Der HiFi-Hersteller Rega ist ja gemeinhin bekannt für fair kalkulierte Plattenspieler mit hervorragendem Klang. Weniger bekannt sind die Engländer dagegen für hochwertige Verstärker. Mit dem Test des Vollverstärkers Rega Aethos wollen die HiFi-IFAs diese Wissenslücke schließen. Der Hersteller verspricht dem Hörer High End Klang für rund 4.000 Euro. Wir sind gespannt…
Rega Athos – Technik
Der Mann vom Paketdienst hatte am Rega Aethos bereits schwer zu tragen. Und auch meine Wenigkeit war ein wenig verwundert, dass ein Karton mit der Aufschrift „Rega“ so schwer sein kann. Und so kam ich ein wenig ins Schwitzen, bis ich die 17,5 kg des Vollverstärker oben im dritten Stock hatte. Kamen zu dem Gewicht des Aethos auch noch die 32 Grad im Schatten des Sommer 2020 dazu. Wenn ich das vorher gewusst hätte, dass der schlanke Amp gegenüber seinen Plattenspieler-Geschwistern so schwer ist. Im Gegensatz zu den Plattenspielern von Roy Gandy, die doch physische Leichtgewichte sind.
Also raus aus dem Karton mit dem neuen Aethos. Schick anzusehen ist er ja, in seinem optisch eher schlichten und unauffälligen massiven Gehäuse. Schlichte Eleganz wie auch britisches Understatement beschreibt das Design wohl am Besten. Das Display des Vollverstärker ist gegenüber der Gerätefront leicht nach hinten versetzt, sodass der sämig laufende Lautstärkeregler nicht hervorsteht. Hinter diesem verbirgt sich im Aethos ein klassisches Alps-Poti mit Motor zur Fernbedienung. Das Alps steuert allerdings nicht direkt die Lautstärke, sondern diskret aufgebaute Operationsverstärker, die dann die eigentliche Regelung übernehmen. Kleiner Wermutstropfen: Der Lautstärkeregler reagiert im unteren Bereich sehr empfindlich und dreht – insbesondere bei Benutzung der Fernbedienung – schnell auf. Dies ist eine Eigenheit, die heutzutage leider viele Verstärker haben.
Links am Displayrand befindet sich der sauber rastende, harte Netzschalter des Rega. Optisch ist er so gut in das Verstärkergehäuse integriert, dass ich ihn zu Beginn kaum gefunden habe. Im Display selber folgt dann als erstes ein Druckschalter für einen klassischen Tape-Eingang. Im Anschluss an diesen folgt ein ebenso klassischer Mute-Schalter. Toll, dass es so etwas noch gibt, kann man ihn doch kurz drücken und so ans Telefon gehen, ohne dass man die gewohnte Stellung des Lautstärkereglers ändern muss.
Weiter geht es dann mit einem einzelnen Drucktaster. Mit ihm werden die fünf Eingänge des Aethos der Reihe nach durchgeschaltet. Auf diesen Taster folgt eine 6,3 mm Klinken-Buchse für den integrierten Kopfhörerverstärker. Zentral in der Mitte des Displays wird dann in dezenter roter Leuchtschrift der gewählte Eingang angezeigt. Was natürlich auch nicht fehlen darf, ist der im Betrieb rot leuchtende „Rega“ Schriftzug.
Wer nun einen Vollverstärker mit integriertem D/A-Wandler oder Bluetooth sucht, der wird beim Rega Aethos nicht fündig. Auch eine Phonostufe gibt es nicht im Verstärker, doch derer haben die Engländer ja einige im Programm. Wie zum Beispiel die optisch wunderbar passende Aura Reference MC, die allerdings noch einen Tausender mehr als der Aethos selber kostet. Deutlich günstiger geht es allerdings auch mit der Rega Aria Mk III 2020 MM/MC für 1.200 Euro.
Auf der Rückseite des Vollverstärkers finden sich dann ganz klassisch der Netzeingang, ein Paar stabile Lautsprecheranschlüsse sowie die ganze Phalanx vergoldeter Ein- und Ausgänge in Cinch-Ausführung. Mit XLR haben die Engländer zu meinem Bedauern leider nichts am Hut, was auch am knappen Platzangebot im Heck zu tun haben könnte. Für denjenigen, dem die Power des Aethos wider Erwarten nicht reichen sollte, gibt es – etwas britisch spleenig – einen ungeregelten Vorverstärkerausgang. Wer gerne mal einen Film sieht und ihn über die heimische Anlage hören möchte, dem stellt sich der Rega nicht in den Weg, lässt er sich doch auch per „Direct“ Eingang in eine Surround-Anlage einschleifen.
Im Inneren des Aethos lassen sich die Engländer nicht lumpen. Irgendwo muss das stattliche Gewicht des Verstärkers ja schließlich herkommen. Nach dem Öffnen des Aethos taucht ein strammer Ringkerntrafo auf, dem die Elkos in nichts nachstehen. Auch die Kühlkörper links und rechts am Gehäuse des Vollverstärkers sind sehr massiv gebaut. Dies ist auch vonnöten, da die beiden Paare Darlington Ausgangstransistoren von Sanken ihnen kräftig einheizen.
Etwas kühler geht es dann eingangsseitig mit der Treiberstufe zu. Hier hat Rega sich das aufwändige und kostspielige Vergnügen einer diskreten Schaltung gegönnt. Diese beinhaltet unter anderem Polypropylen-Kondensatoren sowie FET-Transistoren, welche es nicht gerade für ein paar Cent beim Händler um die Ecke gibt. Dazu kommt dann dann noch eine geregelte Stromversorgung.
Ein paar technische Daten
- Ausgangsleistung: 125 Watt an 8 Ohm, 156 Watt an 6 Ohm
- Kopfhörerausgang: 2,7 V -12,5 V je nach Last / 110 Ohm
- Tape Ausgang: 220mV / 560 Ohm
- Line Ausgang: 840mV / 100 Ohm
- Eingangsempfindlichkeit Line Eingang 1….5 und Record 220 mV / 17kOhm
- Maximale Eingangspegel: 11,5 V (Vollaussteuerung des Rec-out)
- Eingangsempfindlichkeit Direct Eingang: 840mV / 50kOhm
- Verstärkung Endstufe: 32 dB
- Frequenzgang bei 100W an 8 Ohm:
– Line Eingang 10Hz/-(0,8dB)….30kHz(-0,5dB)
– Direct Eingang 10Hz/-(0,8dB)….50kHz(-0,5dB) - Abmessungen: 434*350*112 mm (Breite * Tiefe * Höhe)
- Gewicht : 17,5 kg
Rega Athos – Klang
Die Sängerin Helen Schneider ist vielen Hörern eher als Rockröhre aus den 80ern bekannt und weniger als hervorragende Interpretin von Musicals und Balladen, wie zum Beispiel auf ihrem Album „MOVIN‘ ON“. Eher sparsam instrumentiert sind die ersten Lieder, wodurch ihre eh schon sehr ausdrucksvolle Stimme noch mehr zum Tragen kommt.
Dieses leicht rauchige Organ haucht mir ihre einzelnen Laute in die Ohren. Wie Helen in ihrem Song „Haze On“ über das Leben sinniert und sie aus den Widrigkeiten kommt, das nimmt mich schon sehr mit. Was wohl auch mit am Aethos liegt, ist er doch in der Lage diese Gefühle sehr feinsinnig und glaubwürdig an die Lautsprecher weiterzuleiten. Wie die Sängerin nach den Tiefs ihres Lebens wieder Freude am Selbigen bekommt, diese Emotionen lassen sich mit dem Rega wunderbar nachfühlen. Dies liegt mit an der wunderbaren Sprachverständlichkeit des Amps, die es dem Hörer ermöglicht, die Texte einfacher nachzuverfolgen. Begleitet wird Helen Schneider dabei von harmonischen Akkorden der Gitarre sowie einem zärtlich gespielten Kontrabass, bei denen man geradezu die Fingerkuppen der Instrumentalisten sehen kann.
Wie festgenagelt steht die Stimme der Sängerin Margo Timmins bei „Mining For Gold“ von den Cowboy Junkies vor mir. Gebannt bin ich von dieser einzelnen Stimme, ohne jegliche Begleitung außer dem großzügigen Nachhall in der Kirche. Ein Traum. Schade, dass dieses Lied so kurz ist. Ewig könnte ich so hören.
Weiter geht es auf dem Album „Trinity Revisited“ mit „Misguided Angel“, diesmal mit musikalischer Begleitung. Obwohl auf der Bühne jetzt doch einiges mehr los ist, bleibt die Stimme der Sängerin stabil und klar zentriert vor mir stehen. Der Raum zwischen den Lautsprechern ist nun breitbandig durch die Instrumente gefüllt. Bei geschlossenen Augen ist die Illusion der Bühne vor mir schlicht und einfach perfekt. Natalie Chermants Stimme erscheint leicht links von Margo, rechterhand von ihr höre ich das perlige Spiel des Banjo und noch etwas weiter rechts eine Akustikgitarre. Es ist schon eine Show, wie der Vollverstärker das Geschehen vor mir aufbaut und sortiert.
Eigentlich ist es ja schon eine HiFi-Narretei allergrößter Sorte: Erst eine LP auf CD zu digitalisieren, sie anschließend wieder zu rippen, dann über einen Netzwerkplayer wieder zu analogisieren, um sie dann über einen klassischen Vollverstärker verstärken zu können. Aber was soll ich sagen, machen die Kollegen von der stereoplay doch einen klasse Job mit ihren LP-Digitalisierungen. Ihre Reihe „Vinyl Classics“ ist ihnen aus meiner Sicht vorzüglich gelungen. Meine Lieblingstitel auf Vol. 2 sind unter anderem „Losing Hand“ mit Harry Belafonte sowie „Nobody Knows The Trouble“ mit Louis Armstrong.
Dezent spielt linker Hand das Klavier. „I gambled…“ setzt Harry an. Und ich bin begeistert, wie klar verständlich und sauber er vor mir singt. Es ist schon ein Traum zu hören, wie es vor mir bluest und swingt. Ich kann nicht anders, und begleite Belafonte vor mich hin summend. Gut, dass ich gerade alleine bin und das niemand mitbekommt, habe ich doch die besondere Fähigkeit, gleichzeitig mehrstimmig singen zu können… Toll, wie naturgetreu eine Trompete von links dazu kommt. Begleitet wird diese von einem zunächst dezent knartzenden Saxophon, welches dann nach und nach immer weiter aufdreht. Auch auf der rechten Seite ist was geboten: Dort wird das Szenario von den prägnant angerissenen Saiten einer E-Gitarre begleitet.
Seidenweich setzt der Männerchor bei „Nobody Knows The Trouble“ ein, bevor Louis dann mit seinem kratzenden Organ einsetzt. Die teilweise recht scharfen S-Laute seiner Stimme sind gut vernehmbar, ohne dass sie jedoch das empfindliche Ohr des Hörers ärgern. Dem Rega Aethos gelingt hier ein wirklich wundervoller Kompromiss. Vielleicht liegt das ja auch an dem Damenchor, der Satchmo sirenenartig begleitet und bezirtzt, und Letzteres definitiv auch mich. Ebenso scheint die Wirkung der Damen auch auf die Herren überzugehen, die sehr willig mit in den Chor einstimmen. Auch die gelegentlich sehr nahe Mikrofonierung der Stimme ist bestens zu hören, wenn Louis Armstrong das Mikro fast zu verschlingen scheint. Bevor er dann zu seinem fantastischen Trompetenspiel ansetzt, mit dem er ja zu Recht berühmt geworden ist. Wenn sich das damals in den 60er live so angehört hat, wie jetzt hier bei mir daheim, kann ich die große Fangemeinde sehr gut nachvollziehen. Ach, wie gerne wäre ich dabei gewesen.
Nachdem der Rega Aethos seine Feinfühligkeit bei ruhigen Aufnahmen hervorragend unter Beweis gestellt hat, kann ich euch einen unserer Referenz-Klassiker nicht ersparen. Was in diesem Fall schlicht und einfach daran liegt, dass Falk Visarius, Stefan Schickedanz und ich mal wieder ein Männerwochenende bei mir eingelegt haben. Unter anderem auch deshalb, weil Falk und ich uns bezüglich unserer Bewertungen und Einstufungen abgleichen wollten. Stefan war ein willkommener Gast in der Runde.
Das Vibraphon bei „Jazz Variants“ von The O Zone Percussion Group gefällt uns durch seine tollen vielfältigen und fein abgestuften Klangfarben. Und der Rega Aethos weiß das bestens umzusetzen. Wie zärtlich die Klöppel die einzelnen Plättchen anschlagen. „Ping“… so sind die einzelnen Klöppel nacheinander zu hören, inklusive ihrem zärtlichen, feinen Ausschwingen. Die ganze Musik wird immer flotter und ereignisreicher. Wahnsinn das Tempo auf dem Vibraphon, wie der Musiker das hinbekommt. Auch der Schlagzeuger weiß mit seinen Arbeitsgeräten bestens umzugehen. Der Besen glänzt mit farbiger Strahlkraft und streicht fein aus.
In den ganz ruhigen Stellen, die es auf diesem Stück auch gibt, kann man bisweilen das Brummen von Verstärkern hören, so man auf über Zimmerlautstärke aufdreht. Also gebe ich ordentlich Gas, das muss bei diesem Stück definitiv auch sein! Doch der Rega Aethos verhält sich mucksmäuschenstill wie ein britischer Gentleman. Im Gegensatz dazu die Band jedoch nicht. Auf einmal knallt und fetzt es wieder los, die Paukenschläge sind so herrlich massiv und dennoch sowas von knochentrocken. Diese Bassschläge bei „Jazz Variants“ können so manchen Verstärker in die Knie zwingen, den Rega jedoch nicht! Wie gnadenlos der Aethos meine Standlautsprecher in die Zange nimmt und ihnen sagt, wer hier der Herr im Hause ist, das ist absolutes High End. Das ist auch die Meinung von Falk und Stefan. Beide behaupten, selten so gut gehört zu haben. Und dem schließe ich mich definitiv an.
Rega Aethos – Fazit
Der High End Vollverstärker Rega Aethos nimmt den Hörer mit auf eine große klangliche Reise. Vom Grundcharakter her ist er neutral abgestimmt und bildet Stimmen wie auch Instrumente messerscharf ab. Und dennoch weiß der Aethos den Hörer wunderbar mit Emotionen zu verwöhnen. Auch elektrisch anspruchsvolle Lautsprecher hat der Verstärker bestens im Griff, sein knochentrockener Punch gehört in die Königsklasse. Der Rega Aethos ist ein Allrounder im besten Sinne und ein klanglich mitreißender Verstärker, den man bedenkenlos seinem besten Freund empfiehlt.
Im Test
High End Vollverstärker
Rega Aethos
Preis: Um 4.000 Euro
Farbe: Schwarz
Vertrieb
TAD-Audiovertrieb GmbH
Rosenheimer Straße 33
83229 Aschau
Tel.: +49 8052 – 9 57 32 73
Mail: hifi@tad-audiovertrieb.de
Web: www.tad-audiovertrieb.de
Mitspieler im Test
Quellen digital – Netzwerkspieler Cambridge Audio 851N, CD-Spieler Cambridge Audio 851C, Musikserver Innuos ZEN MK.III
Quellen analog – Plattenspieler Rega Planar 6 mit MM-Tonabnehmer TAD Excalibur Black, Phono MM- & MC Verstärker Trigon Vanguard III, Dual CS 800 & Ortofon 2M Red
Verstärker – Vorverstärker Cambridge Audio 851E, Endverstärker Cambridge Audio 851W
Lautsprecher – Standlautsprecher LUA Con Espressione, Subwoofer REL R 505, Standlautsprecher Acoustic Energy AE509
Kopfhörer – Offener Kopfhörer Focal Clear, Kopfhörerverstärker Divaldi AMP-02 mit Phono MM- & MC Stufe
Zubehör – Lautsprecherkabel Supra XL Annorum. XLR- und Cinchkabel Fadel Art Pro Link, Stromkabel Supra LoRad 2.5, Netzleiste PS Audio Dectet, HiFi-Switch NuPrime Omnia SW-8