Am 12. Juni 2019 war es wieder soweit für mich. Ein Konzert-Besuch stand an. Da ich nicht der typische Dauergast in den Konzert-Arenen der Republik bin, für mich also etwas Besonderes. Und tatsächlich ein Geschenk. Ein Freund lud mich auf meiner Geburtstagsparty zum baldigen Konzertbesuch ein. Eine tolle Sache. Wir hatten uns im Freundeskreis grundsätzlich überlegt, uns lieber mit „flüchtigen“ Erlebnissen – gleich welcher Art – eine Freude zu machen, als mit „Sachen“. Flüchtig ist hier physikalisch wie psychologisch auslegbar 😉 Heuer sollte es also Bryan Adams sein, der mit seiner „Shine A Light Tour“ auch in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle gastierte.
Ich gebe offen zu, ich überlegte… Bryan Adams, kurz nach dem Urlaub… hach… Zudem hatte ich Bryan Adams in den frühen 90ern komplett aus den Augen verloren, verschwunden in der Schublade Mainstream-Pop-Rock mit Schnulzengefahr. Da ich damals gelegentlich Iron Maiden T-Shirts an hatte und Metallica wie Anthrax hörte und mein intellektueller Ausgleich bei The Police, Sting und Konsorten stattfand, passte Herr Adams einfach nicht in mein musikalisches Weltbild. Warum erzähle ich das? Weil ich beschlossen habe, mich häufiger auf Dinge einzulassen und ihnen eine Chance zu geben. Mir war klar, ich würde das Konzert musikalisch überleben – und ich wusste, das ich einen routinierten Künstler sehen und hören durfte, der nach 40 Jahren Schaffen im Musik-Business eine Art Lebenswerk geschaffen hat – mit über 100 Millionen verkauften Tonträgern. So ließ ich mich auf den Abend ein. Denn es ging ja nicht nur um Bryan Adams, es war ja auch ein Abend mit Freunden!
Nachdem es der Straßenverkehr in Ditzingen und Feuerbach nicht gut mit mir meinte, fand ich eine entspannte Parkplatzsituation vor. Trotz zweier Veranstaltungen in der Schleyer-Halle und der benachbarten Porsche-Arena, die sich ein Eingangs-Foyer teilen. Erstaunt waren wir auch von der Bestuhlung. Komplett bestuhlt – auch im Innenraum. Dass das Bryan Adams Publikum keine Teenies sind, das ist klar – aber so schlimm?! Wir waren recht früh dran, so sahen wir, wie sich die Halle füllte. Mit ca. 6500 Menschen. Damit waren fast alle Plätze belegt und es machte sich Stimmung in der Halle breit. Durch die geschickte Aufteilung der Halle blieb das Publikum kompakt und verlief sich nicht in den freien Bereichen.
Pünktlich um kurz nach acht – ohne die akademische Viertelstunde aus zu nutzen – enterte Bryan Adams und seine Band die Bühne und legte direkt entschlossen los. „My Name is Bryan. I‘m your singer for tonight.“ Sehr cool. Das Bühnenbild war schlicht. Praktisch reduziert auf die große LED-Wand und Licht. Die Konzentration lag so voll auf dem Act, nicht auf dem Drumherum.
Die Besetzung klassisch rockig: Zwei Gitarren, ein Bass, ein Schlagzeug und ein Piano/Keyboard. That’s it. Bryan Adams stieg dann auch direkt rockig mit neuen Titeln ein. Mit ordentlich Schub. Die Drums klangen fett in der Schleyer-Halle, die mit einer ordentlichen Akustik aufwartet. Die Gitarren trieben die Songs. Das war das, was mir bei den Aufnahmen immer gefehlt hat – zumindest auf meiner Anlage. Adams rockte das Haus! Klotzen, nicht kuscheln! Ich wünschte mir einen Stehplatz… das ging in die Beine. Und deshalb wollte ich auch zum Konzert. Bryan Adams weiß wie es geht – und seine Band auch. Profis. Ich ahnte es. Das macht Spaß. Rock wie aus dem Bilderbuch. Der lässige Bassist im Hintergrund, der fokussierte Keyboarder an den Tasten, der ambitioniert aufspielende Schlagzeuger und der langjährige Lead-Gitarrist Keith Scott als Co-Star, den Bryan Adams geschickt mit einbezog.
Auch sympathisch: Obwohl Bryan Adams der Star auf dem Set war, machte er immer klar, das hier eine Band am Werke war. Adams sang mit fast ungewohnt rauer Kehle, was dem Sound gut tat. Präsent, voller Energie. Ich glaube, er mochte an dem Abend sein Publikum und das Publikum mochte ihn. Das passte. Und ich glaube, das merkte man bis in die letzte Reihe. Okay, der „Guten Abend Stuttgart“-Spruch ist Klischee, aber es ging darüber hinaus. Nach ein paar Liedern stand das Publikum im Innenraum zwischen den Stuhlreihen. Am Bühnenrand die echten Fans. Zwei Kameras fingen die Stimmung im Publikum und auf der Bühne ein und übertrugen sie auf die Leinwand, wenn es keine Videos zu bestaunen gab.
„Ich spiele heute alle meine Songs…“ So leitete er ein. „Alle die ich mir noch merken kann.“ *haha* Guter Scherz. Bryan Adams kokettierte ein wenig mit seinem Alter. Es sei ihm gegönnt. Er wir dieses Jahr am 5. November 60. Klasse. Soviel Energie möchte ich dann auch noch haben. Ungefähr in der Mitte des Konzerts entließ er seine Band für ein Päuschen von der Bühne und stand für ein paar Songs alleine dort. Eine tolle Präsenz hatte der Mann. Zum Ende hin kamen die Klassiker. Adams hatte das Publikum fest im Griff. Und das über zwei Stunden. Respekt! Kurz nach zehn endete der „offizielle Teil“ und die Band gab noch zwei Zugaben. Aber das Publikum war mit Bryan Adams noch nicht fertig. Und Bryan Adams noch nicht mit Stuttgart. Bewaffnet mit seiner Akustik-Gitarre und einer Mundharmonika gab er am Rand der Bühne noch drei Lieder zum besten. Untrüglicher Schluss war erst, als er sein Plektrum in die Menge warf. Stuttgart feierte Bryan Adams und Bryan Adams dankte Stuttgart. Ich glaube, das kam von Herzen. Danke, für das unverhofft schöne Geschenk!
Fotos: F. Visarius