Am Anfang war die Röhre. Das war die erste Möglichkeit überhaupt, einen Verstärker herzustellen. Einige Jahre später haben findige Köpfe dann als Alternative Transistoren entwickelt. Und seitdem schlägt sich die halbe HiFi-Welt die Köpfe ein, welche Art der Verstärkung denn nun die bessere für den Klang sei. Pier Audio sieht im Falle des Vollverstärker-Hybrid MS-480 SE, welcher in der Preisklasse um 1.000 Euro angeboten wird, die ideale Lösung in der Kombination beider Techniken.
Ausgedacht und gebaut werden die Geräte in der französischen Kleinstadt Vendome, welche an der Loire liegt. Ähnlich den Galliern ist dieser HiFi-Hersteller sehr widerstandsfähig. Hochmodernen, angesagten Dingen wie Streaming oder Surround widersetzt sich dieser kleine Fabrikant hartnäckig. Pier Audio setzt auf grundsolide Sachen wie Verstärker und CD-Spieler. Was ja, wie die Erfahrung lehrt, so schlecht nicht sein muss. Dies haben die Franzosen bei den HiFi-IFAs bereits im Mai diesen Jahres mit ihrem CD-Spieler CD-880 SE im Test bewiesen.
Pier Audio MS-480 SE – Die Technik
Für die verschiedenen Geschmäcker gibt es den Hybrid Vollverstärker Pier Audio MS-480 SE in zwei Farbausführungen. Version eins besitzt eine goldfarbene Frontplatte aus gebürstetem stabilem Aluminium, unser Testmodell ist aus demselben Material mit schwarzer Front. Der Korpus der Verstärker dagegen ist in beiden Fällen in schwarz gehalten. Dem MS-480 SE zur Seite stand während des Test unter anderem auch der CD-Spieler CD-880 SE mit goldener Front aus dem gleichen Haus.
Geprägt wird die Front des Pier Audio MS-480 SE Hybrid-Verstärker von einem massiven Lautstärkeregler. Hinter ihm versteckt sich ein ALPS-Poti. An dieser wichtigen Stelle hat der französische Hersteller also keine Kosten gescheut. Ein weiteres auffälliges Detail des Vollverstärkers ist das VU-Meter. Allerdings: Wider Erwarten zeigt die Anzeige nicht die abgegebene Leistung an, dafür wären dann eh zwei VU-Meter vonnöten. Nein, es zeigt den Eingangspegel der jeweils ausgewählten Quelle an. Linker Hand ist der Ein- und Ausschalter leicht erkennbar. Auf der rechten Seite des Vollverstärkers der Eingangswahltaster. Durch Drücken werden die einzelnen Eingänge nacheinander durchgeschaltet.
Einfacher gestaltet sich die Quellenwahl mit der Fernbedienung. Hier gibt es für jeden Eingang eine separate Taste. Mit der dem Verstärker beiliegenden schweren Fernbedienung aus Metall lässt sich die Lautstärke des motorisierten ALPS-Potis einstellen. Ebenso lassen sich natürlich auch die vier Cincheingänge schalten, wie auch der Bypass, mit dem sich der Pier Audio MS-480 SE elegant in eine Surround-Anlage einschleifen lässt. Auf der Rückseite des Vollverstärkers befinden sich ganz klassisch die vergoldeten Cincheingänge und die stabilen Lautsprecherklemmen, die auch für Bananas geeignet sind, sowie die Kaltgerätebuchse.
Im Inneren des Hybrid-Verstärkers (siehe Foto unten) finden sich kurz hinter der Frontplatte auf der linken sowie rechten Seite jeweils ein Paar 12AU7- und 12AT7 Röhren. Bei den dann im Signalweg folgenden Kondensatoren handelt es sich um SCR Polypropylen Folienkondensatoren. Die Siebkapazität für die Vorstufe übernehmen dann die aufrecht stehenden Elkos. Das silberne Quadrat ist dann ein kräftiger Brückengleichrichter mit Kühlkörper. Die beiden Netzteilelkos, im Bild unter ihm, mit 20.000 Mikrofarad Siebkapazität stammen vom Hersteller Elna.
Ein großer Kühlkörper trennt dann die Abteile für den Vor- und Endverstärkerteil des Pier Audio MS-480 SE. Bei genauem Blick sieht man dann auch die beiden Paare Endstufentransistoren von Toshiba, die selektiert sind. Unten rechts im Bild die Eingangsplatine mit hochwertigen Japan-Relais. Den restlichen Platz im Gehäuse des AB-Verstärker belegt dann der Trafo. Das Ganze rundet ein 320 VA Trafo ab. Was beim Aufbau auffällt: In der gesamten Signalübertragung befindet sich kein einziger integrierter Schaltkreis. Die Leistung, die Pier Audio angibt, dürfte mit 2* 55 Watt an acht Ohm für die meisten Lautsprecher völlig ausreichend sein. Noch eine letzte technische Angabe: Das Gewicht des Amp liegt bei soliden 12 kg.
Pier Audio MS-480 SE – Der Klang
Musikalität und Wärme, das wird Röhrenverstärkern ja gemeinhin nachgesagt. Wie sich nun ein Röhren-Hybrid-Verstärker wie der Pier Audio MS-480 SE in meinen Ohren schlägt? Ich bin gespannt.
Ed Sheeran, abgespielt vom heimischen Musikserver und analogisiert vom Cambridge Audio 851N, gibt sich mit „The A Team“ die Ehre. Bei dem Titel werden Erinnerungen an meine Jugendzeit wach: Hannibal, Murdoch, B. A. und Face. Und viel Action. Okay, viel jünger als die Serie ist das Lied von 2011 nun auch nicht… Zumindest wie der Film aus dem Jahre 2010 😉
Im Gegensatz zur damaligen Serie geht es bei diesem Lied allerdings wesentlich ruhiger zu. Also gut geeignet für den Einstieg in den Test des Hybrid-Vollverstärker Pier Audio MS-480 SE. Und diese ruhige Atmosphäre zieht mit Ed Sheeran im heimischen Hörraum ein. Klar und sauber ertönt seine Stimme. Um so diesen doch sehr traurigen und nachdenklichen Text über eine junge Frau und ihr Leben zu singen. Ach ja, würde das A-Team doch noch existieren und noch ein wenig in der Welt aufräumen…
Weiter höre ich mit Alex Hirsch und „Juli“. Einem ebenfalls recht ruhigem Lied, zumindest am Anfang. Auch hier fällt mir wieder der bestens verstehbare helle Gesang des Sängers auf. „Ping“, der im Hochton wunderbar durchsichtige Klang tut auch dem dezent gespielten Xylophon gut, dass wie festgenagelt vor mir steht. Auch im weiteren Verlauf dieses Liedes, wenn die Band dazu kommt, geht das Holzinstrument nicht unter. Etwas weiter rechts spielt währenddessen gut zu orten die Akustikgitarre. Dabei gehört der MS-480 SE nicht zu den Verstärkern, die jedes Fitzelchen auf die Goldwaage legen und sezieren, sondern in seiner Art ein umgänglicher Charakter ist. Nach ungefähr einer halben Stunde kommt der Amp dann so richtig in Schwung und verliert seine anfängliche Schüchternheit. Was dem guten Klang förderlich ist, da dieser nun eine Spur wärmer wird. Unter anderem zeigt sich das beim Korpus der Akustikgitarre, was ich sehr sympathisch finde.
Da zeitgleich mit dem Verstärker auch der CD-Spieler 880 SE aus dem Hause Pier Audio zum Test anwesend ist, wird dieser natürlich auch am MS-480 SE angeschlossen. Und, soviel vorweg, die beiden Geschwister ergänzen sich bestens. Schön aufgeräumt ertönt das Orchester bei „Temptation“ von und mit Diana Krall vor mir. Okay, in der räumlichen Tiefe ist noch ein wenig Luft nach oben offen, dafür stimmt die Staffelung von links über die Mitte nach rechts. Angenehm warm mit leicht weicher Tendenz ist der Mitteltonbereich. Die Klavierläufe kommen „Locker vom Hocker“, so wie ich persönlich es gerne mag. Und bei den längeren Saiten, die für die tiefen Töne zuständig sind, zeigt der Verstärker, dass er gut im Saft steht. Im Hochton geht es dafür, wie auch bereits gehört, klar und detailliert zu, und dies gibt der Musik den nötigen Schwung.
Etwas Gas geben muss jetzt auch mal sein. Ein wesentlich flotteres Klavierspiel als zuvor gibt es jetzt bei „Dragon“ von Paolo Conte. Sehr rasant flitzen die Finger des Pianisten bei „Dragon“ über die Tasten. Angenehm sind wieder die Klangfarben. Auch bei diesem Stück stelle ich fest, dass, je höher die Töne sind, sie dann neutral mit einem leichten Schuss Helligkeit wiedergeben werden, sodass eine Portion Strahlkraft dazu kommt. Bei weiteren Liedern dieses Albums komme ich dann auch wieder in das Vergnügen, die knorrige Stimme von Paolo genießen zu dürfen. Begleitet wird er unter anderem von dezent über das Becken streichenden Besen und dem farbenfrohen Fagott.
Die Bewährungsprobe für den Hybrid-Vollverstärker Pier Audio MS-480 SE steht nun an. Zum Abschluss des Tests kommt Jim Keltner mit „The Sheffield Drum & Track Record“ ins Spiel. Und ich bin angenehm überrascht. Das Schlagzeug fetzt überzeugend echt durch die heimische Hütte.
Jeder Schlag der Drums und der Fußtrommel sitzt. Ich höre und spüre einen ordentlichen Druck mit dem bereits beschriebenen leichten Schuss Wärme in den unteren und mittleren Lagen. Ok, er dürfte noch etwas härter und straffer sein, aber das sind ja nicht unbedingt die Tugenden, die von einem Verstärker dieser Bauart und Preisklasse erwartet werden. Was mich wirklich beeindruckt: Trotz seiner nominell relativ geringen Ausgangsleistung von 2* 55 Watt knickt der Hybrid nicht an meinen elektrisch anspruchsvollen Standlautsprechern ein. Das zeigt, wie stabil er doch unter kritischen Lasten arbeitet!
Pier Audio MS-480 SE – Das Fazit
Obwohl der Pier Audio MS-480 SE auf dem Papier nicht der leistungsstärkste Vertreter seiner Zunft ist, ist er im Tiefton überzeugend stabil. Die unteren und mittleren Tonlagen garniert er in seinem Spiel mit einem leichten Schuss angenehmer Wärme. In den oberen Frequenzen spielt er bei Stimmen und Instrumenten klar und verständlich. Jedoch seziert er die Musik nicht, sondern versetzt sie in einen angenehmen Fluss.
Im Test
Röhren Hybrid Verstärker
Pier Audio MS-480 SE
Preis: 1.199 Euro
Vertrieb
Dietmar Hölper
Kirchstraße 18
D-56459 Ailertchen
Tel.: +49 / 26 63 – 73 47
Mail: dietmar.hoelper@t-online.de
Web: www.dietmar-hoelper.de
Mitspieler im Test
Quellen digital – Netzwerkspieler Cambridge Audio 851N, CD-Laufwerk Cambridge Audio CXC, Musikserver Innuos ZEN MK.III, CD-Spieler Pier Audio CD-880 SE
Quellen analog – Plattenspieler Rega Planar 6 mit MC-Tonabnehmer TAD Excalibur Black, Phono MM- & MC Verstärker Trigon Vanguard III
Verstärker – Vorverstärker Cambridge Audio 851E, Endverstärker Cambridge Audio 851W
Lautsprecher – Standlautsprecher LUA Con Espressione, Subwoofer REL R 505
Kopfhörer – Offener Kopfhörer Focal Clear, Kopfhörerverstärker Divaldi AMP-02 mit Phono MM- & MC Stufe
Zubehör – Lautsprecherkabel Supra XL Annorum. XLR- und Cinchkabel Fadel Art Pro Link, Stromkabel Supra LoRad 2.5, Netzleiste PS Audio Dectet, HiFi-Switch NuPrime Omnia SW-8, levin design Plattentellerauflage