Mit den Produkten des Kopfhörerverstärker-Spezialisten EarMen Audio und seiner älteren großen Schwester AURIS Audio haben wir HiFi-IFAs uns ja bereits einige Male beschäftigt. Hinter beiden Firmen steckt das Mastermind Milomir „Miki“ Trosic mit Wurzeln in Serbien. Von der dort gegründeten Firma AURIS Audio hatten wir vor einiger Zeit den edlen Röhren-Kopfhörerverstärker NIRVANA um 5.000 Euro im Angebot, der uns mit seinem stattlichen Holzgehäuse und audiophilem Sound bezaubert hat. Das in den USA ansässige und in Europa produzierende Unternehmen Earmen steckt das Feld am anderen Ende der Skala ab: Mobile oder gar handschmeichlerische „Immer-dabei“-USB-Kopfhörer-Verstärker mit integriertem DAC unter 400 Euro. Namentlich Sparrow, Colibri und der TR-Amp mit Akku und Line-Out.
Nun geht Earmen einen logischen Schritt weiter und stellt dem umtriebigen Tramp einen sesshaften Champ an die Seite, den Kopfhörerverstärker mit Vorstufen-Funktion CH-Amp, der sein externes 12V-Netzteil PSU3 im gleichen Format, aber eine Gewichtsklasse höher, gleich mit im Gepäck hat. In der Preisklasse um 1.500 Euro schließt sich so die Lücke zu den großen AURIS-Pretiosen. Da jeder echter Champ einen guten Mann am Ring braucht, hat EarMen dem Kopfhörerverstärker den Bluetooth Digital/Analog-Wandler TRADUTTO um 800 Euro und den Streamer/Transport STACCATO um 1.000 Euro beigestellt, die gemeinsam eine komplette digitale HiFi-Anlage im Kompaktformat abbilden. Zum Test hat uns das Duo aus KHV und DAC gereizt und wir haben uns über den Einzug des CH-Amps mit seinem Kumpanen TRADUTTO in unsere Hörarena gefreut. Wie sie sich geschlagen haben, erfahrt ihr in diesem Review.
Annäherung
Ein DHL-Karton und darin zwei weitere kleine Pakete. Eine gute Quote – passend zur Weihnachtsstimmung, die noch herrschte, als ich das Setup im Hörraum aufstellte, da machte sich bei mir Vorfreude breit. Bereits bei der Entnahme aus ihrer Verpackung machten die EarMen eine gute Figur, hatten sie doch, gemessen an ihrer Größe, ein stattliches Gewicht – was für Solidität spricht. Insbesondere das Netzteil PSU3 bringt fast 1,6 kg auf die Waage. Und das bei einer schlanken Grundfläche von nur einem vierundvierzigstel Quadratmeter (15*15 cm), welches das kleine Kompakt-System einnimmt, und einer Höhe von 6 cm. In der Breite hat es also nur etwa ein Drittel des HiFi-Garde-Maßes, so bleibt viel Platz drumherum für andere Dinge des Lebens. Sehr praktisch also auf dem Schreibtisch oder dem Beistelltisch.
Der dazugehörige „eigentliche“ Kopfhörerverstärker CH-Amp hat mit 3 cm exakt die halbe Höhe seines Netzteils und wiegt rund 550 gr. Seine physischen Eckdaten decken sich damit genau mit denen des Bluetooth DACs TRADUTTO. Stellt man die Komponenten übereinander, macht das System als Türmchen in seinem seidenmatten Schwarz eine tolle Figur. Zu den mathematisch recht konsequent dimensionierten Gehäusen, die auf den Vielfachen von drei basieren (3 / 6 / 15), dazu die Verdopplung der Gehäusehöhen und ein quadratischer Grundriss, passt die sehr stringente und geradlinige Gestaltung der Gehäuse. Zusammen mit der Höhe der Füße (dreimal ca. 1 cm), ergibt sich eine Höhe der Front von circa 15 cm, was das Türmchen zu einem Kubus von 15 cm³ macht.
Auch der Anschluss geht einfach von der Hand und ist recht schnell erklärt. Zuerst einmal in meinem Setup. Das schwere Netzteil steht also unten. Im Gegensatz zu den beiden vierfüßigen Kollegen hat es drei Absorber-Füße und steht somit absolut wackelfrei wie dereinst ein BMW Isetta Kabinenroller – wodurch das Türmchen über die Diagonale leicht zum Kippeln neigt. PSU steht für Power Supply Unit. Diese hat am Heck die Standard-Kaltgerätebuchse für Netzkabel. Der hart schaltende Kippschalter hierzu befindet sich an der Gerätefront. Der eigentliche Clou: Neben der Buchse, die den CH-Amp in einem Kabel mit 2x 12 Volt versorgt, gibt es drei weitere 12 Volt Buchsen am Heck, die den System-Gedanken bedienen. So schließe ich mit den mitgelieferten Kabeln nicht nur den CH-Amp, sondern direkt auch den TRADUTTO an. Das dem DAC beigelegte Stecker-Netzteil kann somit im Karton bleiben.
Um den TRADUTTO ins Spiel zu bringen bietet er am Heck drei digitale Kabel-Eingänge an: Je einen optischen (TOSLINK), einen RCA und einen USB-B. Eine Besonderheit des DAC ist die drahtlose Konnektivität per Bluetooth. So kann dem TRADUTTO, indem er die Player-Funktionalität von Smart-Geräten oder Notebooks nutzt, auch leicht das Tor zur weiten Welt aufgestoßen werden. Die Antenne liegt dem Gerät bei und ist schnell angeschraubt. Weiter auf dem Signalweg verbinde ich den TRADUTTO DAC und den CH-Amp analog mit einem Cinch-Kabel. Neben dem asymmetrischen Ausgang hat der Digital/Analog-Wandler auch eine symmetrische Analog-Buchse, die dem Aufbau der Geräte folgend eigentlich die konsequentere ist. EarMen könnte dem CH-Amp eigentlich ein entsprechendes Kabel beilegen, da das Format doch nicht so gängig im HiFi-Haushalt ist.
Eine symmetrische Buchse findet sich auch als Eingang am CH-Amp, der noch zwei gängigere asymmetrische Cinch-Eingänge bereit hält. Als Vorstufe geht es aus dem Kopfhörerverstärker auf der Rückseite mit einem Cinch-Ausgang auch wieder heraus. Die Nutzung der symmetrischen Ein- und Ausgänge für die Earmen-Geräte ergeben auch noch eine interessante praktische Möglichkeit: Das spielt am TRADUTTO DAC die Möglichkeit frei, neben dem Kopfhörerverstärker den ungeregelten Cinch-Ausgang mit einer Vorstufe zu verbinden. Diese Rolle kann in meinem Fall, je nach Anwendung, der SPL Director mk2.2 (im Test hatten wir den mk2) oder der SPL Phonitor x einnehmen. Der lautstärkegeregelte Cinch-Ausgang des CH-Amp kann unabhängig davon belegt werden. In meinem Hörzimmer treibt der CH-Amp dann als Vorstufe direkt die Stereo-Endstufe Cambridge Audio Edge W an. Für den Anschluss der Protagonisten, also der Kopfhörer, zieren die Front eine asymmetrische 6,3 mm sowie eine symmetrische 4 mm Buchse. In diesem Test übernimmt diese Rolle der ULTRASONE Edition 15. Das Ein- und Ausstecken des Kopfhörers schaltet übrigens zwischen der PRE und KHV-Funktion um. Ist der KHV aktiv, lässt sich auch der Gain zwischen High und Low umschalten.
Den beiden Geräten liegt jeweils eine baugleiche Fernbedienung bei, die im Doppelpack natürlich redundant ist. Diese steuert beim TRADUTTO die Funktion der Quellenwahl inklusive Bluetooth sowie Power On/Off, beim CH-Amp die Quelle, die Lautstärke, Mute und ebenfalls Power On/Off. Besonderheit: sie haben einen integrierten Akku, der über eine USB-C Buchse geladen wird.
Beide Geräte haben ein Display, das Auskunft über die wichtigsten Informationen gibt. Beim TRADUTTO ist das die eingestellte Verbindungsart, die am Gerät über zwei Tasten durchgeclickt wird. Desweiteren gibt es einen Power-Taster sowie einen Bluetooth-Taster für das Pairing. Der CH-Amp gibt in kleinen Lettern Auskunft über den ausgewählten Eingang (L1, L2, BAL) und die eingestellte Lautstärke sowie ein Stereo-Pegelbalken, der die Aktivität auf dem rechten und linken Kanal anzeigt. Diese Funktionen werden über drei Tasten an der Front kontrolliert. Ein Dreh/Drück-Knopf dient als Power- und Mute-Drücker sowie Lautstärkeregler. Der Gain-Taster schaltet für Kopfhörer zwischen Hi und Low um. Ausgestattet mit diesem Wissen und der erfolgreichen Verkablung kann es für mich mit etwas Musik und im Text mit der Technik weiter gehen.
Technik DAC mit Bluetooth EarMen TRADUTTO
Im EarMen TRADUTTO ist ein ESS Sabre ES9038Q2M Digital/Analog-Wandler-Chip verbaut. Er verarbeitet PCM-Signale bis 32bit/768kHz oder DSD-Signale bis DSD512, die er per optischem (TOSLINK), RCA- oder USB-Eingang via Kabel in Empfang nimmt. Als Microcontroller zwischengeschaltet ist der bekannte XMOS 16-Core chip (XU216), der auch als Hardware-Decodierer für MQA fungiert mit folgenden Formaten: OFS (MQB/MQA Core, Verarbeitung bereits dekodierter Daten), MQA (im TRADUTTO originalgetreu dekodierte Daten) sowie MQA Studio (wie MQA mit der Verifikation des Künstlers/Rechteinhabers). Das preisgekrönte MQA-Format (Master Quality Authenticated) ist eine Britische Technologie, die den Sound des originalen Masterrecordings transportiert und datenseitig aber schlank genug ist für Streaming oder Download. Mehr Infos findet ihr hier: mqa.co.uk
Für den berührungslosen Kontakt kommt ein hochwertiger integrierter Qualcomm HD Bluetooth 5.1 Chip zum Einsatz. Er ist vom Typ BlueTooth QCC5124 und damit Teil der QCC5100 Low Power Bluetooth Audio SoC Serie, die auf zuverlässige und qualitativ hochwertige Übertragung in kleinen Geräten mit geringem – Akku-Laufzeit verbesserndem – Stromverbrauch ausgelegt ist. Dabei verwendet der Chip die speziellen Technologien Qualcomm® aptX™ audio, aptX HD und Qualcomm aptX Adaptive sowie AAC und SBC. Als Taktgeber wird eine hochwertige Clock mit minimalem Jitter eingesetzt.
Die gesamte Schaltung des TRADUTTO wurde auf die Verwendung geringer Ströme optimiert und die Filterung zu verbessern. Ziel ist es dabei, die Interferenzen von Wi-Fi-, Mobilfunk- und Bluetooth- Signalen zu minimieren. Das Mainboard (PCB) ist Gold beschichtet und soll einen widerstandsarmen Kontakt ermöglichen. Gleichzeitig hat es eine glatte Oberfläche. Die digitale und analoge Abteilung des DAC wird dabei getrennt mit Strom versorgt. EarMen verwendet WIMA Kondensatoren um niedrige THD zu gewährleisten, ebenso wie durch Audio Elektrolyte in Kombination mit rauscharmen MELF Widerständen und SoundPlus OPA1642 Operationsverstärkern. Der TRADUTTO arbeitet konsequent symmetrisch, das heißt, dass die Signale der symmetrischen Ausgänge nur verstärkt und nicht zusammengesetzt sind.
All das bringt EarMen in einem massiven, aus dem Vollen gefrästen Gehäuse zusammen, welches das PCB Mainboard nicht nur mechanisch sondern auch elektronisch vor äußeren Einflüssen schützt. Den Strom nimmt der TRADUTTO über eine 12V-Buchse in Empfang, die entweder vom beigelegten Steckernetzteil gespeist wird oder – wie in unserem Fall – vom System-Netzteil PSU3 des CH-Amp
Technische Daten DAC mit Bluetooth EarMen TRADUTTO
- Eingänge:
Bluetooth 5.1 (AAC,SBC, aptx, aptx HD, aptx LL )
USB, TOS Link S/PDIF optical, COAX S/PDIF - Ausgänge:
RCA output Impedance = 300Ω
Balanced 4.4mm output Impedanz = 600Ω - Audio Formate:
PCM bis 768 kHz
DSD DoP64, DoP128, DoP256, native DSD512
DXD bis 768 kHz
MQA OFS (MQA Rendering), MQA, MQA Studio
Bluetooth/SPDIF 44.1kHz – 192kHz - Maße (BxHxT); 150x30x150 mm
Gewicht: 550 g
Farbe: mattschwarz - Zubehör: Netzteil, BT-Antenne, Fernbedienung
Technik Kopfhörerverstärker EarMen CH-Amp
Wie bereits eingangs beschrieben – und eigentlich ist es ja auch recht offensichtlich – besteht der Kopfhörerverstärker CH-Amp aus zwei Abteilungen in separaten Gehäusen: der eigentliche KHV CH-Amp und das Netzteil psu3.
Der Verstärker ist in sogenannter Composite Amplifier Topology aufgebaut. Der Composite Operationsverstärker soll die Vorteile der jeweiligen Wechselstrom- und Gleichstrom-Charakteristika miteinander verbinden. Leistungsverstärker nutzen üblicherweise eine thermische Feedbackschleife mit dem Problem großer Ladungsmengen und Fehlern bei der Selbst-Erwärmung. Zudem bieten Composite Verstärker einen besseren Gleichstrom Offset am Ausgang. Der Überschuss der auf die Ausgangstransistoren gelegten Last beeinflusst die Offset-Spannung nicht.
Wie auch der TRADUTTO verwendet der CH-Amp WIMA Kondensatoren und Audio Electrolytes in Kombination mit rauscharmen MELF Widerständen und SoundPlus OPA1642 Operationsverstärkern. Zielsetzung ist ein günstiges Signal/Rausch-Verhältnis, THD, ein exzellenter Frequenzgang und genug Leistung auch für hohe Lasten.
EarMen CH-Amp hat einen Vorstufen-Ausgang je in symmetrischer (Klinkenbuchse) und asymmetrischer Cinch-Ausführung für Endstufen oder Aktivlautsprecher. Auch ein Gain-Umschalter ist am Start, um die Regelcharakteristik des Pegels sowie die Impedanz an unterschiedliche Kopfhörer-Lasten anpassen zu können.
Der EarMen CH-Amp ist ein vollständig symmetrisch ausgeführter Kopfhörerverstärker. Von der Quelle bis zum Ausgang könnte auf dem symmetrischen Signalpfad nur eine Verstärkung stattfinden. Asymmetrische Eingangssignale werden sofort ohne Phasenshift symmetriert und so weiter verarbeitet.
Die PSU3 ist ein lineares, rauscharmes Netzteil, das speziell auf die Geräte von EarMen abgestimmt ist. Weiterhin ist ein Schutz gegen Überspannung, Kurzschluss und Überhitzung integriert. Das Netzteil hat vier Anschlüsse, die die komplette Mini-HiFi-Anlage bestehend aus EarMen TRADUTTO DAC and EarMen STACCATO Streamer/Player und eben dem CH-Amp mit Strom versorgen kann.
Das aus dem Vollen gefräste Aluminium Gehäuse von CH-AMP und PSU3 sorgt, wie beim TRADUTTO, für mechanische Festigkeit, aber auch elektromagnetische Abschirmung der Elektronikkomponenten. Wo TRADUTTO und CH-Amp auf vier dämpfenden Füßen ruhen, tut dies das schwere Netzteil PSU3 – das wahrscheinlich immer unten stehen wird – wackelfrei auf drei Füßen.
Technische Daten Kopfhörerverstärker EarMen CH-Amp
- Eingänge: 2x RCA (Stereo), 1x Balanced 4.4 mm (Stereo)
- Ausgänge: unbalanced 6,35mm Klinke, balanced: 4,4 mm Klinke
- Vorverstärker-Ausgang: 1x RCA (Stereo), 1x Balanced 4.4 mm (Stereo)
- Maße KHV (BxHxT): 150x30x150 mm
Gewicht KHV: 550 g - Maße PSU (BxHxT): 150x60x150 mm
Gewicht PSU: 1590 g - Asymmetrischer Ausgang (Single Ended / SE)
Output Level (SE Input/BAL Input): 7Vrms / 11Vrms
Max. Leistung (SE Input/BAL Input): 1,5 W / 3,8 W
THD+N (SE Input/BAL Input): 0.0008% / 0.0005%
SNR (SE Input/BAL Input): >116dB / >118dB
Frequenzgang (SE Input/BAL Input): ±0.005dB / ±0.005dB - Symmetrischer Ausgang (Balanced)
Output Level (SE Input/BAL Input): 7Vrms / 11Vrms
Max. Leistung (SE Input/BAL Input): 1,5 W / 3,8 W
THD+N (SE Input/BAL Input): 0.0008% / 0.0007%
SNR (SE Input/BAL Input): >118B >119dB
Frequenzgang (SE Input/BAL Input): ±0.005dB / ±0.005dB - Leistung
SE 6.35mm (Gain High / Low): 7V (1.5W / 32Ω) / 2.9V (260mW / 32Ω)
Balanced 4.4mm (Gain High / Low): 11V (3.8W / 32Ω) / 5.5 V (1W / 32Ω) - Pre Out / Vorverstärkerausgang
Output Level (Balanced output / Single-end Output): 8V / 4V
Output Impedance (Balanced output / Single-end Output): 200Ω / 100Ω
Klang
Bei der Betrachtung des Klanges vom Digital/Analog-Wandler EarMen TRADUTTO und des EarMen CH-Amp muss man sich vor Augen führen, dass wir es hier – trotz des sehr kompakten Formates – mit zwei ausgewachsenen HiFi-Komponenten zu tun haben, die einzeln erworben und auch einzeln betrieben werden können. Den besonderen Reiz bietet natürlich das EarMen-System, das sich ausgesprochen schick und stimmig auf dem HiFi-Rack, Schreibtisch oder sonstigem Möbel macht. So habe ich mich entschlossen, einen Quercheck jeweils des TRADUTTO mit anderen DACs und des CH-Amp mit anderen Kopfhörerverstärkern zu machen.
Um einen Eindruck zu bekommen hörte ich also quer Beet durch Musik, die ich recht gut kenne und die unterschiedlichen Charakter hat. Dazu gehört unter anderem Sohns „Veto“, Tokunbos „Golden Days“ und „Pictures at an exhibition“ interpretiert vom Pianisten Evgeny Kissin. Dabei erschien mir unter dem Strich die Symbiose aus den beiden EarMen als sehr schlüssig und gut abgestimmt. Also so, wie man es von einem System erwartet. Der TRADUTTO für sich hat dabei bereits einen sehr offenen und impulsiven Eindruck gemacht. Wenn ich aus dem Fenster blicke und den Schnee sehe, der aktuell die Landschaft bedeckt, würde ich den Sound mit dem Frühling vergleichen. Irgendwie locker, luftig. Was man nicht mit belanglos verwechseln darf! Unbeschwert wäre der passendere Vergleich. Er löst fein auf und liefert alle Details. Ich habe das Timbre dabei als eher neutral empfunden. Definitiv dickt der TRADUTTO nicht auf und legt keine Kuscheldecke über die Musik.
Genau dazu passt dann der CH-Amp, der den klanglichen Charakter aufgreift und praktisch „nur“ verstärkt. Liefern Quellen an, die sehr stark auf musikalischen Fluss und/oder Wärme getrimmt sind, so ist das vernehmbar. Der CH-Amp lässt sich dabei aber nicht komplett verbiegen. Auch er hat einen Charakter, der in Richtung offen, impulsiv und neutral geht. Eine Eigenschaft, die der CH-Amp auch in seiner Funktion als Vorstufe behält, wofür er sich der Preisklasse angemessen auch für die analoge Beschickung eines Aktiv-Lautsprechers oder einer Endstufe empfiehlt. Ich entschließe mich, meinen abschließenden klanglichen Eindruck mit dem EarMen-Duo zu beschreiben.
Eher zufällig bin ich beim Schreiben auf auf Jimmy Somervilles The singles collection gestoßen – eigentlich zum nebenbei hören. Das dynamische Duo hat das Album aber mit soviel Schwung dargeboten, dass es eine Freude war, den Aufnahmen aus den späten 80er, frühen 90er Jahren beizuwohnen. Die Kombi marschierte nur so durch das Album mit den damaligen – nur damaligen ?! – Ohrwürmern „Smalltownboy“, „Don’t leave me this way“, „Never can say goodby“ und „Why“ – um nur einige zu nennen. Kein bisschen Staub auf den Aufnahmen, taufrisch wie vor 30 Jahren. Die Kombination aus Dynamik und Lässigkeit der EarMen kommt der Wiedergabe sehr zu Gute, da sie die spielerische Hektik der Musik aufnimmt, sich dabei aber nicht aus der Ruhe bringen lässt. Auch die Falsett-Stimme von Jimmy Somerville ordnet sich angenehm in die Musik ein. Sie zeigt Ihren einzigartigen Charakter ohne aber das Gehör unnötig zu strapazieren oder zu sehr ins – ich bitte um Verzeihung – Gejaule zu kippen.
Wo ich schon einmal im alten Jahrtausend unterwegs bin noch ein kleiner Ausflug zu Michael Jackson, der auf seinem Album Bad einige musikalische Perlen hinterlassen hat. Mit „Smooth criminal“ setzt sich der Eindruck fort, den ich bereits zuvor gewonnen hatte. Der Song präsentiert sich zackig, nicht aufgedickt, eher schlank mit passendem Tempo. Schön ist der Räumliche Eindruck zu Beginn, wie sich die Effekte in und um den Kopf aufbauen, ehe sie von dem „hackenden“ Sound abgelöst werden, der durch die Story des „Smooth Criminal“ treibt. Beeindruckend „Man in the mirror“, der in fast schon intimer Klarheit die Stimme von Michael Jackson zwischen die Ohren projiziert. I’m starting with the man in the mirror … if you want to make the world a better place, take a look at yourself and make a change. Kann eine Botschaft aktueller sein? Nun gut, eigentlich ist sie allgemeingültig, aber man denkt zu selten drüber nach. Viel nachzudenken, viel los in dem Song mit der Solo-Stimme, den Chören, den Instrumenten und Synthie-Sounds, was ich aber alles gut sortiert und eben wieder mit ruhiger Hand dargeboten bekomme. Und wenn ich schon einmal dabei bin darf „The way you make me feel“ nicht fehlen. Ein absoluter Anspieltip des Albums, der nicht fehlen darf. The way you make me feel you really turn me on. Fast schon eine Umschreibung für die Darbietung der EarMen.
Spaß macht Cyndi Laupers „True Colors“, das sehr offen aufspielt und gleich mit dem Akzent, den der satte Klang der Trommel liefert, startet. Gefolgt von dem entrückten der Amerikanerin, die sich nicht lange bitten läßt und Schärfe in ihre Stimme bringt. Auch hier ein schöner Raum, den das Duo zeichnet, bei dem ich als Hörer ganz nah dabei bin, bei dem mir aber die EarMen den letzten Hauch Intimität verwehren. Der Preis der Neutralität, der eine kleine Distanz läßt – die mich aber nicht hindert, mich in dem Song zu verlieren. Um eine andere Frauenstimme zu hören wechsel ich die Quelle und verbinde mich mit Bluetooth mit dem TRADUTTO. An der Fernbedienung wähle ich als Quelle BT und mit der Bluetooth-Taste leite ich das Pairing ein. Am Telefon noch den DAC auswählen, fertig. Von der Couch aus, wie praktisch. Wilhelmine spielt für mich bei Amazon Music „Solange Du Dich bewegst“. Ein Kontrast zum sinnschweren „True Colors“. Jugendlich und mit Drive. All das kommt sehr locker und frisch rüber. Stimme und Gitarren fein gezeichnet auf solider rhythmischer Basis.
Zum Abschluss noch John Williams mit den Berliner Philharmonikern und etwas moderne Klassik. Amazon Music zeigt in der App Dolby Atmos an. Bei dieser Aufnahme öffnet sich der Raum nochmal deutlich. Ein wenig habe ich das Gefühl, dass der Raum in der die Musik stattfindet gewachsen ist. Dem großen Orchester angemessen. Die Klangsphäre um meinen Kopf ist gewachsen. Gleichzeitig fordert das Orchester mit seinen Streichern und Bläsern meine Aufmerksamkeit und erzeugt mit den Tutti eine ungeheure Präsenz. Beginnend mit der „Olympischen Fanfare“ gefolgt von „Excerpts“ aus der Unheimlichen Begegnung der dritten Art. Auf der einen Seite die nervenaufreibende Dramatik, die die Musiker erzeugen. Im Gegensatz dazu die kleinen Nebengeräusche der Akteure in den leisen Passagen. Der EarMen TRADUTTO und der CH-Amp machen das ganz unaufgeregt und ohne sich mit unnötigen Effekten dem Hörer aufzudrängen. John Williams hat ja Musik für stundenlanges Kino komponiert, der man mit den beiden noch gerne entspannt zuhören mag.
Fazit
Den EarMen TRADUTTO Digital/Analog-Wandler mit Bluetooth-Konnektivität und den Kopfhörerverstärker mit Vorstufenfunktion CH-Amp ob ihrer durchdachten Erscheinung als untrennbare Kompaktanlage zu verstehen ist sicherlich zu kurz gesprungen. Der TRADUTTO für rund 800 Euro leistet als DAC mit Bluetooth-Konnektivität allein für sich schon mit seinem aufgeräumten, transparenten Sound sowie mit schöner Dynamik ganze Arbeit und muss mit Sicherheit keinen Vergleich scheuen.
Der CH-Amp um 1.500 Euro haut klanglich in die gleiche Kerbe und stellt als Kopfhörerverstärker mit separatem Netzteil einen hervorragenden Antrieb für symmetrisch und asymmetrisch verbundene Kopfhörer dar. Beide vertragen sich gut mit Spielpartnern aus anderem Haus. Gemeinsam liefern sie aber als System den Beweis ab, das eins und eins mehr als zwei sein kann. Die Charakteristik von Zuspieler und Verstärker rastet sauber ineinander ein und erzeugt ein stimmiges Klangbild. Es spricht an, drängt sich aber nicht auf. So ermöglicht es lange Musiksessions ohne zu ermüden und fordert trotzdem die Aufmerksamkeit des Hörers ein. Die klangliche Symbiose in Verbindung mit der gemeinsamen Nutzung des Netzteils sowie der Fernbedienung und die preisgekrönten Erscheinung fordern aber fast, dem TRADUTTO und dem CH-Amp als Mini Champ Duo ein gemeinsames Zuhause zu geben. Mit dem STACCATO können es ja später noch Drillinge werden…
Im Test
Digital/Analog-Wandler mit Bluetooth-Konnektivität
EarMen TRADUTTO
Preis: um 800 Euro
Kopfhörerverstärker mit separatem Netzteil (versorgt auch TRADUTTO & Co.)
EarMen CH-Amp
Preis: um 1.500 Euro
Kontakt
EarMen
Chicago, IL 60601
United States
Web: EarMen Europa
Mail: EarMen Sales Mail
Mitspieler im Test
Digitale Quellen – LUMIN U1 mini, NuPrime Stream 9, MERASON DAC-1, Musikserver Innuos ZENith Mk3
Plattenspieler / Phonovorstufe – Rega P8 mit Excalibur Platinum, Vertere TechnoMat, Rega Aria Mk3
Verstärker – SPL Phonitor x mit DAC768, SPL Director Mk2.2, Cambridge Audio Edge W Endstufe, Makroaudio littleBIG Power Mono-Endstufen
Lautsprecher – Dutch&Dutch 8c, Diapason Adamantes V
Kopfhörer – ULTRASONE Edition 15
Signalkabel – WSS Platin-Line KS-20 XLR, WSS Premium-Line KS-200 XLR, Boaacoustic Evolution BLACK.rca
Lautsprecherkabel – Boaacoustic Mercury, Melodika MDSC4030, Kabelbrücke Melodika MDSC1501
Digitalkabel – Boaacoustic USB-Kabel Silver Digital Xeno, Netzwerkkabel Wireworld Starlight 8, Boaacoustic SIGNAL.lanCat.6A
Netzkabel – Netzkabel Supra LoRad 2.5, bfly bPower
Zubehör – Netzleiste SUPRA Cables LoRad MD07 DC 16 EU SP MKIII, SBooster BOTW P&P Netzteil, NuPrime AC-4 Power Conditioner, NuPrime Omnia SW-8 HiFi Netzwerk-Switch, Innuos PHOENIX USB-Reclocker, MUTEC MC3+ USB
Fotos: F. Visarius