Warwick Acoustics ist uns mit seinen elektrostatischen Kopfhörersystemen ein Begriff und immer wieder begegnet uns der Vertrieb audioNEXT mit dem britischen Hersteller auf den einschlägigen HiFi-Messen sowie auf den Kopfhörermessen, wie die World Of Headphones, auf der sich Fans und Kenner treffen. Das Flaggschiff von Warwick Acoustics ist der kompromisslose APERIO, der mit einem Preis von rund 34.000 Euro bei seiner Vorstellung im Jahr 2019 für einen Paukenschlag sorgte, und neben den britischen Royals auf ebenso gut betuchte wie audiophile Bürger abzielt.
Wir HiFi-IFAs machten im gleichen Jahr mit Warwick Acoustics ambitioniertem Einstiegsmodell, dem SONOMA Model One System Bekanntschaft, das uns sehr begeisterte. Für das Jahr 2025 freuen wir uns, dessen Weiterentwicklung unter die Lupe nehmen zu können: das Warwick Acoustics BRAVURA System um 6.850 Euro, bestehend aus dem elektrostatischen Kopfhörer BAVURA und dem bereits bekannten SONOMA M1 Kopfhörerverstärker mit DAC. Das Duo, das uns auf den HiFi-Shows bereits viel versprach, nehmen wir nun für euch abseits jeglichen Messerummels ganz in Ruhe unter die Lupe.
Annäherung
Das BRAVURA System kommt als Set in zwei separaten Verpackungen. Der Kopfhörer BRAVURA und der Energizer mit DAC, so nennt Warwick Acoustics die Kopfhörerverstärkerabteilung, SONOMA M1, sind auch einzeln erhältlich; das Bundle bietet jedoch einen attraktiven Preisvorteil. Die Protagonisten und das Zubehör sind darin jeweils sicher eingebettet und auf verschiedenen Ebenen sortiert. In den zweckmäßigen und schön gemachten Kartons findet sich alles, mit dem die Pretiosen sofort einsatzbereit sind.
Ich beginne mit dem kompakten Kopfhörerverstärker, Entschuldigung: Energizer 😉 , SONOMA, der mit rund 2,5 kg satt in der Hand liegt und eine ausgesprochen hohe Anfassqualität besitzt. Die Verarbeitung und Details strahlen eine hohe Wertigkeit aus. Hin und weg bin ich von den Luftauslässen auf der Oberseite, die man der Optik wegen eigentlich nicht in einem Schrank oder Rack verstecken darf. Mit dabei sind ein gummiertes Netzteil und ein hochwertiges USB-Kabel.
Das wesentliche Bedienelement des SONOMA ist der sämig laufende Lautstärkeregler in der Mitte der Gerätefront. Ein Vertrauen erweckender Kipphebel links daneben schaltet satt zwischen analogem und digitalem Eingang um. LEDs neben der Schalterposition zeigen den Status an. Am Heck finden sich Hebel gleichen Kalibers für die Umschaltung der beiden Analogeingänge (HIGH / LOW), sowie der Netzschalter. Bei einem Kopfhörerverstärker in der gehobenen Preisklasse mit hochwertigem DAC bietet sich der Digitaleingang wohl für viele Nutzer die erste Wahl an, die Analog-Eingänge eröffnen natürlich noch einmal zusätzliche Möglichkeiten bei der Zusammenstellung des Gerätefuhrparks bis hin zu einem Plattenspieler, der dann natürlich einen Phonovorverstärker mitbringen muss.
Der elektrostatische Kopfhörer offener Bauart BRAVURA greift bei dem markanten Schutzgitter das Thema der Deckelentlüftung des SONOMA Energizers auf eine sehr filigrane Art und Weise wieder auf. Mit der gelblichen Folie des Wandlers ergibt sich ein spannendes optisches Spiel und demonstriert klar die Zugehörigkeit zur Warwick Familie. Die Stecker des Kopfhörerkabels, der BRAVURA ist also nicht festverkabelt, sind hörerseitig gekennzeichnet, so dass sich eine Zuordnung über den mit L und R dezent beschrifteten Hörer schnell und intuitiv herstellen lässt.
Ebenso lässt sich der Stecker am Gerät leicht positionieren. Der Lemo-Stecker verriegelt selbständig und macht, wie das stabile, aber trotzdem gut legbare Kabel, einen soliden Eindruck. Die Stecker am Kopfhörer weisen in der Kopfhörerachse nach unten und in Trageposition piksen sie knapp nicht in die Schultern. Hier würde ich mir wünschen, dass sie ein paar Grad nach vorne zeigten. Ich stelle mir also einen passenden Kopfhörerständer bereit, richte das Hörensemble her und beschäftige mich noch kurz mit der Technik und freue mich auf den Hördurchgang.
Technik BRAVURA
Der Name „BRAVURA“ stammt aus dem Italienischen und steht für „großartige Performance“. Er bringt damit im Namen die Weiterentwicklung des SONOMAs Kopfhörers zum Ausdruck, dessen Kernstück ebenfalls ein hochpräziser, elektrostatischer Wandler ist. Der “High-Precision Electrostatic Laminate”-Wandler, oder kurz HPEL-Wandler, ist eine Eigenentwicklung von Warwick Acoustics. Jeder HPEL-Wandler wird von Hand gefertigt und individuell angepasst. Im BRAVURA stecken drei Jahre Entwicklungsarbeit, welche die patentierte Kerntechnologie weiter zu verbessern und damit mehr aus den Vorteilen der elektrostatischen Schallwandlung herausholen soll. Das aktuelle, sogenannte Single-Ended-HPEL verfügt über ein neues Stator-Design und fortschrittlichere Materialien. Entwicklungsziel waren extrem niedrige Verzerrungen, höherer Schalldruck sowie eine größere Bandbreite.
Beim HPEL-Wandler ist Magnesium der Werkstoff der Wahl. Magnesium besitzt ein hervorragendes Verhältnis von Festigkeit zu Gewicht, hoher Steifigkeit und dabei eine hervorragende akustische Dämpfung. Hinzu kommt eine sehr gute RFI/EMI-Abschirmung (Radio Frequency Interference / Electro Magentic Impuls) gegen äußere Störeinflüsse. Das Gehäuse der Ohrmuscheln besteht aus Aluminiumspritzguss. Das eingesetzte, ebenso auffällige wie aufwändige Gitter schützt den Wandler, der gleichzeitig ungestört „hindurchatmen“ kann. Zudem soll das daraus resultierende geringe Gewicht zu einem hervorragenden Tragekomfort beitragen. Ein Eindruck, den ich nach längeren Hörsessions bestätigen kann. Der Hörer sitzt dabei straff, aber bequem. Die Ohrmuscheln lassen sich drehen und kippen, die Längenverstellung für die Kopfgröße funktioniert mit Federstahlblechen, die sicher und straff im Kopfband geführt werden.
Für einen angenehmen Tragekomfort sorgen beim 403 Gramm wiegenden BRAVURA die handgefertigten Ohrpolster aus äußerst weichem Cabretta-Schafsleder in höchstwertiger „Top Grain“ Qualität. Das Leder besitzt ebenfalls ein geringes Gewicht bei hoher Langlebigkeit. Diesem Credo schließt sich der Kopfbügel an, der für Warwicks Flaggschiff APERIO entwickelt wurde. Sein Leder ist ebenfalls handgenäht.
Beim BRAVURA kommt ein von Warwick Acoustics maßgeschneidertes 2 m langes Kabel mit extrem niedriger Kapazität zum Einsatz um eine optimale Signalübertragung zwischen Verstärker und Kopfhörer zu gewährleisten. Das Kabel wird in Zusammenarbeit mit ATLAS und LEMO gefertigt und ist mit Kevlar zwischen den inneren Adern verstärkt. Geräte- und kopfhörerseitig kommen hochpräzise, selbst verriegelnde LEMO-Stecker zum Einsatz, die sich gut stecken lassen. Beim Herausziehen müssen sie durch Ziehen an der Steckerhülse entriegelt werden. Das Kopfhörerkabel, das für rechten und linken Kanal aus zwei einzelnen Kabeln besteht und sich in einem soliden Splitterelement aufteilt, umgibt ein hochwertiges, gewebtes Moplen-Außengeflecht, das neben angenehmer Haptik auch für hohe Verschleißfestigkeit sorgen soll.
Technische Daten BRAVURA
- Typ: Ohr umschließend, offene Bauweise
- Ausgabepegel (alle Eingänge): EN 60065/A12:2011 (EN50332) konform wenn mit SONOMA M1 betrieben
- Wandler: HPEL, elektrostatisch
- Membranfläche: 3.570 mm2
- Bewegte Masse: <0.2g
- Kapazität: 105pF Impedanz >5GΩ
- THD: 0.1% @ 1kHz/100dBSPL
- Frequenzumfang: 10Hz – 60kHz
- Bias-Spannung: 1.350VDC
- Kabellänge: 2m
- Ohrpolster: “Cabretta” Top-Grain Schafsleder
- Gewicht: 403 g ohne Kabel
- Kabel:
Ultra-geringe Kapazität
Silberbeschichtetes OFHC Kupfer mit geschäumter PE Isolierung und Kevlarverstärkung - Kabelbuchen: Gepolte, 4-pin, selbstverriegelnde Lemo Verbindung für rechten und linken Kanal
Technik SONOMA M1
Der SONOMA M1 ist, wie schon erwähnt, ein alter Bekannter aus dem SONOMA Model One System. Bei ihm setzt Warwick Acoustics auf den Entwicklungsgrundsatz „never change a running system“ und labelt auch nicht einfach nach kleinen Maßnahmen auf einen neuen Namen um. Das finde ich sehr sympathisch, da dies gegen gerne mal verwendete Vertriebskniffe läuft, um einfach mal „Neuheiten“ auf den HiFi-Markt zu bringen. In der Nomenklatur der Briten läuft der SONOMA M1 unter „Energizer & DAC“, wobei ich den „Energizer“ immer mit dem marktüblichen und damit verständlicheren „Kopfhörerverstärker“ gleichgesetzt habe. Die Vereinfachung ist anschaulich, aber natürlich nur halb richtig, da beim Bauprinzip des Elektrostaten der Antrieb und der Kopfhörer immer eine funktionale Einheit bilden, die bei Warwick Systemen speziell aufeinander abgestimmt entwickelt werden.
Der Energizer spannt die Membran, vereinfacht gesagt, elektrostatisch ein und versorgt sie gleichsam mit dem Musiksignal, daher auch der vielpolige Anschluss des Kopfhörers. Der Energizer arbeitet im Class A Betrieb als Hochspannungsverstärker, den der HPEL-Wandler wie auch alle anderen Elektrostaten benötigen. Der Verstärker ist als optimal angepasster, leistungsfähiger, diskreter Single-Ended FET-Verstärker mit sehr geringen Verzerrungen und großer Bandbreite ausgeführt. Er kompensiert die inhärente kapazitive Last eines elektrostatischen Wandlers. Die Class-A Endstufe wird dabei mit einem hohen Vorspannungspegel zugunsten einer exzellenten Anstiegsgeschwindigkeit betrieben. Das Aluminiumgehäuse des SONOMA M1 schirmt effektiv gegen Strahlung ab und soll damit eine Isolierung von allen Störquellen gewährleisten.
Mit einem Schalter wählt der SONOMA M1-Hörer zwischen analoger und digitaler Quelle. Dann kann Kopfhörerverstärker nach dem Vorrangprinzip zwei digitale Quellen (USB-Audio und coaxialer Cinch S/PDIF) verwalten sowie per Schalter wechselbar zwei analoge Quellen (High-Level Stereo-Cinch und Low-Level 3,5mm Stereo-Klinke).
Der USB 2.0 Eingang ist auf Signale bis hin zu den Hi-Res Audio-Formaten 32-bit/384 kHz PCM und DSD über DoP (DSD64/DSD128) ausgelegt. Der koaxiale S/PDIF Cinch-Eingang freundet sich mit PCM-Formaten bis zu 24-bit/192 kHz an. Die Briten setzen hier zwei ESS Sabre Reference Stereo-DAC-Chips in einem speziellen Monomodus ein, die einen gemessenen Signal-Rausch-Abstand von 129 dB (SNR) ermöglichen.
Die Signalverarbeitung erfolgt, bevor es in die Verstärkersektion geht, immer in einem DSP, also immer in der digitalen Domain. Das bedeutet, dass hierzu alle eingehenden analogen Signale gewandelt werden. An dieser Stelle kommt einen mehrkanaliger 384kHz/32Bit AKM Premium Analog/Digital-Wandler sowie Crystek Ultra-Low Phase-Noise Oszillatoren zum Einsatz, die einen gemessenen Rauschabstand von über 120 dB liefern.
Warwick Acoustics verwendet als digitalen Signalprozessor einen 64-Bit-Hochpräzisions-DSP, der das eingehende, digitalisierte Musiksignal vor der Verstärkung auf die Eigenschaften des Wandlers hinsichtlich Amplituden und Phasenverhalten anpasst. Mit dieser Korrektur reproduziert der Wandler das Signal wieder naturgetreu für das Ohr des Musikhörers. Die Korrektur ist also passend auf den BRAVURA-Kopfhörer abgestimmt. Der DSP verarbeitet alle Signale digital mit einer speziellen 64-Bit-Festkomma-Arithmetik mit doppelter Genauigkeit. Festkomma gilt in der Welt der Audioverarbeitung als überlegen, und die 64-Bit-Arithmetik übertrifft sogar die Performance professioneller Audio-Workstations.
Noch ein Blick aufs Gehäuse. Das CNC-gefräste Aluminiumgehäuse besitzt eine schöne Anfassqualität. Jedes Mal spannend finde ich die komplexen Kühlöffnungen, durch die die LEDs hindurch schimmern. Durch die Kühlöffnungen wird die Wärme des Class-A-Betriebs abgeführt. Die „Energizer & DAC“-Einheit gibt sich nach etwas Betrieb angenehm warm in der Hand.
Dem SONOMA M1 liegt ein hochwertiges USB-Kabel (Typ-A und Typ-B Stecker) mit vergoldeten Steckern und versilberten Datenleitungen bei, das gemeinsam mit Straight Wire entwickelt wurde. Dem Systemgedanken folgend soll es aus einer Hand eine angemessene Verbindung zwischen der digitalen Musikquelle und dem DAC bieten.
Das “Universal Voltage Switch-Mode Netzteil” im gummierten Gehäuse wurde speziell für den SONOMA M1 entwickelt und liefert die für die Signalverarbeitung notwendige stabile Versorgungsspannung. Dabei verwendet Warwick Acoustics am SONOMA M1 einen hochwertigen Gleichstromanschluss mit einer Verriegelung mittel Überwurfmutter. Alle Audioschaltkreise im Verstärker werden von einer Sekundärstufe mit extrem rauscharmer, linearer Hochstromregelung versorgt.
Technische Daten SONOMA M1
- Digitaleingänge:
1x USB 2.0, Typ B: PCM bis 32 bit / 384 kHz PCM und DSD (DSD64/DSD128) via DoP
1x Digital Coaxial: S/PDIF PCM bis 24 bit / 192 kHz - Analogeingang:
1x Cinch Stereo (Level umschaltbar)
– High Level: Dual RCA; 2.1 V (rms)
– Low Level: 3.5 mm; 850 mV (rms) - DAC
Dual Mono, 32-bit/384 kHz DACs mit symmetrischem Ausgang - ADC
32-bit/384 kHz multi-channel ADC with balanced input buffers - Digital Signal Processing (DSP)
64-bit (double-precision) fixed-point processing - Verstärker/Energizer
Discrete FET, single-ended, high bias Class-A output
Distortion + Noise
< 0.05% Bandwidth > 65 kHz - Externes Netzteil:
Ausgang: Gleichstrom 24 Volt DC, 60 VA, feste Frequenz, Class B-compliant SMPS
Eingang: Wechselstrom, Kompatible Netzspannungen: 90-264 Volt AC, 50-60 Hz
Stromanschluss: Netzkabel mit Erdung, Länge: 1,5 m - Internes Gerätenetzteil: vollständig isoliert, ultra-low-noise linear regulation
- Gehäuse: CNC-bearbeitetes 6063 Aluminium
- Maße: 190 * 57 * 290 mm ( B * H * T )
- Gewicht: 2,45 kg
BRAVURA- SYSTEM – Klang
Das BRAVURA SYSTEM spielt seine technische Kompetenz und damit auch seinen geldwerten Vorteil am effektivsten aus, wenn es direkt über den integrierten DAC digital gefüttert wird. Daher entschloss ich mich, dem Charakter des Duos im Hörtest auf diesem Wege ausführlich auf den Grund zu gehen. Die analogen Eingänge bringen natürlich den funktionalen Vorteil mit, beliebige andere Quellen anschließen zu können, daher möchte ich diese nicht links liegen lassen und unterziehe sie einem kurzen Quercheck. Was über die analogen Eingänge an Sound reinkam, wurde für mich gut nachvollziehbar von den angeschlossenen Quellen vorgegeben, deren Klangcharaktere ich aus der Erfahrung kannte. Gleichzeitig blieb dabei als klangprägender Anteil der Charakter des Kopfhörersystems erhalten, wie er sich auch über den Digitaleingang präsentierte. So soll es sein. Gleichzeitig stellte ich im Vergleich fest, wie ausgesprochen gut der integrierte DAC mit dem Energizer harmoniert. So bewege ich mich mit einem guten Gefühl weiter auf dem digitalen Pfad.
Dazu hänge ich ganz pragmatisch am Hörplatz wieder meinen mobilen FiiO M11 über seinen digitalen USB-C-Ausgang mit einem passenden neo by Oyade Kabel an den USB-B Eingang des SONOMA M1. Der FiiO M11 wird damit zum reinen digitalen Abspieler. Los geht’s.
Ich beginne mit einem Streicher Quintett der Berliner Philharmoniker und wehre mich nicht gegen die mögliche Unterstellung kritischer Geister, ich suche mir Musik aus, die der elektrostatische Kopfhörer kann. Richtig! Genau das tue ich, weil ich mit süßer Freude in den Hördurchgang starten möchte. Dvoraks Opus 77 aus der seinerzeit von Bowers & Wilkins kuratierten Society of Sound Reihe umschmeichelt meine Ohren – und offenbart bereits sehr viel vom Charakter des offenen Kopfhörers. Die Instrumente spielen herrlich luftig zwischen und nahe um die Ohrhörer. Der gefühlte akustische Raum lässt reichlich Platz für die fünf Akteure und eine saubere Anordnung. Die Streicher kommen mit schönem Schmelz bis flehend daher, und ab und an geht auch Attacke, die der BRAVURA in Nachdruck, aber nicht in Aggressivität ummünzt. Eine schöne Eigenschaft, die dazu verleitet, nicht nur entspannt immer weiterhören zu wollen, sondern auch tiefer in das Stück hinein zu tauchen. Ich merke, wie es mich reizt, weiter beim Streichquintett dabeibleiben zu wollen.
Aber ich lege im klassischen Sektor noch eine Schippe drauf. Passt auch ein ganzes Symphonieorchester zwischen die Lauscher? Ich probiere es mit dem London Symphony Orchestra aus, das unter der Leitung von Sir Colin Davis Holsts Planeten bereist. Bedrohlich nähert sich der rote Planet, der Mars. Der Platz zwischen meinen Ohren ist nicht größer geworden, aber der BRAVURA skaliert das riesige Orchester richtig runter in eine maßstabsgetreue, passgenaue Abbildung. Natürliche hat es ein Kopfhörer schwer, in Sachen Präsenz einem Vergleich mit einer veritablen Stereoanlage Stand zu halten, die die Bühne gleich mal auf 4 Meter Weite aufzieht und dem Geschehen eine Autorität verleiht. Der elektrostatische Kopfhörer schafft es aber, das Orchester so fein und nahbar nachzuzeichnen, dass ich, wenn ich die Augen schließe, tief in die 25 cm Hörbreite meines nun detailreich bestückten Kopfkinos eintauche und die Skalierung des Abbilds einfach so weit aufziehe, bis sie auf das richtige Orchester passt. Man muss sich nur drauf einlassen können. So bezirzt mich die Venus und fast schon schelmisch zwinkert mir der Merkur. Holsts Planeten ist eine Mischung aus vielen feinen Begegnungen und voller Einsatz des Orchesters, an die mich der BRAVURA locker teilhaben lässt.
Apropos locker, leicht. Ich begebe mich mit Bert Kempfert auf die „Swinging Safari“. Ein Titel von den Kollegen aus alten Tagen der stereoplay und ihrer Vinyl Classics. Sagenhaft wie offen der Sound ist. Man spricht gerne von einem schwarzen Hintergrund, hier würde ich eher einen transparenten Hintergrund sprechen, vor dem sich die Akteure klar und frisch abzeichnen. Ich möchte da nicht an was Düsteres denken. Die Soloinstrumentierung ist überschaubar und hebt sich gut vom Bandsound ab. Die vorlaute Flöte, der knorrige Bass, das sauber gezeichnete Schlagzeug und die schrammelige Gitarre sowie die freche Trompete haben Charakter, der nicht durch Überzeichnung sondern Feinzeichnung gewonnen wird. Schön das „huhuhuuu“ der Background Sängerin, das nicht einfach nur zu einem profanen „huhuhuuu“ degradiert ist, sondern eine persönliche Note erhält.
Eine persönliche Note hat auch das Pfeifen von Livingston Taylor bei seinem bekannten Titel „Isn’t she lovely“, das wir auch gerne mal für Kabeltests herangezogen haben. Immer die Abwägung, ist es noch Detailreichtum oder schon Überzeichnung? Beim BRAVURA ist man immer auf der sicheren Seite. Ich bin Livingston Taylor sehr nahe – ich scheine das Formen der Lippen mitzubekommen – , aber nie zu nahe und der scharfe Pfiff ist ein Weckruf, aber er zerfetzt mir nicht das Trommelfell. Der Song lebt natürlich von der Stimme des Amerikaners und nach wenigen Textzeilen bin ich mindestens genau so entspannt wie der Künstler selbst. Die klar aufgenommenen Gitarren passen sich wunderbar ein. Ein weiterer Titel vom Album Musik von einem anderen Stern von Manger Audio, in den es sich ab und an reinzuhören lohnt, ist die O-Zone Percussion Group, die in den „Jazz Variants“ mit unterschiedlichsten Schlagzeugen und Instrumenten einen abwechslungsreichen HiFi-Vorführklassiker kreiert haben. Bei dem Titel zeichnet der BRAVURA die unterschiedlichsten Protagonisten – und die sind reichlich vorhanden – nach, baut sie ordentlich auf und lässt sie sehr dynamisch performen. Auch, wenn ich den Titel schon hundertmal gehört habe, macht er Freude, mit all den Feinheiten und Spannungsbögen beim Anschlagen und Ausklingen. Auch im Schlagzug und Trommelsolo geht es mächtig zur Sache. Nicht im Tiefbass und allerletzter Wucht, aber zackig und ordentlichem Nachdruck. Respekt.
Aber jetzt versuche ich mal was ganz anderes. Etwas, was man vielleicht nicht unbedingt zum Test eines elektrostatischen Kopfhörers hernimmt: die Beastie Boys. „Das klingt ja nach Sabotage!“ Werden jetzt Kritiker unken. Genau, das ist „Sabotage“. Das Video im Stil der 70er ist der Knaller, der Titel aber auch. „Sabotage“ ist so ein Song, den man manchmal einfach um die Ohren gehauen bekommen will. Rotzig, aggressiv. Der BRAVURA sagt da: hey, nicht so eilig. Hör doch mal genau hin. Natürlich ist das rotzig, natürlich ist das aggressiv, aber wenn die Jungs ihren Frust nicht grad rausschreien, lässt sich auch ein Blick auf das ein oder andere Detail der Produktion nehmen. Denn eins ist die Musik der Musik der Beastie Boys sicherlich nicht: blöd gemacht.
Spannend auch das folgende „Get it together“. Der BRAVURA lässt mich an der Musik teilhaben, ohne mich damit zu überfordern. Und wo ich das Album Ill Communication schon mal griffbereit habe, kann noch in den Opener und Klassiker „Sure Shot“ reinhören. Klasse das Thema, mit dem die sauber reproduzierte Querflöte einleitet und das die Beastie Boys knallhart durchziehen. Und weil es mir grad so viel Spaß macht, springe ich zu den The Beastles aus der Szene des Bastard-Pops beziehungsweise der Meshups. Die Beatles und die Beastie Boys – Two in one. Das kennt man sonst nur von Shampoos. Hier aber ohne Weichspüler. Anspieltipps: „Watcha want, Lady“ und „Tripper Trouble“. Für manche ein Frevel, ich finde das äußerst amüsant und mit dem Warwick Acoustics BRAVURA System dargeboten auch äußerst schmackhaft, weil ich neben dem Groove noch die Zutaten herausschmecke.
Warwick Acoustics BRAVURA System – Fazit
Die Kombination des britischen Herstellers Warwick Acoustics aus dem elektrostatischen Kopfhörer BRAVURA mit dem passenden Energizer & DAC SONOMA M1 zum Paketpreis von 6.850 Euro ist eine dieser sorgsam aufeinander abgestimmten Lösungen aus einer Hand, die den Hörer ohne viel Federlesen an ein maximales Hörvergnügen heranführt. Aus praktischer Sicht ist der Kopfhörerverstärker mit Digital/Analog-Wandler SONOMA M1 mit dem ausgestattet, was den allermeisten Musikfreunden zum Kopfhören wichtig sein dürfte: Zwei analoge und zwei digitale Anschlüsse. That’s it. Den Elektrostaten BRAVURA ob seines Bauprinzips in seiner klanglichen Ausprägung voreilig in die Schublade der Feingeister zu stecken, ist einerseits deutlich zu kurz gesprungen, aber anderseits auch nicht ganz unberechtigt. Denn die feinen Aspekte der Musik weiß das Team gekonnt herauszuarbeiten und mit frappierender Offenheit darzubieten. Gleichzeitig gibt der BRAVURA dem Sound aber auch immer eine ordentliche Portion Dynamik und Spaß mit auf den Weg, so dass sich das Kopfhörersystem in jedem Musikgenre wohlfühlt. Ein echter Tipp für Freunde des unbeschwerten Musikgenusses und des konsequenten Systemgedankens.
Im Test
Elektrostatischer High End Kopfhörer
Warwick Acoustics BRAVURA
Einzelpreis: 2.499 Euro
High End Kopfhörerverstärker mit DAC und Analogeingang
Warwick Acoustics SONOMA M1
Einzelpreis: 5.475 Euro
Im Test war das Komplettset mit dem Kopfhörer BRAVURA und KHV/DAC SONOMA M1
Warwick Acoustics BRAVURA SYSTEM silver
Set-Preis: 6.849 Euro
Variante: Black Special Edition
BRAVURA, SONOMA M1 und das BRAVURA SYSTEM sind auch als BLACK SPECIAL EDITION erhältlich.
Vertrieb
AudioNEXT GmbH
Isenbergstraße 20
45130 Essen
Tel.: +49 (0)201 5073950
Mail: info@audionext.de
Web: www.audionext.de
Mitspieler im Test
Digitale Quellen – LUMIN U1 mini, NuPrime Stream 9, NuPrime CDT-9 mit LPS-212, Merason DAC1 Mk II, Musikserver Innuos ZENith Mk3, MELCO N-100
Plattenspieler / Phonovorstufe – Rega P8 mit Excalibur Platinum, Vertere Techno Mat, SPL Phonos
Verstärker – SPL Phonitor x mit DAC768 Kopfhörerverstärker/DAC, SPL Director Mk2.2 Vorverstärker/DAC, Makroaudio LittleBIG Power Mono-Endstufe, SPL Performer s1200 Stereo-Endstufe
Lautsprecher – Dutch&Dutch 8c, Diapason Adamantes V, Elipson Planet L Gold Edition, Velodyne DD-12+
Kopfhörer – ULTRASONE Edition 15
Signalkabel – WSS Platin-Line KS-20 XLR, WSS Premium-Line KS-200 XLR, Boaacoustic Evolution BLACK.rca, Sommer Cable Epilogue XLR, FastAudio Black Science mk III XLR
Lautsprecherkabel – in-akustik LS-1205 AIR, in-akustik LS-404 micro AIR, Boaacoustic Mercury
Digitalkabel – Boaacoustic USB-Kabel Silver Digital Xeno, Supra Cables USB 2.0 Excalibur, Supra Cables DAC-XLR AES/EBU, Supra Cables Excalibur DAC-XLR AES/EBU
Netzwerkkabel – Wireworld Starlight 8, Boaacoustic SIGNAL.lanCat.6A, , Supra Cables CAT8+
Netzkabel – Netzkabel Supra Cables LoRad 2.5, bfly bPower
Zubehör – Netzleiste Supra Cables LoRad MD07 DC 16 EU SP MKIII, SBooster BOTW P&P Netzteil, NuPrime AC-4 Power Conditioner, NuPrime Omnia SW-8 HiFi Netzwerk-Switch, Innuos PHOENIX USB-Reclocker, MUTEC MC3+ USB, SPL Crossover Externe Frequenzweiche
Fotos: F. Visarius