanzkörper zittert, wie die Druckwelle anschließend den Raum ausfüllt. Man hört regelrecht den Weg des Schlages – vom ersten Kontakt des Drumsticks bis zum tiefen Nachbeben, das wie ein sanfter Riss durch die Stille läuft. Sehr, sehr beindruckend.
Dazu immer wieder diese Dynamik „aus dem Nichts“. Leise Passagen stehen wie dünne Reispapierlaternen im Raum, zart und transparent. Dann, ohne Warnung, schlägt Yim Hok-Man zu – die Stieb Audio Naggusi entfaltet ihre Schnelligkeit und Geschmeidigkeit im Wechsel zwischen sanftem Tasten und eruptivem Donnern. Der Breitbänder zeichnet die Transienten so schnell und klar, dass man sich ertappt, wie man kurz zur Tür blickt um sicherzugehen, dass nicht wirklich jemand gerade mit einer riesigen Trommel in den Raum marschiert ist…
Viele Lautsprecher brüsten sich damit, tief zu spielen, doch am Ende liefern sie lediglich kalorienreichen Tieftonbrei, der zwar den Bauch wärmt, aber das Herz leer lässt. Die Stieb Audio Naggusi macht es komplett anders. Sie versteht Bass nicht einfach nur als Frequenz, sondern als Phänomen. Jeder Schlag ist einzeln adressiert, feinsäuberlich etikettiert und wird mit derselben Sorgfalt serviert wie ein alter Barolo: man schmeckt die Herkunft, die Reife, die Handschrift des Meisters. Die Naggusi beherrscht den Bass, der keiner sein will – oder: die Kunst des echten Tiefgangs.
Andreas Vollenweider ist ganz ohne Frage ein Ausnahmekünstler. Mir ist er jedoch einfach zu „ätherisch“ unterwegs – Harfenklänge waren noch nie mein Lieblingsterrain. Geschmackssache halt. Thomas Stieb hat mir aber den Track „Caverna magica“ (Album: …Under the Tree – In The cave…) von Vollenweider kredenzt, um mich möglicherweise zum Umdenken zu bewegen. Naja, ist ja auch unfair, wenn man einen solchen Lautsprecher wie die Naggusi hört – am Anfang des Stücks laufen zwei Personen mit schweren Schuhen durch sandiges Geläuf und reden miteinander. Wie unglaublich ist das? Ich meine, ich kann jedes einzelne Sandkorn unter den Schuhen identifizieren. Wie viele Körner sind es? Wo genau an den Schuhen kratzen sie entlang?
Der Breitband-Standlautsprecher weiß es genau und „sagt“ es mir. Er „erzählt“ nicht nur einfach das Musikstück, er lässt mich die ganze Geschichte dahinter erleben. Ich hatte schon wieder meine Augen geschlossen und war gebannt von der Szenerie, die vor meinem geistigen Auge stattfand. Wie die Stimmen in der Höhle ihr Echo finden, wie Wasser zu Boden tropft, wie diese Geräusche irgendwann übergehen in eine verwunschene Melodie, die Vollenweider mit seinem Harfenspiel ergänzt. Alles klingt so…echt. Wäre ich jemand, der nah am Wasser gebaut ist, hätte ich ob des gebotenen Realismus mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Tränchen im Auge gehabt – nein, ich hatte keines. Ganz bestimmt nicht. Wie auch immer, sprechen Sie auf keinen Fall jemals Thomas Stieb darauf an – versprochen?
Lieber schnell weiter…“Water of Love“ beginnt wie ein Lied, das nichts beweisen will. Die Gitarre tritt mit jener lässigen Selbstverständlichkeit auf, die nur entsteht, wenn ein Musiker völlig sicher ist, dass ihm ohnehin niemand ernsthaft widersprechen wird. Über die Stieb Audio Naggusi bekommt diese Ruhe einen zusätzlichen Glanz: Wenn der Bass einsetzt, tut er das tief, warm, präsent, nie schwerfällig – eher wie ein Gentleman, der beim Treppensteigen den Handlauf nicht braucht, ihn aber aus Höflichkeit dennoch berührt. Die Naggusi zeigt jede Nuance der Saiten, die Mark Knopfler „bearbeitet“. Seine Stimme liegt darüber wie eine leichte Patina – dieses charakteristische Halbflüstern, dieses halb-grinsende Erzählen, das sich anhört, als wisse er mehr über das Leben, als er zugeben möchte. Die große Stieb Audio arbeitet diese Mischung als Gelassenheit und dezentem Weltschmerz so fein heraus, dass man kurz überlegt, ob es hier wirklich nur um Liebeskummer geht oder etwa darum, ob sich Knopfler über ein zu warm serviertes Bier beschwert.
Die Percussion tritt mit einer Art beiläufigem Perfektionismus auf. Die Hi-Hat klingt nicht nur wie Metall, sondern auch wie ein besonders gut gelaunter Lichthauch. Die Slide-Gitarre gleitet so unangestrengt durch den Mix, dass man fast vermutet, sie würde sich heimlich auf einem Fensterbrett sonnen. Am Ende steht ein Water of Love von den Dire Straits, das über die Stieb Audio Naggusi nicht nur schön klingt, sondern eine Art leises Schmunzeln ausstrahlt. Ein Song, der sich seiner Qualität so sicher ist, dass er sie nicht betonen muss – und eine Wiedergabe, die zeigt, dass selbst einfache musikalische Gesten eine erstaunliche Eleganz entwickeln können, wenn man sie auf die richtige Weise beleuchtet.

Breitband-Horn-Standlautsprecher Stieb Audio Naggusi – Fazit
Die Stieb Audio Naggusi hat eine ganz besonders emotionale Art, Klang zu interpretieren – inklusive einer Mischung aus akustischer Präzision und stoischer Gelassenheit. Tiefe Töne erscheinen nicht als rohe Energie, sondern als geformte Ereignisse. Das Faszinierende ist nicht nur, wie tief die Naggusi spielt, sondern wie sauber sie dort unten bleibt. Eindrucksvoll. Auch im Mittel- und Hochtonbereich zeigt sich diese feine Disziplin. Stimmen erhalten Körper. Instrumente behalten ihre Charakteristik, ohne ins grelle Spotlight gezerrt zu werden. Immer stilvoll und „echt“. Und dann ist da diese räumliche Darstellung, die fast ein bisschen unverschämt daherkommt. Sie entfaltet sich so klar, so plastisch und dreidimensional, dass man im ersten Moment irritiert blinzelt – als hätte jemand heimlich ein zusätzliches Zimmer im Hörraum untergebracht. Eine Bühne, die nicht fragt, ob sie hineinpassen darf – sie ist einfach da. Dieses räumliche Potential ist so präzise-selbstverständlich, dass es gelegentlich erschreckend wirkt – im angenehmsten Sinne natürlich. So ähnlich wie „Huch, ist da sonst noch jemand im Raum?“ Da kann man eigentlich nur noch konstatieren, dass sich ein Besuch im Odenwald schon immer gelohnt hat. Und jetzt, mit Stieb Audio, gibt es keinen Grund mehr, diesen Besuch noch länger aufzuschieben. „Jo!“
Im Test
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Stieb Audio
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Mail: horn@stieb-audio.de
Web: www.stieb-audio.de/
Mitspieler im Test
Quellen digital – Netzwerkspieler Blusound Node Icon
Verstärker – Vorverstärker TEAC HA507, Stereo-Endstufe Hypex Nilai
Heimanlage des Autors
Quellen digital – Netzwerkspieler Olive Audio 4HD, CD-Spieler AMR CD-777, Streamer WIIM Pro
Quellen analog – Plattenspieler Dr. Feickert Audio Blackbird mit Tonabnehmer EMT HSD006, MM Tonabnehmer Sumiko Olympia
Phono MM- & MC Verstärker Cyrus Signature Phono (mit PSX-R), Übertrager von Phasemation
Verstärker – Vollverstärker Circle Labs A 200, Naim Supernait 3 + HICAP-DR
Lautsprecher – Standlautsprecher Phonar Veritas p9.2 NEXT, Paradigm Founder 80f
Zubehör – Kabel von Horn Audiophiles, A23, HMS, Isotek, Boaacoustic, Tellurium Q

