Test: Elektrostatischer Kopfhörer und DAC Warwick Acoustics Sonoma Model One-System – British Understatement

0

Warwick Acoustics SONOMA Model One Kopfhörer und Kopfhörerverstärker DAC im Test

In diesem Test habe ich das Vergnügen, mich mit dem elektrostatischen Kopfhörersystem SONOMA Model One des britischen Herstellers Warwick Acoustics zu beschäftigen. Das Model One folgt dem Systemgedanken. Das SONOMA Model One System besteht aus dem offenen elektrostatischen Kopfhörer und dem zugehörigen single-ended FEAT Class-A-Kopfhörerverstärker mit integriertem DAC. Der Systemgedanke ist auch eine logische Konsequenz aus dem Bauprinzip des Kopfhörers. Der Elektrostat benötigt zum Einen Energie, um die Membranfolie elektrostatisch vorzuspannen, und zum Anderen das Musiksignal, dass die Folie zum Schwingen bringt und letztendlich den Ton erzeugt. Der klassische Kopfhörerverstärker muss nur letztere Aufgabe bewältigen. Und da Warwick also sowieso ein Zauberkästchen für den Betrieb des elektrostatischen Kopfhörers beistellen muss, warum nicht gleich einen DAC integrieren? Voilá! Hier ist das SONOMA Model One.

Auf Warwick Acoustics aufmerksam geworden sind wir HiFi-IFAs auf der diesjährigen High End in München, auf welcher der britische Hersteller sein Top Kopfhörersystem Aperio vorstellte. Warwick sitzt in Nuneaton, dass praktisch nördlich von Coventry vor den Toren Birminghams liegt. Warwick Acoustics selbst ist ein Ableger der University of Warwick (UK) und wurde 2002 von zwei Professoren der School of Engineering gegründet. Alleinstellungsmerkmal: elektrostatische Verbundlautsprecher. Neben den Kopfhörersystemen bietet Warwick Acoustics auch elektrostatische Systeme für Car Audio Anwendungen an. Eine interessante Kombination von Geschäftsfeldern. Beide Produktkategorien basieren auf dem patentierten, gebundenen High Precision Electrostatic Laminate Transducer (HPEL).

Doch zurück zu den Kopfhörern. Beim Aperio – also dem System von der High End – bedeutet Top wirklich Top. Die UVP liegt bei rund 25.000 Euro. Als Appetithappen bot uns der freundliche deutsche Vertrieb audioNEXT das SONOMA Model One System zum Test an. Quasi als Einstieg in die akustische Welt von Warwick Acoustics. So so, Einstieg. Der Listenpreis von 5.695 EUR deutet nicht wirklich auf das Einstiegssegment hin. Das ist bereits High End vom Feinsten. So bin ich also gespannt darauf, dem Kopfhörersystem bei mir zu Hause Leben einzuhauchen, und freue mich schon auf die ersten Takte Musik.

Warwick Acoustics SONOMA Model One Kopfhörer und Kopfhörerverstärker DAC

Warwick Acoustics SONOMA Model One Kopfhörer und Kopfhörerverstärker DAC (Foto: F. Visarius)

Annäherung

Das Warwick Acoustic Sonoma Model One System erreichte mich sicher eingebettet in einem Flight Case. Hauptbestandteile: Der Kopfhörerverstärker und der eigentliche Kopfhörer. Dazu ein Netzteil und das hochwertige Kopfhörerkabel. Der Kopfhörer an sich hat eine symmetrische Geometrie – passt also rechts wie links herum auf den Kopf. Die Zuordnung der Kanäle geschieht erst mit dem Kabel, dass am jeweiligen Ende farblich gekennzeichnet den rechten beziehungsweise linken Kanal an den Hörer andient.

Installiert ist das System schnell. Das Netzteil einstecken und den Schraubstecker mit dem Verstärker verbinden. Ebenso den Kopfhörer. Fehlt noch die Quelle. Sie kann analog zuspielen oder digital über USB beziehungsweise koaxialem Cinch. Ich will mich auf die digitale Zuspielung konzentrieren, um den Systemgedanken optimal zu nutzen. So verbinde ich das Sonoma Model One digital per USB mit dem PC. Später auch via USB und Cinch mit einem Lumin U1 mini als Zuspieler. Ist der Sonoma an einen PC angeschlossen, installiert dieser automatisch einen Treiber, der Kontakt zur digitalen Sektion des Kopfhörerverstärkers herstellt. Das Model One arbeitet dann wie eine Soundkarte. Am LUMIN U1 mini ist es noch einfacher. Kabel einstecken und schon empfängt der D/A-Wander des Sonoma Model One die Musikdaten. Per Cinch bis 24-bit/192 kHz PCM. Per USB 2.0 sind Datenraten von 32-bit/384 kHz PCM und DSD über DoP (DSD64/DSD128) möglich.

Nun halte ich den Kopfhörer in der Hand. Er ist leicht und hinterlässt mit dem Magnesiumgehäuse einen technischen und sehr wertigen Eindruck. Im eingefahrenen Zustand öffnet sich der Kopfhörerbügel recht weit und ich frage mich, wie das wohl auf meinem Kopf halten kann. So stelle ich die beiden leicht drehbar gelagerten Ohrhörer auf die richtige Länge ein. Danach ergibt sich über die blattfederartigen Elemente des Bügels ein schöner Druck zwischen Kopf und Ohrpolstern. Der leichte Kopfhörer sitzt dann angenehm und sicher. Doch zuerst ein wenig Theorie.

Warwick Acoustics SONOMA Model One - elektrostatischer Kopfhörer mit HPEL-Technologie

Warwick Acoustics SONOMA Model One – elektrostatischer Kopfhörer mit HPEL-Technologie (Foto: F. Visarius)

Technik

Der Kopfhörer

Das Gehäuse des Kopfhörers ist aus Magnesium gefertigt. Die Ohrpolster und das Kopfband sind aus Cabretta-Schafsfell-Leder handgefertigt. Der Kopfbügel ist eine Konstruktion aus einem Nylon12 Polymer. Das resultierende Gewicht ohne Kabel: leichte 303 Gramm, die für einen unbeschwerten Hörgenuss auch bei langen Hörsessions sorgen sollen. Zur Schallwandlung dienen die von Warwick Audio Technologies LTD entwickelten, hochpräzisen elektrostatischen Schichtwandler HPEL (High Precision Electrostatic Laminate). Das System ist patentiert und besteht aus vielen kleinen Zellen, die parallel betrieben werden. Die generierten Töne werden bei dieser Technologie direkt ans Ohr transportiert, ohne dass sie ein Statoren-Gitter durchlaufen. Das Material ist leicht, es muss also wenig Masse zur Schallerzeugung bewegt werden. Der erweiterte Frequenzgang ist bis zu 60 kHz linear und bietet eine bis dato unerreichte Leistung bei der Transientenwiedergabe. Die Serienkonstanz sorgt für eine hohe Paargleichheit mit Abweichungen zwischen den Schallwandlern kleiner ±0,8 dB.

Warwick Acoustics SONOMA Model One Kopfhörer und Kopfhörerverstärker DAC

Warwick Acoustics SONOMA Model One Kopfhörer aus feinen Materialien (Foto: F. Visarius)

Die „Energizer & DAC“-Einheit

Die „Energizer & DAC“-Einheit bietet Anschluss für digitale und analoge Quellen. Letztere wurde für die heutigen High-Resolution Audio-Formate entwickelt. Die „Energizer & DAC“-Einheit stellt einen Verbund mit dem Kopfhörer dar und wurde entsprechend aufeinander abgestimmt gemeinsam entwickelt. Der Hochspannungsverstärker in Form eines leistungsstarken, diskreten single-ended FET Class-A-Verstärker mit sehr geringer Verzerrung und großer Bandbreite ist optimal auf die Anforderungen des HPEL des Kopfhörers abgestimmt. Der Verstärker wurde so konzipiert und optimiert, dass er die inhärente kapazitive Last eines elektrostatischen Wandlers kompensiert. Die Class-A Endstufe wird dabei mit einem hohen Vorspannungspegel zugunsten einer exzellenten Anstiegsgeschwindigkeit betrieben.

Warwick Acoustics SONOMA Model One Kopfhörer und Kopfhörerverstärker DAC

Warwick Acoustics SONOMA Model One Kopfhörerverstärker: Energizer & DAC (Foto: F. Visarius)

Digital stellt der Verstärker einen USB 2.0 Eingang für Signale bis zu den Hi-Res Audio-Formaten 32-bit/384 kHz PCM und DSD über DoP (DSD64/DSD128) zur Verfügung. Dazu gesellt sich ein koaxialer S/PDIF Cinch-Eingang mit PCM-Formaten bis zu 24-bit/192 kHz. Analog lässt sich mit dem SONOMA Model One per High-Level-Cinch-Buchsen oder Low-Pegel 3,5 mm Stereo Klinke anbandeln. Alle Signale werden digital gewandelt und mit einer benutzerdefinierten 64-Bit-Festpunktarithmetik mit doppelter Präzision und hoher Performance in einem eigenen Multicore-XMOS-Prozessor verarbeitet. Der integrierte DSP optimiert sowohl Amplituden als auch Phasenverhalten und berücksichtigt zusätzlich die besondere Kennlinie des HPEL Schallwandlers. Hier spiegelt sich schön der Systemgedanke wider.

Für die Digital zu Analog Wandlung werden zwei ESS Sabre Reference Stereo-DAC-Chips in einem speziellen Monomodus verwendet, um einen gemessenen Signal-Rausch-Abstand von 129 dB (SNR) zu liefern. Warwick Acoustic setzt einen AKM 32‑bit/384 kHz Premium ADC und Crystek Ultra-Low Phase-Noise Oscillators ein. Energie liefert ein spezielles Ultra-Low-Noise Netzteil. Das wertige Aluminiumgehäuse mit schöner Anfassqualität ist CNC-gefräst. Herrlich und schön an zu schauen sind die Kühlöffnungen mit komplexer Geometrie. Sie unterstreichen den hohen Anspruch des Sonoma Model One. Die Kühlöffnungen sind dem Class-A-Betrieb geschuldet. Die „Energizer & DAC“-Einheit gibt sich nach etwas Betrieb angenehm warm in der Hand. Klasse auch die Kippschalter, die herrlich satt klacken, wenn sie betätigt werden. Das 5.695 EUR teure Ensemble enttäuscht an dieser Stelle nicht. Ich bereite mich also gerne vor auf das was kommt: Power On. Betriebsmodus Digital. Lautstärke vorjustiert. Es kann losgehen.

Warwick Acoustics SONOMA Model One Kopfhörer und Kopfhörerverstärker DAC

Warwick Acoustics SONOMA Model One Anschlüsse (Foto: F. Visarius)

Technische Daten
  • Bauart:  Offen, Over-Ear-Polster
  • Übertrager: HPEL (High Precision Electrostatic Laminate), single-ended elektrostatisch
  • Effektive Fläche des Diaphragmas: 3.570 mm²
  • Frequenzgang: 10 Hz – 60 kHz
  • Output Level: Konform mit EN 60065/A12:2011 (EN50332), betrieben mit M1 Energizer/DAC (alle Eingänge)
  • Ohr- und Kopfpolster: Cabretta top-grain Schafsleder
  • Kopfhörer Eingang: Polarisiert, 4-pin, selbstverrigelnde Stecker (rechts/links)
  • Kopfhörer-Kabel: Ultra-low capacitance, versilbertes OFHC Kupfer, geschäumte PE-Isolierung und Kevlar-Verstärkung; Länge: 2 Meter
  • Gewicht: 303 Gramm (ohne Kabel)

 

Warwick Acoustics SONOMA Model One Kopfhörer und Kopfhörerverstärker DAC

Warwick Acoustics SONOMA Model One Hörraum Setup (Foto: F. Visarius)

Klang

Ich starte direkt mit einer kleinen Herausforderung. Warum Herausforderung? Klaviermusik kann mich schon schnell nerven. Dabei habe ich gelernt, dass das häufig am wiedergebenden System liegt. Also beordere ich Evgeny Kissin mit „Pictures at an Exhibition“ in meine Playlist. Als Erstes höre ich die „Promenade“, das starke Thema des Stücks, und „Gnomus“. Mich erfreut das akzentuierte Spiel und ich kann leicht den Unterschied heraushören, den ein Weltklasse Pianist wie Evgeny Kissin ausmacht, auch ohne dass ich ein hervorragender Klassik-Kenner bin. Der Kopfhörer macht es mir leicht. Das Sonoma Model One schmeichelt mir sein Spiel ins Ohr. Dynamisch, aber frei von Spitzen. Keine Effekthascherei. Zum Abschluss „The Great Gate of Kiev“, das ich mit einer Variation der Promenade durchschreite. Ein energischer, impulsiver Auftakt unterbrochen von getragenen Momenten, die sich immer wieder in die tieferen Oktaven hinein steigernd. Auch das kann das SONOMA Model One ohne dabei dick aufzutragen. Und ohne bei den harten Anschlägen in den Kopf zu pieken. Dabei zeigt er das Volumen des Flügels, zeichnet schön die Schwebungen. Das Abdämpfen der Seiten. Ich tauche ein. Schnell nochmal zurück zum „Ballet of the Unhatched Chicks“. Ganz schön frech tanzen sie auf meinem Kopf herum, diese Küken.

Kleiner Genrewechsel: Jazz. Aber auch nur ein Instrument am Start. Wenngleich ein handlicheres: Ich spiele „Anthem“ vom 1940 geborenen amerikanischen Gitarristen Ralph Towner. Den Titeltrack seines gleichnamigen Albums aus dem Jahre 2000. Man darf also getrost vom Werk eines erfahrenen Musikers sprechen. Obwohl das Instrument natürlich ein anderes ist, weiß der SONOMA M1 die gleichen musikalischen Tugenden zu vermitteln wie schon bei Evgeny Kissin. Schöne Spannungsbögen, impulsiv gezupfte Saiten gepaart mit lang ausklingenden Momenten. Mein Ohr liegt auf der Saite. Ganz entspannt. Also auch das kann das SONOMA Model One.

Nun ein großer Genrewechsel: Pop-Musik. Dafür aber das gleiche Erscheinungsjahr 2000. Madonnas „Don’t tell me“ vom Album „Music“. Eins meiner Lieblingslieder. Das Model One gibt den Titel sehr akkurat wieder. Mit den gleichen feinen Tugenden wie bereits zuvor beschrieben. Dadurch hält es mich aber auch ein bisschen auf Distanz. Das Überprüfe ich mit AC/DCs „War Machine“. Und fühle mich bestätigt. Detail, Schub alles da. Aber ich lasse die Luftgitarre in der Halterung und greife auf der Couch lieber zum Glas Rotwein. Oder besser einem Glas 16 Jahre gereiften Malt-Whiskey. Und bleibe stiller Beobachter des musikalischen Geschehens. Mit britischem Understatement. Das Sonoma Model One ist nämlich eins sicherlich nicht: Ein Effekthascher.

Zwischenzeitlich habe ich auch den LUMIN U1 mini ins Spiel gebracht und einfach weiter gehört. Der Wechsel auf den LUMIN U1 mini bringt meiner Meinung nach das „Energizer & DAC“-Modul gegenüber der Kooperation mit dem PC noch einen guten Schritt nach vorne, ohne meinen Höreindruck von vorher über den Haufen zu werfen. Im Hörzimmer lausche ich in das „Poem of the Chinese Drums“ hinein. Wirklich ein Gedicht. Da sind sie wieder die Tugenden des Model One. Die Drums mächtig, natürlich im Klang. Die Spannungsbögen, die kleinen Details. Alles aus einem Guss. Aber auch Musik exotischerer Natur wie Göksels „Yarabbi Sükür“ funktioniert wunderbar. Die Stimme kommt klasse. Wie sie im Refrain auf dem „Sükür“ hängen bleibt. Toll. Natürlich höre ich weiter. Ich bin in Stimmung. Meinen Bericht schließe ich aber nun mit Aimie Mans „Wise up“ vom „Magnolia“ Soundtrack. „By now you know… it’s not going to stop… till you wise up…“. Gänsehaut.

Warwick Acoustics SONOMA Model One Kopfhörer und Kopfhörerverstärker DAC

Warwick Acoustics SONOMA Model One Kopfhörer und Kopfhörerverstärker DAC (Foto: F. Visarius)


Fazit

Das Warwick Acoustics SONOMA Model One ist wahrscheinlich nicht der erste Kopfhörer, den sich der HiFiist zum Preis von 5.695 Euro zulegt. Aber es kann der Kopfhörer sein, der einen Musikliebhaber final im Reich entspannter, hochwertiger Musikreproduktion ankommen lässt. Das Sonoma Model One ist ein hörbar bewusst aufeinander abgestimmtes System aus Kopfhörer, Verstärker und DAC, das mit homogenem und in sich geschlossenem Klangbild überzeugt. Musik wird zum feinen Erlebnis mit britischem Understatement.

HiFi-IFAs-testergebnis-Warwick Acoustics SONOMA Model One

Im Test

Warwick Acoustics Sonoma Model One (elektrostatischer Kopfhörer + „Energizer & DAC“-Einheit)
Preis: 5.695 EUR


Vertrieb

audioNEXT GmbH
Isenbergstr. 20
45130 Essen
www.audioNEXT.de
www.facebook.com/audioNEXT

Office +49 (0)201 5073950
info@audionext.de

Tech. Support +49 (0)201 79939408
http://support.audionext.de

About Author

Vom HiFi-Virus als Jugendlicher infiziert ist HiFi + HighEnd seither Teil meines Lebens. Forenerprobt, als freier Autor und bei den HiFi-IFAs ist mein Motto: Alles kann nichts muss. Die Freude am HiFi und der Musik zählt.

Comments are closed.