Beim ersten Anblick des neuen Unitra GSH-630 „Fryderyk“, einem Plattenspieler mit Direktantrieb, fühle ich mich aufgrund der vorderen Kipphebel ein wenig in die 70er und 80er des vergangenen Jahrhunderts zurückversetzt. Doch er sei komplett neu entwickelt und ganz modern, versichert mir Dietmar Hölper, der den Plattendreher auf der High End 2024 in München entdeckt hat und nun in Deutschland vertreibt. Ein kurzes Telefonat mit ihm, und schon steht das gute Stück auch schon bei mir daheim zum Test. Als ehemaliger Besitzer eines Dual CS 741 Q bin ich natürlich gespannt, was der neue Direktantriebler so kann, knappe 3.000 Euro inklusive dem MM-Tonabnehmer Ortofon 2M Bronze ruft der Vertrieb für den Unitra GSH-630 „Fryderyk“ auf.
Unitra GSH-630 „Fryderyk“ – Technik
Die Technik des Unitra GSH-630 „Fryderyk“ steckt in einer stabilen Basis, die aus MDF gefräst ist, knappe 12 kg wiegt der Plattenspieler, der auf höhenverstellbaren Füßen steht. Geschützt werden Oberseite und Tonarm des Vinyldrehers durch eine Staubschutzhaube, die mit kräftigen Scharnieren an der Zarge verschraubt ist, diese einfach mal kurz Abnehmen geht also leider nicht. Wer dies machen möchte, kann die Haube – welche kleine Gummipuffer zum Schonen des Furniers besitzt – leicht abschrauben, und legt sie dann ganz einfach so auf den Plattenspieler. Soll die Abdeckhaube dranbleiben, auch kein Problem, die Öffnungskraft der Scharniere lässt sich in ihrer Gängigkeit leicht mit einem Inbus-Schlüssel einstellen, der Deckel bleibt dann auch hochgeklappt sicher stehen.
Die Frontplatte des Plattenspielers besteht aus Aluminium, wahlweise in den Farben Silber oder Schwarz, an Furnieren stehen amerikanische Walnuss, sowie helle oder schwarze Esche zur Verfügung. Mit den klassischen Kippschaltern vorne links an der Front schaltet man den Plattendreher ein oder aus, und wechselt die Geschwindigkeiten von 33,33 sowie 45 Umdrehungen. Rückseitig am Unitra GSH-630 „Fryderyk“ finden sich stabile und vergoldete Cinchbuchsen und natürlich eine Erdungsklemme. Ein gut gemachtes Phono-Kabel Neotech KHS 321 von rund einem Meter liegt dem Plattenspieler übrigens bei. Dieses und mein alt bewährtes Fadel Art Pro Link habe ich während des Tests benutzt. Ebenfalls an der Rückseite findet sich der 230 Volt-Anschluss – die Phase ist löblicherweise markiert – für den Antrieb.
So viele verschiedene Antriebsarten gibt es für Plattenspieler bekanntlich nicht. Die meisten Hersteller setzen auf Riemenantriebe, Direktantriebe sieht man da schon seltener, und der gute alte Reibradantrieb ist bis auf ein paar Ausnahmen wie beim Reed Muse schon lange in der Versenkung verschwunden. Nun, mir persönlich ist es egal, auf welches Konzept ein Hersteller setzt, was zählt, ist schlicht und einfach das Ergebnis! Unitra setzt bei seinen beiden Plattenspielern, also auch beim GSH-630 „Fryderyk“, auf einen Direktantrieb, der im Haus selbst entwickelt wurde. Das nötigt mir einen gewissen Respekt ab, wird so ein Antrieb doch auch gerne mal extern dazu gekauft. Dazu gehört dann natürlich auch die hauseigene Geschwindigkeitsregelung, wie genau diese funktioniert, darüber schweigt sich der Hersteller leider aus. Zumindest, soviel vorab, ist diese gelungen, sehr stabil ist der Gleichlauf, wenn man Musik hört. Für DJs jedoch ist der Antrieb nicht geeignet, denn so schnell läuft der Unitra NB1 Direktantrieb nicht hoch, und wenn man ihn mal händisch ausbremst, benötigt er einen Moment zum Wiederhochfahren.
Auch der 9 Zoll lange Tonarm Unitra R10 stammt aus eigener Entwicklung und ist nur zusammen mit den beiden Unitra-Plattenspielern erhältlich. Gelagert ist dieser auf konischen Drehzapfen, die auf zwei Lagerpaaren aus Aluminium laufen. Sein Gegengewicht wird auf das Ende des Tonarms geschoben und rastet in einer Nut ein, das Auflagegewicht selber wird dann per Rändelrad und gut ablesbarer Skala eingestellt. Beim Antiskating nutzt Unitra die klassische Lösung mit Gegengewicht an einem Faden, der über einen Umlenkhebel mit drei verschiedenen Nuten für die Einstellung des Antiskating entsprechend der Auflagekraft läuft. Sollte ein Tonabnehmer mit einer anderen Bauhöhe als das serienmäßig verbaute Ortofon 2M Bronze – Straßenpreis um die 350 Euro – montiert werden, lässt sich der Tonarm dafür in der Höhe verstellen. Für den Fall der gewünschten Azimut-Einstellung wird der abnehmbare Tonabnehmerkopf um seine eigene Achse gedreht, dies gelingt durch Lösen und Festziehen einer Inbusschraube.
Unitra GSH-630 „Fryderyk“ – Technische Daten
Antriebssystem | Unitra NB1 Direktantrieb |
Motor | Bürstenloser Gleichstrommotor mit Luftkern |
Drehzahlregelung | Digital |
Gleichlaufschwankungen | < 0,09 % |
Tonarm | Unitra R10 aus Aluminium, Länge 9 Zoll |
Lagersystem | Zwei Lagerpaare auf konischen Drehzapfen |
Effektiver 9 Zoll Massearm | 18,5 – 22 g |
Tonabnehmergewicht | 3 – 12 g |
Tonabnehmer | Ortofon 2M Bronze |
Zarge aus gefrästem MDF | Echtholzfurnier mit Aluminium Front |
Plattenteller | HDPE Plattenteller |
Plattentellergewicht | 1,6 kg |
Drehzahlen | 33,33 und 45 U/min |
Netzteil | Intern, 230 V AC |
Netzbuche | Kaltgerätebuchse IEC13 |
Leistungsaufnahme | 4 Watt |
Standby Stromverbrauch | 0,42 Watt |
Ausgänge | Cinch Buchsen und Erdungsanschluss |
Zubehör | Filzmatte, Tonabnehmer-Schablone, Phono Kabel Neotech KHS 321, Netzkabel, Bedienungsanleitung auf deutsch |
Gewicht | 11,7 kg |
Abmessungen | 44,0*38,5*15,5 cm (44 cm bei geöffneter Haube) (b*t*h) |
Unitra GSH-630 „Fryderyk“ – Klang
Nach dem theoretischen und technischen Gedöns wird es nun ernst, wie mag sich der Unitra GSH-630 „Fryderyk“ wohl anhören? Nun denn, also erst einmal höre ich nichts, also gar nichts. Respekt, wie ruhig der Direktantrieb des Plattenspielers läuft. Nochmal etwas näher dran mit dem Ohr, es ist immer noch nichts zu Hören, die Laufruhe ist echt Klasse! Ran an den Tonarmlift und leicht am Hebel ziehen, der Tonarm senkt sich langsam und geschmeidig, umgekehrt macht er dies dann ebenso.
Wieder runter mit dem Tonarm, die Nadel des Ortofon 2M Bronze taucht in die Rille des Vinyl ein und ein leichtes Knistern ertönt. Klar und sauber ertönt das gefühlvolle Spiel einer Akustikgitarre, deren hölzernen Korpus ich gut erkennen kann. Kurz danach setzt die Sängerin ein, fast spricht sie beim Titel „Lento“ der gleichnamigen LP mehr als das sie singt, und der Unitra GSH-630 „Fryderyk“ arbeitet die Artikulation der Stimmbänder wunderbar heraus. Also die Sprachverständlichkeit des Plattenspielers ist echt klasse, doch auch das gefühlvolle Hinhauchen von Youn Sun Nah kommt definitiv nicht zu kurz.
Etwas kräftiger und einprägender als zuvor ist der Musikstil bei „Lamento“, mit Lamentieren hat das jetzt nichts mehr zu tun. Youn Sun Nah singt um einiges energischer als beim ersten Lied, sehr nachdrücklich gelangt der Text an meine Ohren. Dazu zieht Vincent Peirani sein Akkordeon so kräftig auf und zu, dass ich den Spieler vor mir zu sehen vermeine. Hinterlegt wird dies von einem sehr energievoll aufspielenden Orchester, dieser Energiegehalt wird für meine Ohren im Verlauf des Liedes dann jedoch etwas zu viel des Guten wird. Ob das am Direktantrieb liegt? Gelegentlich wird diesem Typus von Plattenspieler so etwas ja nachgesagt, meine Meinung jedoch ist eine andere.
Also woher kommt dann nun diese klangliche Signatur? Etwas Spielen ist angesagt, probehalber drehe ich den Netzstecker um, klanglich ändert sich durch diese Aktion jedoch nicht wirklich etwas. Daher variiere ich nun die Auflagekraft des Tonabnehmers, 15 mN empfiehlt Ortofon für sein 2M Bronze, muss man sich ja nicht sklavisch dran halten… So taste ich mich langsam hoch bis auf 20 mN, und dann erscheint mir das Klangbild ausgewogener und schlüssiger. Na also, geht doch. Eine weitere Spielerei gönne ich mir mit den Phonokabeln. Wechselweise sind das serienmäßige Neotech KHS 321 und das Fadel Art Pro Link im Einsatz. Ist die klangliche Signatur des ersteren eher klar und direkt ausgelegt, bringt das zweitere eine Spur mehr Wärme und Smoothigkeit mit ins Spiel.
Nach dem gerade Gehörten – dabei denke ich an die energievolle Spielweise – bin ich schon gespannt, wie sich bei „In The Early Morning Rain“ die Violine machen wird. Entgegen meinen Bedenken ist sie dann glücklicherweise nicht zu scharf, sondern sehr eindringlich, so als würde ich direkt vor ihr sitzen. Sehr schön nachvollziehbar sind die verschieden schnellen Bogenstriche des Geigers. Auch deren unterschiedliche Intensität – dabei meine ich den Druck des Bogens auf die Saiten – bringt der Unitra GSH-630 „Fryderyk“ verblüffend differenziert rüber. Und wie auch immer der Bogen gestrichen wird, egal ob schnell oder sehr langsam gezogen, höre ich weder ein Jaulen oder Jammern, so stupide läuft der Direktantrieb dieses Plattenspielers. Diese Stabilität bereitet auch der Sängerin Margriet Sjoerdsma große Freude – die auf ihrer LP A Tribute To Eva Cassidy genial covert – und deren glockenklare und bis ins Tiefste durchhörbare Stimme mich mit ihrer Authentizität hellauf begeistert.
Sauber zentriert steht Malia bei „Love In Vain“ mit ihrer leicht angerauten Stimme kurz vor den begleitenden Künstlern. In diesem Fall nicht ganz so voluminös, wie ich die Sängerin von meinem eigenen Plattenspieler her kenne, sondern etwas klarer und direkter, verschliffen wird hier nichts. Das Klavierspiel ist leicht und locker, seelenruhig dreht der Unitra GSH-630 „Fryderyk“ seine Runden und lässt die Tasten luftig perlen. Der Song bluest so richtig schön vor mir her, und wenn das Pedal getreten wird, kann mein Fuß nicht anders und macht mit, so als würde ich selber vorm Klavier sitzen und es – besser wohl nicht… – spielen. Glaubwürdig ist für mich die Staffelung der Band, die Malia begleitet.
Mit einem dezenten Ping-Pong-Spiel beginnt „Fire On The Moon“ von Steve Hackett. Doch damit ist es bald vorbei, im Hintergrund wabert es und dann kommt der Sänger mitzurückhaltender Stimme dazu. Der komplette Gegensatz ist dann das urplötzlich einsetzende Orchester, dem ein elektronisch verzerrter Chor dazugegeben wird. Dieses Durcheinander hämmert und schlägt, dass einem Angst und Bange werden kann, hoffentlich geht das gut. Joh, sagt der Unitra GSH-630 „Fryderyk“, ihn und den Ortofon 2M Bronze rührt das nicht die Bohne. Von dem ganzen Gewusel lassen diese sich nicht beeindrucken, egal was auch immer da vorn auf der Bühne abgeht, präsentiert er sauber geordnet und abgezirkelt.
Eine höchst interessante und ebenfalls sehr muntere Nummer auf dem Album Out Of The Tunnel’s Mouth ist dann „Last Train To Istanbul“, in der Steve Hackett sich musikalisch in den Orient begibt und diesen mit westlicher Musik vermischt. Synthesizer mit jammernder Sitar, einem indischen Saiteninstrument und dazu eine seufzende Flöte. Umgarnt werden diese von orientalischen Streichern, die über diesen Plattenspieler den ganzen Raum ausleuchten und mich in eine andere Welt versetzen. Ein herrliches Gewusel mit definierten wie auch kräftig treibenden Paukenschlägen ist das. Macht nix, gebt mir mehr, sagt der Unitra GSH-630 „Fryderyk“, unbeirrt und stoisch dreht der Direktantrieb seine Runden…
Unitra GSH-630 „Fryderyk“ – Fazit
Das ein Plattenspieler mit Direktantrieb völlig laufruhig sein kann, diesen Beweis tritt der Unitra GSH-630 „Fryderyk“ gerne an. Er ist stabil aufgebaut und bringt neben dem eigenentwickelten Antrieb auch gleich noch einen höhenverstellbaren Tonarm aus demselben Haus mit. Das beiliegende Phonokabel ist mehr als zufriedenstellend und auch das sauber montierte Ortofon 2M Bronze passt gut zum Unitra GSH-630 „Fryderyk“. Stoisch dreht der Direkttriebler seine Runden und lässt sich – egal welche Musikrichtung auch läuft – durch nichts aus der Ruhe bringen. Klanglich tendiert der Plattenspieler in der Kombination mit dem 2M Bronze in die klare und sprachlich sehr gut verständliche Richtung. Aufgrund dieser Abstimmung lassen sich auch instrumentale Feinheiten sehr gut raushören, ohne dass das Klangbild unangenehm wird. Auch bei sehr komplexen Passagen behält der „Fryderyk“ stets die Übersicht, die Abbildung bleibt in allen Richtungen stabil. Sind Schub und Druck in der Rille, transportiert der Unitra diese klar, sauber und strukturiert zu den Ohren des Auditoriums. Sollte das eingebaute Ortofon 2M Bronze dann eines Tages verschlissen sein, freut sich der Unitra GSH-630 „Fryderyk“ über noch hochwertigere Tonabnehmer.
Im Test
Komplett-Plattenspieler mit Direktantrieb
Unitra GSH-630 „Fryderyk“ mit MM-System Ortofon 2M Bronze
Ausführung: Front Alu Silber oder Schwarz.
Furnier: amerikanische Walnuss, helle oder schwarze Esche
Maße: 44,0*38,5*15,5 cm (44 cm bei geöffneter Haube) (b*t*h)
Gewicht: 11,7 kg
Preis: 3.000 Euro
Vertrieb
Dietmar Hölper
Kirchstraße 18
D-56459 Ailertchen
Tel.: +49 / 26 63 – 73 47
Mail: dietmar.hoelper@t-online.de
Web: www.dietmar-hoelper.de
Mitspieler im Test
Quellen digital – Netzwerkspieler Atoll ST 300 Signature, CD-Spieler Cambridge Audio 851C, Musikserver Innuos ZEN MK.III
Quellen analog – Plattenspieler Rega Planar 6 mit MC-Tonabnehmer TAD Excalibur Black, Sonoro Platinum mit Ortofon 2M Red, Phono MM- & MC Verstärker Trigon Vanguard III
Verstärker – Vollverstärker Rega Aethos, Unison Unico 150
Lautsprecher – Standlautsprecher LUA Con Espressione, Subwoofer REL R 505, Standlautsprecher Indiana Line Diva 5, Standlautsprecher quadral SIGNUM 70
Kopfhörer – Offener Kopfhörer Focal Clear, Kopfhörerverstärker Divaldi AMP-02 mit Phono MM- & MC Stufe
Zubehör – Lautsprecherkabel: Supra XL Annorum, in-akustik LS-804 AIR DIY, in-akustik Referenz LS-204 XL Micro AIR. Kleinsignal-Kabel: Cinchkabel in-akustik NF-1204 Air, XLR- und Cinchkabel Fadel Art Pro Link. Stromkabel Supra LoRad 2.5, Netzleiste PS Audio Dectet, Powergrip YG-1 Netzfilter, HiFi-Switch NuPrime Omnia SW-8, LAN-Kabel Supra Cat8 & Wireworld Starlight, Plattengewicht- und Plattenklemme bFly-Audio Octopus Light