Bei Phonar nennt man die Standlautsprecher Veritas p9.2 NEXT für 5.000 Euro das Paar„die kleine Referenz“, weil sie gewissermaßen die kleine Ausgabe des Topmodells p10.2 NEXT sind. Und klar, ich hatte mich im Vorfeld schon eingehend mit der „Kleinen“ beschäftigt, fleißig Datenblätter sowie Spezifikationen gewälzt. Als ich aber dann eines schönen Tages nichtsahnend nach Hause kam, versperrte mir eine Palette den Weg zu meiner eigenen Haustüre, die so groß und schwer war, dass ich buchstäblich darüber klettern musste, um der p9.2 NEXT und mir selber Einlass zu gewähren.
Eine halbe Stunde später standen die beiden in schwarz gekleideten Schönheiten dann aber auch schon an ihrem Platz und warteten auf die Verkabelung. Jetzt fiel mir erst richtig auf, dass die „Kleinen“ so klein zwar gar nicht sind (im Übrigen sind sie auch nicht unbedingt leicht, die Dinger wiegen pro Stück alleine ganz schlecht „schleppbare“ 34 kg), sie aber aufgrund ihrer sehr elegant geratenen, schlanken Form als auch ihrer stark angefasten Kanten an allen Ecken der Vorderseite optisch kaum auffallen. So etwas ist natürlich ein schlauer Schachzug der Mannen aus Tarp, einem Dorf in Norddeutschland, weil zumeist die Frau des Hauses (sogar falls diese aus Süddeutschland kommen sollte) in solch einem Fall schon einmal ein Argument weniger gegen einen etwaigen Kauf hat – der „Wife Acceptance Factor“ liegt im Falle der p9.2 NEXT arg hoch.
Netterweise hatte man mir (sozusagen als Sonderausstattung) zusätzlich zu den normalen „Standsockeln“ passende Ausleger aus Metall (inklusive der Spikes) sowie ein paar Kabelbrücken des renommierten Herstellers WireWorld dazugelegt. Die Ausleger sind meiner Meinung nach ein unabdingbares Zubehör. Sie lassen die ohnehin fast grazil wirkenden Veritas p9.2 NEXT noch eleganter wirken, weil die Lautsprecher optisch ein kleines Stück über dem Parkett „schweben“. Viel wichtiger aus audiophiler Sicht ist jedoch, dass die beiden Phonars dann keinen direkten Bodenkontakt mehr haben, was (und ich komme später darauf zurück) der Präzision im Bass gut tut – und klar, durch die „erweiterte Standfläche“ wegen der Ausleger gewinnt auch die Standfestigkeit, zumal über die Spikes auch gröbere Unebenheiten des Untergrundes gut ausgeglichen werden können.
Standlautsprecher Phonar Veritas p9.2 NEXT – Optik und Technik
Die Phonar Veritas p9.2 NEXT protzt mit viel Membranfläche, wir zählen 5 Treiber pro Box – das dient der gleichmäßigen Anregung des Hörraumes durch den Schall. Angeordnet sind Bässe, Mitteltöner und der Hochtöner nach dem sogenannten D`Appolito-Prinzip (benannt nach Joseph D`Appolito, einem italo-amerikanischen Akustiker). Was ist das eigentlich genau? Das D`Appolito-Prinzip ist so etwas wie das perfekte Sandwich in der Welt der Lautsprecher. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen leckeren Hochtöner (den Patty) und den packen Sie zwischen zwei saftige Mitteltöner (die Salsa) und außenrum nochmal eingerahmt von schönen, dicken Tieftönern (die Brothälften). Was ergibt das? Einen akustischen Burger, der nicht nur gut aussieht, sondern auch richtig gut klingt. Warum das Ganze? Joseph D`Appolito hatte die geniale Idee, dass Lautsprecher besser arbeiten, wenn sie schön symmetrisch angeordnet sind. Dadurch streut der Schall mehr in die Breite (also Richtung Couch) und weniger nach oben oder unten (also Richtung Nachbarn, die sich sonst beschweren könnten). Gleichzeitig sorgt die Sandwich-Anordnung dafür, dass der Sound so knackig und klar bleibt, als würde die Band mitten im Wohnzimmer spielen – nur ohne die schiefen Töne.
Hier noch einmal die etwas „wissenschaftlichere“ Herangehensweise dazu, kurz und knapp: Bei einer solchen Anordnung der Treiber wird der Schall stärker in der Horizontalen und weniger in die Vertikale abgestrahlt. So werden Reflexionen von Boden und Decke reduziert. Zudem verhält sich der Lautsprecher mehr als in einer normalen wie auch klassischen Anordnung (Hochtöner oben, Mitteltöner in der Mitte und der Bass unten) wie eine einzige Schallquelle (quasi wie ein Koaxialchassis) was die Phase und die zeitliche Abstimmung zwischen den Chassis verbessert. Von diesem alten, aber immer noch genialen „Taschenspielertrick“ profitiert die Phonar Veritas p9.2 NEXT enorm. Denn aufgrund ihrer doch nicht unbeträchtlichen Gesamtmembranfläche und ihrer Bassreflexöffnungen auf der Rückseite (derer zwei, einer oben und einer unten) müsste sie eigentlich bei geringem Abstand zur Rückwand eine gewisse Dröhnneigung entwickeln. Tut sie aber nicht. Stattdessen zieht sie ihr Programm im Bass eisern und trocken, dennoch schön ausgefüttert durch.
Die Trennfrequenzen liegen bei 280 Hertz, ab 2.700 Hertz übernimmt dann letztlich der Hochtöner. Schweift der Blick auf die Rückseite, kann auch diese entzücken: die Lautsprecheranschlüsse in Bi-Wiring sind edler Abstammung, die beiden Bassreflex-Ports sind erstklassig eingepasst, da wackelt nichts und „Luft“ hat es auch keine. Der cleane Look der Veritas p.9.2 NEXT wird noch durch die etwas nach hinten geneigte Position verstärkt – und hier ist es egal, ob man den serienmäßigen Sockel oder auch die Metallausleger montiert. Mitgeliefert werden je zwei Schaumstoff-Pfropfen zum Verschließen der Bassreflexrohre. Ich habe während des gesamten Testzeitraumes, der sich über mehrere Wochen erstreckte, einiges an Varianten ausprobiert und bin immer wieder auf das Setup „ohne“ gekommen, eben weil die p9.2 NEXT keinerlei Dröhnneigung – trotz aller Wucht im Bass – zeigt. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass es „ohne“ gleichfalls einen Tick räumlicher klingt; eventuell liegt das an einer Art rudimentärem „Dipol-Effekt“, den man auf diese Art und Weise hat.
Verstärkertechnisch verlangt die Phonar Veritas p9.2 NEXT nach nichts Exotischem oder gar Unmöglichem. Im Gegenteil, mit ihrem Wirkungsgrad von 88 Dezibel und einem zivilisierten Impedanzverlauf läuft dieser Standlautsprecher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch mit 30 bis 40 Röhrenwatt sehr gut, was ich leider nicht ausprobieren konnte, denn mir standen „nur“ mein eigener Vollverstärker Circle Labs Audio A 200 (Test) als auch die Vor-/Endstufenkombination Vincent SA-32/SP-332 (Test) zur Verfügung. Auch nicht zu verachten…
Standlautsprecher Phonar Veritas p9.2 NEXT – technische Daten
- Wirkungsgrad 88 dB (1 W/1m)
- Belastbarkeit 180 / 250 W
- Übertragungsbereich 24 – 27000 Hz
- Trennfrequenzen 280 und 2700 Hz
- Nennimpedanz 4 Ohm
- Hochtöner Kalotte, 27 mm
- Tief-Mitteltöner 2 x 100 mm
- Bass 2 x 160 mm
- Abmessungen: H x B x T 110 x 20,5 x 30 cm
- Gewicht 34 kg
- Anordnung der Treiber nach dem D´Appolito – Prinzip, Bassreflex
- Erhältlich in den Farben Schwarz (matt und hochglanz), Weiß (matt und hochglanz), Walnuss, zudem auf Wunsch alle gängigen RAL-Farbtöne
Standlautsprecher Phonar Veritas p9.2 NEXT – Der Klang
Nach einer gewissen Einspielphase, die man im Übrigen jedem Lautsprecher gönnen sollte, wird die Phonar Veritas p9.2 NEXT zu einem motivierten, sportlich-zivilisierten Wiedergabekünstler, dringt auf direktem Wege zum Kern der Sache, dem Tonträger vor und bringt diesen akustisch zum Funkeln. Vorausgesetzt natürlich, dieser gibt es auch her. Weichspülertum darf man von der „kleinen“, großen Phonar nicht erwarten. Eine schwache Produktion wird immer schwach, eine herausragende immer herausragend klingen, unabhängig vom musikalischen Genre – das untrügliche Kennzeichen hervorragend abgestimmter, echter „highendiger“ Lautsprecher. Richtig gefüttert, fasziniert die Phonar mit mühelos-dynamischer Lockerheit ohne ernsthaftes Limit sowie knochentrockener Substanz und „Phonar-typischer“ Neutralität.
Dank dieser humorlosen Festigkeit und betonhartem Fundament wirkt sie knackig, frisch und mit genau dem richtigen Maß an Opulenz gesegnet, denn der Tiefbass wird ohne Fettpolster, aber doch schön substanziell und rhythmisch bestens integriert-durchgezeichnet gereicht. Räume und Bühnen werden – hält man einen gewissen Hörabstand (der aber bei einem solch großen Lautsprecher selbstredend sein sollte) von circa 2,5 bis 3 Meter ein – ausufernd-präzise dargestellt. Dabei erstaunt immer wieder die vorzügliche Tiefenstaffelung, die sogar eine etwas breitere Basisaufstellung als üblich erlaubt, die Bühne zerfällt dann nämlich eben nicht in das typische links/rechts/Mittenloch – Konstrukt, sondern dehnt sich schön verlustfrei und lustvoll aus.
Bei aller Neutralität, die die Phonar zu bieten hat, sticht aber doch ihr Mitteltonbereich heraus. Denn er ist nicht einfach nur klar und sehr gut durchgezeichnet. Nein, er ist in der Lage, dem jeweiligen Interpreten einen virtuellen „Körper“ zu verleihen, sodass man gerade bei Stimmen und akustischen Instrumenten das Gefühl hat (vor allem Abends, wenn es ansonsten dunkel im Hörraum ist), es stünde tatsächlich jemand im Wohnzimmer und singt.
Versuchen Sie einmal „un aeroplano a vela“ von Gianmaria Testa (CD: “il valzer di un giorno”): Gianmaria steht felsenfest einen halben Meter mittig vor den Phonar Veritas p9.2 NEXT (die rumstehen, als wären sie an dieser Sache gar nicht beteiligt), seine rauchige, markante Stimme schallt in den Raum als wolle sie ein Exempel statuieren, die Gitarre plingt und plongt so authentisch, dass man aufgrund der ganzen Details, die unvermittelt aus dem Nichts auftauchen, schlichtweg erschrickt. Schon gespenstisch, wenn Gianmarias Kollege kurz vor Schluss dann noch mal, absichtlich den Rhythmus brechend, mit der Hand an den Gitarrenkörper klopft – das hört sich einfach „Gänsehaut-echt“ an und zeugt davon, dass die Phonar Veritas p9.2 NEXT meisterlich und von kundiger, erfahrener Hand abgestimmt wurde.
„Just an Illusion“ von Imagination klingt, als hätte eine Discokugel beschlossen, sich aus dem Nichts zu materialisieren und loszulegen. Die Bassline groovt so hypnotisch, dass die Füße praktisch von selber tanzen, während die Synthesizer wie glitzernde Sternenstaubwellen durch den Raum schweben. Die Phonar Veritas p9.2 NEXT erzeugt genau diese „Illusion“ – da bleibt bei mir kein Auge trocken. Dazu schwebt Leee (ja, der schreibt sich wirklich mit drei „e“) Johns falsettartige Stimme über allem und gibt dem Song seine ätherische, fast mystische Stimmung – echter 80er-Jahre-Zauber eben.
Hammer, wie die Bässe beschleunigt über den Teppich flitzen, kurz vorm Hörsessel donnernd explodieren, um dann sofort wieder von neuem zu starten…eine solche Stimmung, ein solches Erlebnis kann letztlich nur ein Lautsprecher bieten, der gleichzeitig neutral abgestimmt ist – über alle Frequenzen hinweg gleichberechtigt – als auch ein gewisses Quantum „Spaß“ in die Frequenzweiche implantiert bekommen hat. Und genau so ist das mit der Phonar Veritas 9.2. NEXT. Sie agiert wie ein gut gestimmtes Musikinstrument, weil sie nicht einfach nur reproduziert, sondern das gefühlvoll und „mit Herz“ macht. Feierabend machen? Nein, weiterhören!
Zur Abwechslung und nur mal um zu sehen, ob die Phonar Veritas p9.2 NEXT auch mit kreischenden E-Gitarren und fetten Bässen zurechtkommt war ich mir nicht zu schade, auch mal in den „Grunge-Giftschrank“ zu greifen: „Downswing“ von Superheaven (LP: „Ours is Chrome“) kommt klanglich, seien wir mal ehrlich, „unhörbar“ daher. Räumlichkeit? Nein. Tiefenstaffelung? Ach, was, braucht keiner. Gesang schön ausfinissiert? Schreien geht auch. Die Phonar lässt das an sich abperlen und macht daraus das Beste, was möglich ist. Sie lässt die Gitarren kreischen, dass es in den Ohren wehtut, ansonsten lässt sie es ohne angezogene Handbremse krachen. Klasse!
Etwas klassisches wollte ich der Phonar Veritas p9.2 NEXT aber zum Schluss nicht vorenthalten, einfach will ich ahnte, dass sie in dynamischer Hinsicht noch nicht ganz gefordert worden war. Um so etwas mal zum letzten Millimeter auszutesten, sei „Rossini Overtures“ (die ich im Übrigen als LP mein Eigen nennen darf), gespielt vom London Symphony Orchestra und meisterlich dirigiert von Pierino Gamba, empfohlen. Die Lautstärkeunterschiede zwischen „ganz leise“ und „ganz laut“ sind gefühlt unendlich. Gleich der Opener „Die diebische Elster“, die Ouvertüre aus der gleichnamigen Oper semiseria von Gioacchino Rossini haut einem die ganze Pracht, Macht und Herrlichkeit der klassischen Musik um die Ohren.
Melodisch und zum Träumen leise steigert sich das Stück an bestimmten Stellen zum ohrenbetäubenden Tutti – und hier ist mit „ohrenbetäubend“ lediglich die Lautstärke gemeint. Da zerfällt nichts, die Instrumente bleiben auch unter kolossalem Schalldruck an Ort und Stelle, man hat nie den Eindruck, dass sich die Phonar dafür in irgendeiner Form quälen müsste. Natürlich hatte sie dazu auch verstärkerseitig gute Unterstützung – ich habe die meiste Zeit tatsächlich mit der Vor/-Endstufenkombination von Vincent gehört, die ich noch vom Test derselben zu Hause hatte. Ich bin aber überzeugt, dass die Phonar Vertias p9.2 NEXT durchaus auch „schwächere“ Verstärkung toleriert ohne ihrerseits an Qualität zu verlieren. Jedoch sollten die Quellen als auch der Verstärker klanglich hochwertig sein – sonst verschenkt man einfach das riesige Potential der Phonar. Und das wäre am Ende doch sehr schade!
Standlautsprecher Phonar Veritas p9.2 NEXT – Fazit
Die Phonar Veritas p9.2 NEXT ist ein Standlautsprecher, der mit klanglicher Präzision und natürlicher Ausgewogenheit überzeugt – eine wahre „Stimme der Vernunft“ in der audiophilen Welt. Hier gibt’s keine künstlichen Effekte oder überzogene Showeinlagen – stattdessen überzeugt sie mit Klarheit, Detailreichtum, einer kraftvollen sowie kontrollierten Basswiedergabe und der richtigen Prise „Magie“ im wichtigen Mitteltonbereich. Sie spielt Musik so, wie sie sein soll: authentisch und mit Gefühl. Für Hörer, die Wert auf einen ehrlichen Klang legen, der sich langfristig bewährt, ist die Veritas p9.2 NEXT eine durchdachte als auch logische Entscheidung; rational und dennoch mit Leidenschaft. High-End-HiFi muss eben nicht immer übertrieben pompös sein, um zu begeistern.
Im Test
High End Standlautsprecher mit Bassreflex und D´Appolito-Anordnung
Phonar Veritas p9.2 NEXT
Paarpreis: 5.000 Euro
Farben: Schwarz (matt und hochglanz), Weiß (matt und hochglanz)
Weitere RAL-Lackierungen nach Wunsch
Furnier: Walnuss
Größe: 20,5*30,0*110 cm (b*t*h)
Gewicht: 34 kg / Stück
Garantie: 5 Jahre
Vertrieb
Firma Phonar Akustik GmbH
Industriestrasse 8-10
24963 Tarp
Tel.: +49 4638 8924-0
Mail: info@phonar.de
Web: www.phonar.de
Mitspieler im Test
Quellen digital – Netzwerkspieler Olive Audio 4HD, CD-Spieler AMR CD-777, Streamer WIIM Pro
Quellen analog – Plattenspieler Dr. Feickert Audio Blackbird mit Tonabnehmer Ortofon Cadenza Red, Ortofon SPU Classic GE MKII, EMT HSD006, Phono MM- & MC Verstärker Cyrus Signature Phono (mit PSX-R), Übertrager von Phasemation
Verstärker – Vollverstärker Circle Labs A 200, Vor- und Endverstärker Vincent SA-32 / SP-332
Lautsprecher – Standlautsprecher Sonus Faber Olympica 2, Paradigm Founder 80f
Zubehör – Kabel von Horn Audiophiles, A23, HMS, Isotek, Boaacoustic, Tellurium Q