Test: Russell K. Red 120 – Wohnraumfreundlicher Standlautsprecher für kleine Räume

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So mancher unserer Leser dürfte es kennen vor dieser Problematik zu stehen und überlegen: So ein Standlautsprecher daheim anstelle eines Kompakten, hm, das wäre schon etwas Feines. Da hört sich die Musik vor allem untenrum doch kompletter an als über einen Regallautsprecher. Doch oft sind diese dann recht groß und könnten im kleinen Wohnzimmer im Bass dann doch zu fett sein. Und vor allem eines: Wie bringe ich diesen, meinen schon so lange gehegten Wunsch der besten aller Ehefrauen bei, ohne dass es ihr und auch mir Kopfschmerzen bereitet…? Ah, da gibt es doch was von Russell K.! Die schönen, kleinen, wohnraumfreundlichen und schlanken Standlautsprecher namens Red 120 für 5.700 Euro. Da muss ich doch mal reinhören…


Russell K. Red 120 –  Technik

Bereits beim ersten Blick auf die Russell K. Red 120 liegt der Verdacht nahe, dass die kleinen Standlautsprecher vor mir aus Großbritannien stammen könnten. Okay, logisch weiß ich das, sollte ich ja wohl auch wissen… Doch auch wer sich in den letzten Jahren nicht so oft mit HiFi beschäftigt hat, sondern, ich sage mal so in den vergangenen 70ern, wird die Designsprache schnell erkennen. Es erinnert doch schon ein wenig an die BBC-Lautsprecher wie KEF, Rogers, Spendor oder auch Harbeth. Doch wer steckt eigentlich hinter Russell K.? Die Lösung findet sich dann auch schnell, der komplette Name des Lautsprecherentwicklers und Hersteller ist Russell Kauffman. Bevor er seine eigene Firma gründete, arbeitete er unter anderem bei Bowers & Wilkins und beim Chassishersteller Morel, Erfahrung war also da.

Doch zurück zum oben geäußerten Verdacht. Entsprechend den Vorstellungen der BBC-Lautsprecher ist auch Russell K. kein Freund massiver Lautsprecher. Daher besitzen die Red 120 eine Frontplatte aus MDF mit einer Stärke von 19 mm, und die Seitenwände sind 16 mm stark, obenauf gibt es dann ein Echtholzfurnier in verschiedenen Ausführungen. Diese Wandstärken sollen den Lautsprechern erlauben, bei den Musiksignalen mitzuschwingen mit der Hoffnung, dass auf diese Art und Weise beispielsweise Instrumente in der Wiedergabe mehr Korpus bekommen. Wobei ich beim Handauflegen auf den Red 120 in der Tat Vibrationen des Lautsprechergehäuses feststellen konnte, allerdings keine riesengroßen. Diese erwarte ich aber auch nicht, wenn ein Lautsprechergehäuse Kantenlängen von rund 20 cm aufweist.

Frequenzweiche mit wenigen Bauteilen in der Russell K. 120.

Was ich dagegen wirklich interessant finde: Russell K. bedämpft seine Lautsprecher im Gegensatz zum BBC-Gedanken nicht. Von Wolle oder sonstigen anderen Dämmmaterialien hält er definitiv nichts, da diese seiner Meinung nach die Signale nur unnötig bremsen und daher dem Musiksignal Schwung und Dynamik entwenden. Kontrolle gibt es dennoch in den Red 120: Unterhalb eines jeden Treibers – also dem Hochtöner, dem Tiefmitteltöner und dem Tieftöner – befinden sich quer im Lautsprechergehäuse aussteifende Holzplatten, mit denen ungewünschte, klangschädigende stehende Wellen reduziert werden sollen. Interessanterweise sind die Aussteifungen jedoch gelöchert. Technisch gesehen sind diese Bohrungen akustische Fließwiderstande. Tiefe Frequenzen können diese Löcher passieren, somit steht ihnen das komplette Lautsprechergehäuse zur Verfügung; hohe Frequenzen jedoch sollen sich in diesen totlaufen.

Beim Einblick in die Russell K. 120 fällt mir auch die geringe Anzahl an Bauteilen der Frequenzweiche auf. So dezent wie diese aufgebaut ist, haben bei einem Lautsprecher die Chassis gut zu tun, da ihnen mit einer Minimal-Weiche auch Frequenzen anvertraut werden, die ihnen von Natur aus nicht unbedingt liegen. Der Vorteil jedoch ist der, dass so ein Lautsprecher gut am Gas hängt, so die Theorie, und nicht durch viele Bauteile in seiner Dynamik gebremst wird. Steil aufgebaut sind die Frequenzweichen bei Russell K. also nicht, daher setzt der Entwickler lieber auf hochqualitative Treiber und trennt Hoch- und Mittelton mit 12 dB je Oktave bei 2.200 Hz. Der dann ganz unten angeordnete Tieftöner läuft bis 80 Hz hoch und klinkt sich mit 6 dB aus.

Russell K. Red 120 –  Technische Daten

  • Konzept: 2,5 Wege Standlautsprecher mit Bassreflex
  • Gehäuse: komplett unbedämpft
  • Hochtöner: 25 mm Kalotte
  • Tiefmittelton: 125 mm
  • Tiefton: 125 mm
  • Trennfrequenzen: 2.200 Hz, 80 Hz
  • Frequenzgang laut Hersteller: 25 Hz – 22 kHz
  • Impedanz: 8 Ohm
  • Empfindlichkeit: 86 dB
  • Größe: 20,0*19,0*91,0 cm (b*t*h)
  • Gewicht: 14,4 kg
  • Ausführungen: Walnuss / schwarz, Eiche hell / weiß, Eiche schwarz / schwarz (Korpus / Front)

Russell K. Red 120 –  Klang

Peter Kraus: Idole.Mit zärtlich gespielten Pianoklängen beginnt „Schieß mich doch zum Mond“ von Peter Kraus aus dessen Album Idole. Dem Ein- und Ausschwingen der Saiten folgen die Russel K. 120 mit einem angenehmen Perlen, welches sie fein darstellen. Ebenfalls im Spiel dabei sind Glanzlichter, die sie dem Klavierspiel mit auf den Weg geben, glücklicherweise nicht überspitzt, sondern auch über längere Zeit angenehm zu hören. „Schieß mich doch zum Mond“ ertönt dann aus dem Mund des scheinbar ewig jungen Sängers, zumindest hört sich dessen Stimme für mich genau so an, obwohl er die 80 mittlerweile gut überschritten hat. Gut verortbar für mich steht er genau zwischen den beiden kleinen Standlautsprechern umgeben vom begleitenden Orchester.

Hm, wie beschreibe ich diesen Musikstil? Am nächsten komme ich dem Titel „How Many Times“ der  nigerianischen Sängerin „Ayo.“ wohl mit einer Mischung aus Fado und Chanson nahe. Wunderbar sparsam arrangiert ist das Lied, getragen von der tragischen Melodie, in die mich die Russel K. 120 tief eintauchen lassen. Entgegen der üblichen Auffassung vom mittenbetonten englischen Klang, sind diese in besagtem Bereich eher neutral und gut durchhörbar abgestimmt. Und so genieße ich die ausdrucksvolle Stimme der Sängerin und wie diese ihre Gefühle intoniert. Unterstützt wird dies noch durch ein wundervoll gespieltes Akkordeon, in dessen Melancholie ich so richtig schön versinken kann. Wenn dann noch die gelegentlich dezent gespielte Hammond-Orgel im Hintergrund dazu kommt, gibt es für mich nur eins: Die Repeat-Taste drücken…

Albumcover "Der perfekte Moment" von Max RaabeRuhig und nicht mehr so wehmütig singt Max Raabe „Steht das Glück vor der Tür, lass ich dich rein… deswegen kommst du mir gelegen“. Seine nostalgische Stimme – so ein weicher Bariton ist echt was Schönes – höre ich losgelöst von den Russel K. 120, auch das leicht angeschlagene Ping Pong des Xylophons schwingt frei und zärtlich gespielt vor mir in seiner Luftigkeit. Passend dazu gliedert sich eine Akustikgitarre ein, schön, wie ich ihren hölzernen Korpus erhören kann. Ja, bei diesem auf nostalgisch gemachten Lied komme ich wieder in Schwung.

Cover-Sohn-TremorsGenug der Spielerei und Verwöhnerei, mal schauen, was die kleinen Standlautsprecher so drauf haben und vertragen. Bei Sohns „Veto“ vom Album Tremors steht die Stimme der Sängerin klar und sauber vor mir. Okay, das kenne ich ja mittlerweile von den Russell K. 120. Doch für mich ist sie etwas zu niedrig angeordnet. Nun, dass ist auch kein Wunder bei einem Lautsprecher mit einer „Größe“ von 91 cm. Doch für was gibt es denn so etwas wie die höhenverstellbaren Spikes? Also die hinteren um vier, und die seitlichen um zwei Umdrehungen abgesenkt. Na also, geht doch. Tut dann nicht nur der Stimme gut, die nun da ist wo sie hingehört, also höher vor mir steht, sondern logischerweise dem gesamten Geschehen vor mir. Und daher wabern die elektronisch erzeugten Effekte umso glaubwürdiger. Authentisch ist dabei auch die Breite der Darstellung, die ein wenig über die Russell K. Red 120 hinausgeht. Überraschenderweise für mich sehr glaubwürdig auch die kräftigen Bässe, vor allem, wenn man sich die „Dimensionen“ der 120er anschaut, die treiben die beiden Lautsprecherlein gekonnt durch meine 20 qm. Besonders gut übrigens in Partnerschaft mit dem Atoll SDA 200 Signature, und dies nicht nur im Bass, sondern im gesamten Klangspektrum.

Kari Bremnes: Det Hi Var.Zum Abschluss des Tests gebe ich den kleinen Engländerinnen mit Kari Bremnes „Kanskje“ vom Album Det Vi Har noch einen ordentlichen Elektro-Pop auf die Mütze. Und ich muss sagen, die doch recht zierlichen 125 mm Treiber schlagen sich mehr als wacker. Was hier geboten wird – insbesondere hinsichtlich der kleinen Gehäuse – finde ich schon beachtlich. Im Bass geht es ordentlich und kräftig runter, okay, nicht in die letzte Oktave unbedingt, wo soll das auch herkommen, aber das verlange ich auch nicht. Dabei empfinde ich es als sehr angenehm, dass sich die Russell K. 120 eine ungebührliche Aufdickung im Oberbass verkneifen. Und so genieße ich den reizvollen Kontrast zwischen glockenklarer Stimme und dem rollenden Bass.


Russell K. Red 120 –  Fazit

Ein kleiner, wohnraumfreundlicher und zierlicher Standlautsprecher ist gewünscht? Nun, da kann der interessierte Hörer bei den Russell K. Red 120, die in gehobener Preisklasse antreten, fündig werden. Die räumliche Darstellung geht kurz über die Lautsprecher hinaus und staffelt ordentlich in der Tiefe, Stimmen wie auch Instrumente lassen sich ihrer Position gut zuordnen. Im Mittel-Hochtonbereich spielen sie mit einer angenehmen Feinzeichnung ohne unangenehm und spitz zu werden. Entsprechend ihrer zierlichen Statur spielen die Russell K. Red 120 untenrum etwas schlanker auf und machen nicht ungebührlich auf dicke Hose. Im Gegenteil, der Bass ist sauber strukturiert und geht erstaunlich weit runter. Damit schaffen diese Standlautsprecher zwar keine Discolautstärke, doch mit einem kräftigem Verstärker als Spielpartner bilden sie für Räume um die 15 – 25 m² ein feines Team.


Im Test

Schlanke Standlautsprecher
Russell K. Red 120
Größe: 20,0*19,0*91,0 cm (b*t*h)
Gewicht: 14,4 kg
Ausführungen: Walnuss / schwarz, Eiche hell / weiß, Eiche schwarz / schwarz (Korpus / Front)
Paarpreis: ab 5.700 €


Vertrieb

TAD-Audiovertrieb GmbH
Rosenheimer Straße 33
83229 Aschau

Tel.:  +49 8052 – 9 57 32 73
Mail: hifi@tad-audiovertrieb.de
Web: www.tad-audiovertrieb.de


Mitspieler im Test

Quellen digital – Netzwerkspieler Atoll ST 300 Signature, CD-Spieler Cambridge Audio 851C, CD-Spieler Atoll CD 200 Signature, Musikserver Innuos ZEN MK.III
Quellen analog – Plattenspieler Rega Planar 6 mit MC-Tonabnehmer TAD Excalibur Black, Sonoro Platinum mit Ortofon 2M Red, Phono MM- & MC Verstärker Trigon Vanguard III
Verstärker – Vollverstärker Rega Aethos, Streaming-Verstärker Atoll SDA 200 Signature, Streaming-Verstärker Loewe multi.room amp
Lautsprecher – Standlautsprecher LUA Con Espressione, Subwoofer REL R 505, Standlautsprecher quadral SIGNUM 70, Breitbandlautsprecher Closer Acoustics OGY mit OGYs Bass
Kopfhörer – Offener Kopfhörer Focal Clear, Kopfhörerverstärker Divaldi AMP-02 mit Phono MM- & MC Stufe
Zubehör – Lautsprecherkabel: Supra XL Annorum. XLR- und Cinchkabel Fadel Art Pro Link, in-akustik LS-804 AIR DIY, in-akustik Referenz LS-204 XL Micro AIR. Stromkabel Supra LoRad 2.5, Netzleiste PS Audio Dectet, Powergrip YG-1 Netzfilter, HiFi-Switch NuPrime Omnia SW-8, LAN-Kabel Supra Cat8 & Wireworld Starlight

About Author

Aufgewachsen in der Blütezeit des HiFi mit Telefunken Allegretto TS 2020 nebst einem Dual 1228 mit Reibradantrieb und Wechsler. Damals habe ich die Technik des Duals bestaunt. Heute denke ich mit Grauen daran, wie die Schallplatten aufeinandergefallen sind...

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