Test: Yamaha-YH-L700A Over-Ear Bluetooth Kopfhörer mit ANC – Talentierter Reisebegleiter

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Test-Yamaha-YH-L700

Der Markenname Yamaha war für mich immer der Inbegriff für HiFi- und Heimkino-Geräte, Konzertflügel und Motorräder. Das Bild vom Unternehmen ist in meiner Weltsicht natürlich nicht umfassend umrissen, denn die Marke Yamaha teilen sich die Yamaha Corporation und die Yamaha Motor Company, die 2007 zu einem eigenen Konzern wurde. Beide teilen sich die drei Stimmgabeln im Firmenlogo, die so seit 1916 zu sehen sind. Die Yamaha Corporation ist der Konzern, der sich der Musik verschrieben hat. Nicht nur, denn es sind unter anderem auch Sportgeräte wie Tennis- und Golfschläger im Programm – aber im Wesentlichen. Die Firma startete 1887 mit seinem Gründer und Namensgeber Torakusu Yamaha mit der Herstellung eines Harmoniums und hat (Stand 2018) über 20.000 Mitarbeiter bei einem Umsatz von 3 Milliarden Euro. Genauso wie Manufakturen ihre Liebe zur Musik Leben, so darf man wohl ebenfalls konstatieren, dass es Yamaha in größerem Maßstab Ernst nimmt, wenn es um feinen Klang geht.

Interessanterweise liefert bei Internet-Suchmaschinen der Suchstring „Kopfhörer“ keinen Yamaha-Treffer auf der ersten Seite. Das deckt sich mit meiner Wahrnehmung, da der Bezug Yamaha und Kopfhörer eher ungewohnt ist. Spannend ist aber nun, dass ich mit dem Yamaha YH-L700A ein Produkt in den Händen halte, in das moderne Technologie-Standards wie Bluetooth und Active Noise Cancelling eingeflossen sind. Dazu gehören aber auch Spezialitäten des Herstellers aus der über 130 jährigen Firmengeschichte wie Soundfield-Technologien aufgrund der intensiven Beschäftigung mit Heimkino-Effekten sowie Safe Listening zum Schutz des Gehörs. Und all das noch mit Zugriff über eine App. Unser Test beleuchtet, was der drahtlose Kopfhörer Yamaha YH-L700A zu bieten hat – außer bei Bedarf verkabelt werden zu können 😉


Annäherung

Yamaha-YH-L700-SetDie eigentliche Kopfhörer-Box befindet sich in einer Umverpackung aus Pappe. Wenn man einmal weiß, wie man die Box zu packen hat, lässt sich diese leicht herausziehen und aufklappen. Finde ich immer wichtig, denn als neuer Besitzer möchte man ja nicht gleich zum Einstieg ungeschickt das schicke Beiwerk zerstören. In der Box liegt der Kopfhörer in einer passenden Hardcase Tasche, in der auch das Zubehör enthalten ist, ebenso wie ein „One-Pager“ auf dem das Wichtigste zur Inbetriebnahme erläutert ist.

Yamaha-YH-L700-Tasche-Adapter-Kabel

Die Tasche ist der Form des geschickt gefalteten und gedrehten Kopfhörers auf den Leib geschnitten. Ein Trennsteg deutet an wo die Ohrmuscheln gebettet werden sollen und schützt sie vor dem Aneinanderreiben. Bei der Entnahme finde ich schnell heraus wie der Kopfhörer in seine Betriebsposition zu klappen ist, beim Zurücklegen musste ich zugegebenermaßen kurz überlegen, was zu tun ist. Das Zubehör findet sich in einem Fach im Deckel der Tasche, die auch eine gewisse Druckfestigkeit zum Schutz ausstrahlt. Ein USB-A auf USB-C Ladekabel überrascht nicht, das beigelegte 3,5 mm Klinken-Kabel und ein Flugzeug-Adapter lassen jedoch schon beim Auspacken eine technische Besonderheit des YH-L-700A erahnen: Yamaha hat nicht etwa das Bluetooth-Kabel erfunden (was den findigen Japaner natürlich zuzutrauen wäre), sondern der Kopfhörer kann so – auch im Flieger – analog mit Musik versorgt werden.

Ein Blick in die Bedienungsanleitung klärt auf: Neben dem kabellosen Bluetooth ist ein Kabel gespeister Betrieb mit Unterstützung der elektronischen Features des YH-L700A oder aber rein passiv, wie beim „klassischen“ Kopfhörer, möglich. Vielflieger freuen sich dann über den Adapter zum Flugzeug, der das Abhören des Bord-Entertainments bei gleichzeitigen Nutzung der aktiven Geräuschunterdrückung (ANC) ermöglicht. Macht auf einem Langstreckenflug der Akku wider Erwarten schlapp, geht’s trotzdem mit der Unterhaltung weiter, aber dann nur mit der passiven Kapselung der Over-Ears.

Ich lade den YAMAHA YH-L700A allerdings erst einmal über eine Steckdosenleiste mit USB-Anschluss auf bevor ich das Experimentieren anfange. Als erstes soll er sich im Bluetooth-Betrieb beweisen. Der Hersteller hat dem Set kein eigenes USB-Netzteil beigelegt. Das ich das sehr vernünftig finde, hatte ich ja in anderen Reviews bereits mehrfach erwähnt. Dies scheint sich bei den Herstellern von Unterhaltungselektronik durchzusetzen. Nach weniger als vier Stunden ist ein komplett geleerter Akku wieder zu 100% geladen.

Yamaha-YH-L700-Ohrmuscheln

Alle wichtigen Funktionen lassen sich über Tasten an den Hörmuscheln steuern und sind nach kurzer Eingewöhnung intuitiv gut zu finden. Auf der rechten Seite befinden sich als Kunststofftasten Power (lang drücken), 3D Sound (Lang: On/Off, dann kurz zum Durchschalten der Programme) und auf der Kunstlederfläche: „+“ , „-“ ( kurz gedrückt = Lautstärke, 2sec. Titelsprung vor/zurück) sowie Pause/Play. Auch letztere sind ohne darauf zu schauen auffindbar. Rechts sitzt auch die USB-C Ladebuchse. Links findet sich die ANC-Taste für die Betriebsarten „Noise Cancel“, „Ambient Sound“ (Beimischung der Umgebungsgeräusche) und „Aus“. Hier sitzt auch die 3,5 mm Klinkenbuchse zur Kabelverbindung.

Die Längenverstellung des Bügels ist feinrastend und ergonomisch, da sich dieser gut fassen lässt, wenn der Kopfhörer bereits aufgesetzt ist. Die Drehachse empfinde ich als recht straff. Das heißt, ich stelle den Kopfhörer hier eher bewusst ein, als dass er sich von selbst anschmeichelt. Die Kippachse der Muschel wiederum ist dafür sehr leichtgängig. Wenn man den Bogen raus hat, lässt sich der YH-L700A gut einstellen und an die Kopfform anpassen. Er sitzt dann mit seinen 330 g definiert und angenehm straff. Seine Geometrie ist auf eine „Tragerichtung“ angepasst, man kann rechts und links daher auch nicht verwechseln. Falsch herum fühlt sich auch falsch an. Trotzdem ist es zu Beginn recht praktisch, dass links und rechts gut sichtbar im Hörer markiert sind.

Ich setze also den Kopfhörer auf und schalte ihn ein. In dieser Reihenfolge bekomme ich mit, wie eine Frauenstimme freundlich aber bestimmt den Ladezustand (high / middle / low) mitteilt. Gleiches gilt für den Status der Bluetoothverbindung. Das Pairing mit dem Mobilgerät – in diesem Fall ein iPad – war erfrischend unkompliziert. Schon kann es los gehen. Ich entschließe mich aber dennoch gleichzeitig die Headphones Controller APP auf das iPad herunter zu laden. Beim Start erkennt die APP den verbundenen Kopfhörer und gewährt Zugriff auf alle Funktionen, die es auch auf den Tasten gibt.

Yamaha-YH-L700A-APPYAMAHA hat sich entschlossen keine Equalizer-Funktion zu implementieren, sondern beim „3D-Sound“ Surround Mode Presets anzubieten, wie beim Heimkino-Receiver. Später stelle ich beim Hören fest, dass die Presets merkliche, aber dennoch wohldosierte Veränderungen des Soundeindruckes bieten. Die Presets lassen sich Durchklicken. Ich könnte mir vorstellen, das sich für jeden Geschmack und Hörmaterial etwas finden lässt. Ich lande bei Musik letztendlich immer wieder im Modus „Off“. Aber das geht mir bei Surround-Receivern tatsächlich auch so, wenn es darum geht, ein Stereo-Signal aufzuhübschen.

Im 3D-Sound-Modus lässt sich in der Yamaha Headphones App zusätzlich Head Tracking aktivieren. Head Tracking gibt der Stereo-Balance beim Einschalten eine Richtung „nach vorn“ mit. Hier ist die Stereo-Bühne „normal“. Dreht man dann den Kopf, bleibt die Richtung, aus der beispielsweise die Musik kommt, erhalten. Der Kopfhörer verschiebt entsprechend das Signal zwischen den Kanälen. Beispiel: rechts Geige, links Trompete. Dreht man den Kopf nach links wandert die Trompete mit auf den rechten Kanal, wo ja dann im Raum die Bühne ist. Interessant und nützlich ist das beim Fernsehen, Spielen oder z.B. bei Videokonferenzen, wo ein konkreter räumlicher Bezug vorliegt. Beim Musikhören ist das natürlich eher irritierend.

Yamaha-YH-L700A-APPIn der APP können auch die Funktionen „Listening Care“ (warnt vor zu großen Lautstärken), „Listening Optimizer“ (Anpassung an die individuelle Höranatomie, hatte bei mir wenig Einfluss) sowie Auto-Power-Off Timer (5m / 30m / 1h / 3h / Off) geschaltet werden. Ebenso wird der Ladezustands in % angezeigt.

Das Active Noise Cancelling funktioniert ordentlich, wobei eine wesentliche Stärke für mein Dafürhalten bereist die grundsätzliche Abschirmung des geschlossenen Over-Ears ist. Beim Ambient Sound, also der Beimischung von Umgebungsgeräuschen, habe ich das Gefühl, dass es den tieferen Bass beeinflusst und ihn leicht aufweicht oder Nachschwingen lässt. Speziell den Ambient Sound wird man sowieso nur gezielt einsetzen, nicht beim konzentrierten Musikhören.

Kommt die Kabelverbindung zum Einsatz ist kein Bluetooth mehr möglich, auch wenn der Kopfhörer eingeschaltet ist. Das heißt, Telefonanrufe oder das Verwenden der Headphones Controller App ist nicht mehr möglich. Im eingeschalteten Modus muss vor dem Einschalten des YH-L700A die ANC- oder Ambient Sound-Funktion gewählt werden. 3D Soundfield sowie die Lautstärkefunktion mit der +/- Taste ist weiterhin möglich. Im ausgeschalteten Zustand funktioniert er komplett wie gewöhnlicher passiver Kopfhörer

Yamaha-YH-L700-Ohrmuscheln


Technik

Das meiste habe ich bereits im Kapitel zuvor beschrieben oder es folgt in den technischen Daten. Explizit erwähnenswert ist, dass der YAMAHA YH-L700A dynamische Treiber mit 40 mm Durchmesser verwendet. Damit bietet er einen umfangreichen Frequenzgang von 8 Hz – 40 kHz. Die drahtlose Verbindung kommt mit Bluetooth® Version 5.0 zustande, die über praxisgerechte 10 Meter (im Idealfall) wirkt. In der Wohnung reicht das für einen Ausflug in den Nachbarraum. Dabei unterstützt er die Profile: A2DP, AVRCP, HFP, HSP A2DP, AVRCP, HFP, HSP sowie die Codecs: SBC, AAC, Qualcomm® aptX™ Adaptive SBC, AAC, Qualcomm® aptX™ Adaptive. Nach einer maximalen Ladezeit des Akkus von 3,5 h stehen 34 h Wiedergabedauer mit eingeschaltetem Advanced ANC und ausgeschaltetem 3D Sound Field zur Verfügung. Schaltet der Hörer letztere Option zu, reduziert sich das (gesteigerte) Vergnügen auf ca. 11 h. Sprachunterstützung ermöglichen Siri® / Google Assistant.

Yamaha-YH-L700-Tasche-Adapter-Kabel

Technische Daten YH-L700A

  • Typ: Over-Ear, geschlossene Bauform, Bügel dreh- und klappbar
  • Treiber: 40mm, dynamisch
  • Frequenzgang: 8 Hz – 40 kHz
  • Line Input: einseitige 3.5 mm Stereo Mini-Klinke (Power ON: ANC / HT möglich, Power OFF: direkt)
  • Gewicht: 330 g
  • Bluetooth® Version: V5.0
  • Unterstützte Profile: A2DP, AVRCP, HFP, HSP A2DP, AVRCP, HFP, HSP
  • Unterstützte Codecs: SBC, AAC, Qualcomm® aptX™ Adaptive SBC, AAC, Qualcomm® aptX™ Adaptive
  • Bluetooth-Reichweite: 10 m (ideal)
  • Akku Ladezeit: ca. 3,5 h
  • Wiedergabedauer: ca. 34h (Advanced ANC=ON, 3D Sound Filed=OFF), ca. 11h (ON / ON)
  • Listening Care: Ja
  • Ambient Sound: Ja
  • Active Noise Cancelling: Ja (Advanced ANC)
  • Listening Optimizer: Ja
  • 3D Sound Field: Ja
  • Anruffunktion: Ja
  • Sprachunterstützung: Siri® / Google Assistant
  • APP Unterstützung: Headphones Controller APP
  • Zubehör: USB Ladekabel (50 cm, Typ A auf C), Hardcase-Tasche,
    Audio Kabel 3.5 mm auf 3.5 mm Klinke, Flugzeugadapter

Yamaha-YH-L700-Adapter-Kabel


Klang

Mit dem Yamaha YH-L700A habe ich einige Zeit gehört und mit den Einstellungsmöglichkeiten gespielt. Mit der Kopfhörer-App ist das sehr einfach und bequem möglich. Schlussendlich bin ich aber bei der Einstellung „3D AUS“ gelandet, da dann keine Eingriffe in den Klang erfolgen, die zwar einen erwünschten Effekt erzielen, dadurch aber auch immer ein Stück Balance in der Musik opfern oder für mein Ohr ins leicht Artifizielle driften. Das kann je nach Musikrichtung erfrischend sein, aber auch irritieren. Daher habe ich mich für den neutralen Weg entschieden.

Ebenso verhält es sich mit dem ANC, das mit den Mikrofonen Umgebungsgeräusche analysiert und diese durch Beimischung des invertierten Signals am Ohr eliminieren soll. Wenn ich in einer leisen Umgebung das ANC einschalte, verliere ich etwas an Präzision im Signal, speziell im Bass, was ich aber als sehr minimal empfunden habe. Natürlich macht es auch wenig Sinn, in einem leisen Raum das ANC einzuschalten. Genau so wenig wie es Sinn macht, in einem lauten Raum Kopfhörer zu testen oder Musik genießen zu wollen. Aus praktischer Sicht ist das ANC des Yamaha dann auch effektiv, da es gleichförmige Geräusche gut durch den akustischen Kniff der Invertierung von meinen Ohren fern hält und angemessen Ruhe in die Bude bringt. Für den Hörbericht bleibe ich jedoch in ruhiger Umgebung und lasse das ANC aus – so spare ich mir auch Zugfahrten oder ähnliche Testumgebungen 😉

Yamaha-YH-L700

Wie es sich für einen Bluetooth-Kopfhörer gehört, streame ich von einem Mobilgerät. In diesem Fall einem iPad über die Amazon Music App. Das iPad ist an und ich schalte den Kopfhörer ein. Eine Frauenstimme vermeldet umgehend den Status: „Battery High. Connected.“ So lass  ich mir das gefallen. Die Musik steht bei Amazon Music unlimited im HD oder ULTRA HD Format zur Verfügung. Natürlich wäre auch über beispielsweise mconnect der Zugriff auf den heimischen Musikserver möglich, aber die Klangqualität und die Auswahl sind online halt schon verlockend. Zumal im Zusammenhang mit Yamaha in mir ein Musikwunsch aufkeimt, den mein Musikserver nicht befriedigen kann: „Born to be wild“ von Steppenwolf. Bei Yamaha kommen immer Erinnerungen an die Oberstufen-Zeit am Gymnasium auf, wo die wirklich coolen Typen eine MTX 80er gefahren sind – oder eine DT 80 vom Marktbegleiter Honda. Ein Traum der mir verwehrt blieb. Vielleicht war das auch gut so. Mit dem Yamaha YH-L700A kann ich das Gefühl der Freiheit am Schreibtisch nachholen. Die meisten Taucher-Uhren sind ja auch Desk-Diver 😉

Cover-Steppenwolf„Get your motor running – head out on the highway – looking for adventure“ tönt es aus den Ohrmuscheln. Ich tippe die Lautstärke hoch. „I like smoke and lightning – heavy metal thunder“ … Kurz vor Maximum ertönt ein kurzer Ton, der mich an ein gesundes Hörverhalten erinnern soll. Appelle an die Vernunft ergehen also nicht nur an Biker im Straßenverkehr sondern auch an Hörer von Biker Musik am Schreibtisch. Das ist nur fair, nein – vernünftig.

Der Signalton markiert aber tatsächlich einen Punkt, wo die Grenze vom Angenehmen zum Emotionalen überschritten wird. Der YH-L700A hat dabei ein offenen Charakter, klebt nicht am Kopf und die Aufnahme aus den späten sechziger Jahren klingt alles andere als angestaubt, ja fast modern. Der prägende Gesang, die verzerrten Gitarren und das leicht irrwitzige Spiel der Elektro-Orgel klingt mir bekannt in den Ohren. Mit dem Kopfhörer lässt sich aber zudem das Spiel des E-Basses und des knackigen Schlagzeugs leicht und differenziert nachvollziehen. Es ist immer wieder schön, Musik neu zu entdecken.

Da ich grad bei Steppenwolf bin, greife ich noch schnell – getreu dem Bond Motto „Die Welt ist nicht genug“ – nach den Sternen. Mit „Magic Carpet Ride“ im Ohr wird Zefram Cochrane 2063 zum ersten Warp-Flug in der Geschichte der Menschheit aufbrechen – und Vulkanier treffen. Star Trek Fans können das bestätigen 😉 Die Musik von Steppenwolf passt wie Faust aufs Auge zum emotionalen Moment, in dem Zefram full throttle gibt, die Triebwerke Schub geben und die Phoenix zum Jungfernflug startet. „Magic Carpet Ride“ vollzieht den Punkt nach, bei dem der Hebel nach vorn geht. Bäm – „I like to dream – ride between the sound machine … Let the sound take you away.“. Trotz Gänsehaut merke ich: Der Yamaha Kopfhörer ist ein Chronist, kein Charmeur oder gar Intrigant.

Seine Offenheit, aber auch die damit ein Stück weit verbundene gesunde Distanz ermöglichen ihm einen Überblick und Sachlichkeit. Er schmeichelt sich nicht mit überbordender Emotion oder Schönfärberei ein. Schön ist, das der YH-L700A dadurch auch nicht überzeichnet. Der psychodelische Part in der Mitte – ein Warp-Flug muss wie eine Droge sein – kann auf manchen Systemen zu einer Herausforderung für die Nerven werden. Nicht so beim Yamaha, mit dem ich das krude Treiben der 68er-Jahre milde lächelnd zu Kenntnis nehme. Die Gitarren kommen zu Beginn verzerrt, aber nicht plärrig, später scharf, aber nicht harsch, der Bass ist kernig und rechts spielt sich Goldy McJohn die Seele aus dem Leib – während die leicht kratzige Stimme von John Kay ihren Platz in der Mitte findet. All das mit großer Ausgewogenheit.

Zurück ins hier und jetzt. Soeben ist das neue Album von Iris Gold „Woman“ erschienen und von Victoriah für uns gehört und rezensiert worden. Iris Gold wartet dabei textlich nicht nur mit expliziter Lyrik sondern amazon Music auch mit einer Aufnahme in Dolby Atmos auf. Das ist Premiere für mich. „Ey, are you ready?“ tönt es gleich frech genölt von Frau Gold aus den Ohrmuscheln. „Yes, M’am!“, denke ich und bade mit in einer jubelnden virtuellen Menge bei „Girl pick up your drum“. Und ich bade im fetten Sound, in dem sich die charismatische Stimme der Sängerin sowie ein akzentuiertes Schlagzeug und feines Banjo einerseits musikalisch einbettet aber als Solist auch klar abhebt. „Piece of Mine“ geht mit ordentlich Schub weiter, lässt keine Atempause.

Der Yamaha macht eine gute Figur, macht Spaß. Seine eingangs erwähnte Offenheit korrespondiert hervorragend mit der Dolby Atmos Music Aufnahme, die übrigens in Zusammenarbeit mit dem Eurythmiker Dave Stewart entstanden ist. Bei aller Anzüglichkeit in den Texten hält die Neutralität des YH-L700A die Musik komplett aus der Schmuddelecke raus. Impulsiv, mit schöner und gut sortierter Bühne geht es zwischen und um meine Ohren herum zu. Ich habe das Gefühl, so ziemlich jedes Musikmaterial stressfrei hören zu können. Der Yamaha lässt mich die Musik betrachten und will sie mir nicht in den Kopf pressen. Schön ist das für mich bei „Away we go“ nachzuvollziehen, bei dem ich gespannt verfolge, was musikalisch so vor sich geht. Ich sehe mich vor meinem geistigen Auge in Südamerika mit einem Cocktail in der Hand einem farbenfrohen, ekstatischen Gig am Hotelpool beiwohnen. Eine schöne Illusion. Stattdessen blühen bei mir draußen die Rhododendren. Auch gut – bei dieser Musik. „Make Me Feel Something“ reißt, nein drischt mich mit impulsivem Schlagzeug aus meinen Tagträumen…

Cover-Lisa-Bassenge-ThreeNeulich bin ich wieder wieder über Lisa Bassenge gestolpert. Ich bin ein großer Fan von „Wir machen Musik“ mit Ilse Werner. Ach komm, jetzt hab ich es schon angesprochen und auch schon ewig nicht mehr gehört. Ich wähle als App mconnect und streame über mein Heimnetz vom innuos ZENith Mk3 Musikserver auf mein iPAD, das die Daten dann wie zuvor per Bluetooth an den Yamaha YH-L700A weitergibt. Die Aufnahme von „Wir machen Musik“ mit Ilse Werner, die ja eher durch ihr kunstvolles Pfeiffen als durch Gesang bekannt war, ist für mich immer wie ein Vermächtnis. Der Song beginnt mit der alten, manchmal brüchigen Stimme von Ilse Werner die nach einer gepfiffenen Einlage an die frische, jugendliche Stimme von Lisa Bassenge übergibt. Da beide nicht gemeinsam singen, ergibt sich ein schöner dreiminütiger Spannungsbogen. Diesen zeichnet der Bluetooth-Kopfhörer schön nach, wahrt dabei aber auch eine gewisse Distanz, taucht nicht zu tief ein in die Musik.

Da ich mit Iris Gold aber bereits auf den Pfaden expliziter Lyrik unterwegs war, springt mir das Album „Mothers“ aus 2021 von Lisa Bassenge ins Auge, das ebenso mit [Explicit] gekennzeichnet ist – wegen eines Titels „All the good girls go to hell“. Nun gut. Ich höre nichts, was mich weiter aufregt. Textlich. Musikalisch erwartet mich die Stimme von Lisa Bassenge, begleitet von Klavier und Kontrabass. Sauber sortiert, alles auf den Punkt. Auch das Schlagen der Saiten des Basses auf das Griffbrett lassen sich schön heraushören. Einwandfrei, allerdings hätte ich mir einen kleinen Schluck mehr Jazz-Keller-Atmosphäre gewünscht. Schön dann wieder die Aufnahme von „Home Again“, die sehr bewusst das Augenmerk auf die drei Protagonisten richtet. Das Klavier verliert sich in perlenden Melodien, der nachdenkliche Gesang der Berlinerin erscheint präsent und der Kontrabass gibt sich mit seinen Nebengeräuschen sehr plastisch.

Yamaha-YH-L700A-APPAm Ende meines Hördurchganges verkündet – nach einigen Stunden – die Stimme der Dame beim Einschalten immer noch „Battery High“, die App zeigt 69% Ladezustand (der übrigens auch in der APP angezeigt wird). Aber der Yamaha-Kopfhörer kann ja auch rein passiv spielen. Das probiere ich noch aus. Als Quelle wähle ich mein Windows-Laptop, das mit dem mobilen DAC EarMen Colibri verbunden ist. Also das Kopfhörerkabel dort eingestöpselt und den Kopfhörer ausgeschaltet. Musiklieferant ist wieder die amazon Music App, ich möchte in die gleichen Titel wie bereits zuvor rein hören. Der Unterschied ist recht deutlich. Auch, wenn man zwischendurch die Elektronik des Kopfhörers wieder zwischenschaltet und das eingehende analoge Signal vom YH-L700A aufbereiten lässt.

Der Colibri arbeitet Details feiner heraus und man merkt, wie er den Kopfhörer in den Griff nimmt – verbunden mit dem Risiko, dass schlechte oder ungeschickte Aufnahmen auch mal aufdringlich werden können. Die Impulsivität nimmt mit dem externen KHV nochmal zu und der Bass wird konturierter, wobei der Raum etwas in sich zusammen zu fallen scheint. Die Veränderung im Klangbild deutet auf eine sorgfältige Abstimmung der Aktiven und passiven Komponenten des Kopfhörers als Gesamtsystem hin, mit einer bewussten Abwägung klangbestimmender Charakteristika. Sicherlich kann der Hörer beim Einsatz eines externen KHVs experimentieren, aber für meinen Geschmack bietet sich der Yamaha YH-L700A zum Einsatz als in sich schlüssiger Bluetooth-Kopfhörer an – und so stöpsel ich die Kabel wieder ab, genieße meine zurück gewonnene Bewegungsfreiheit und höre beim Fertigschreiben dieses Berichts noch stressfrei den ein oder anderen Titel aus meiner Lieblingsmusik.


Fazit

HiFi-IFAs-Yamaha-YH-L700A-Kopfhoerer-5-5Der Yamaha YH-L700A Bluetooth-Kopfhörer hat alles an Technik und Funktionalität an Bord, was man für die Musikwiedergabe von Mobilgeräten, Laptops oder Fernsehern benötigt. Die Möglichkeit, ihn zudem auch per Kabel mit zwischengeschalteter Elektronik oder sogar komplett passiv – Flugzeugadapter inbegriffen – zu betreiben, erweitert die Einsatzbandbreite und macht ihn zum multitalentierten Reisebegleiter. Praktische Features sind das aktive Noise Cancelling, das die bereits gute bauartbedingte Schirmung des geschlossenen Over-Ear-Kopfhörers unterstützt, die Monitor-Funktion, die Umgebungsgeräusche beimischt und das Head-Tracking, das recht pragmatisch die Stereo-Bühne auf zum Beispiel das TV- oder Video-Bild gerichtet hält. Die Kopfhörer-App bietet eine komfortable Nutzung. Dem hohen Alltagswert stellt sich ein akurater, offener Sound mit schönem Bass zur Seite, der mehr als musikalischer Chronist denn als Schmeichler oder gar Blender daher kommt. So wird er vielen Hörgewohnheiten und Musikrichtungen gerecht. Mit dem Yamaha YH-L700A macht man als Begleiter für den Alltag sicher nichts falsch. Wer auf das 3D Sound Field verzichten kann, darf bei ansonsten vergleichbarer Ausstattung auch ein Ohr beim Bruder YH-E700A riskieren und ein paar Euros sparen.


Im Test

Bluetooth Over-Ear-Kopfhörer mit Active-Noise-Cancelling und 3,5mm Kabelanschluss
Yamaha YH-L700A
Preis: 549 Euro

Yamaha-YH-L700-Tasche-Adapter-Kabel

Kontakt

Yamaha Music Europe GmbH
Siemensstraße 22-34
25462 Rellingen

Tel.: 04101/303-0
Web: de.yamaha.com


Mitspieler im Test

Digitale Quellen – Streaming Bridge LUMIN U1 mini, Musikserver MELCO N100, Innuos ZENith Mk3, D/A-Wandler MERASON DAC-1, FiiO M11
Lautsprecher – Dutch&Dutch 8c

Kopfhörer- / Vorverstärker – SPL Phonitor x mit DAC 768xs, EarMen TR-Amp, EarMen Sparrow, EarMen Colibri
Kopfhörer – ULTRASONE Edition 15, FiiO FH7, DENON AH-D7100, Perfect Sound m100r, AUSOUND AU-Flex ANC
XLR-Signalkabel – WSS Premium Line KS-200, WSS Platin Line KS-200
Zubehör – Netzkabel Supra LoRad 2.5, bfly bPower, Netzleiste SUPRA Cables LoRad MD07 DC 16 EU SP MKIII, SBooster BOTW P&P Netzteil, NuPrime AC-4 Power Conditioner, NuPrime Omnia SW-8 HiFi Netzwerk-Switch, Lautsprecherkabel Melodika MDSC4030, Kabelbrücke Melodika MDSC1501, Innuos PHOENIX USB-Reclocker, Boaacoustic USB-Kabel Silver Digital Xeno, Netzwerkkabel Wireworld Starlight 8, Boaacoustic SIGNAL.lanCat.6A

Fotos: F. Visarius


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Vom HiFi-Virus als Jugendlicher infiziert ist HiFi + HighEnd seither Teil meines Lebens. Forenerprobt, als freier Autor und bei den HiFi-IFAs ist mein Motto: Alles kann nichts muss. Die Freude am HiFi und der Musik zählt.

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