Die zweiten ersten Eindrücke von der High End 2022 in München. Nicht widersprüchlich, denn nachdem Bernd mit flinker Feder seinen ersten Bericht von der High End 2022 bereits direkt mit taufrischen Fotos von den ersten Pressekonferenzen verfasst und veröffentlicht hat, bin nun ich nach meiner Rückkehr am Samstag an der Reihe. Nach für mich drei großartigen Messetagen mit viel tollem HiFi, tollen (Wieder-)Begegnungen mit Ausstellern, Kollegen, Freunden, mit tollen zufälligen Gesprächen mit anderen Besuchern und mit tollen Höreindrücken. Heute, Sonntag, während sich die Messe im Endspurt befindet, bin ich nun froh, meine Fotos in ganz in Ruhe und vor meiner eigenen Musik-Anlage ohne Trubel zu bearbeiten und zu meinem ersten Bericht zusammen zu fassen. Und (mittlerweile) weicht auch der Schmerz aus den strapazierten Beinen 😉
Mein zusammenfassender erster Eindruck: es war das große Hallo. Alle schienen froh – wie auch ich – , sich nach zwei Jahren verordneter sozialer Abstinenz wieder zu sehen und nicht nur hygienetechnisch risikolos zu telefonieren oder Emails zu schreiben. Auf der High End waren jetzt endlich auch wieder die zufälligen Kontakte möglich, das „sich über den Weg Laufen“, wie es auf den diversen Veranstaltungen und Messen im Jahre 1 b.c. (before corona) und davor möglich sowie geschätzt war. Die High End war sehr gut besucht. In den Hallen berichteten die Aussteller vom größten Andrang bis zum Mittag, danach füllten sich die Atrien um so mehr. Die Besucher schienen wie eine Welle durch die Locations gegangen zu sein. Vielleicht sollte die Hälfte der Besucher im nächsten Jahr einen anti-zyklischen Laufweg in Betracht ziehen 😉
An Tag drei – dem ersten Publikumstag – der High End blickte ich zum Messestart um zehn Uhr im Eingangsbereich der Halle 2 in fröhliche Gesichter von der Clearaudio Crew, die sich um den Clearaudio / Elac Bully versammelt hatten. Gleich ein Anlass kurz zu plaudern und ein paar Fotos zu machen.
Das in dem Bus ein Plattenspieler verbaut ist – Clearaudios naheliegende Interpretation von Car-Hifi – , das wusste ich ja. Ebenso, dass das Interieur des VW Bullys in fröhlichem schwarz gehalten ist, was (Alt-)Hippies wohl in tiefe Depression stürzen wird. Der Kontrast mit Reinweiss lässt aber schnell erkennen, dass hier das Marketing die Finger im Spiel hatte und die Corporate-Identity konsequent visualisiert hat. Und apropos Spiel: die Anlage mit Elac Lautsprechern im Busle spielt hervorragend. Da kommt – auch beim Blumenkind – mit der richtigen Musik – gleich wieder gute Laune auf. Klasse.
Was ich zuvor nicht wusste und mich beeindruckt hat: Der Plattenspieler ist kardanisch mit einem langen Stab und Gegengewichten träge gelagert (siehe Bildmitte, oben). So lässt er sich durch leichte Stöße und Schaukeln der Karosserie nicht aus der Ruhe bringen. Sehr praktisch, für so einen Bully… und auch für Yachten – es gibt wohl schon Interessenten – , möchte man dort bei sanftem Nicken und Rollen des Rumpfes gepflegt eine Platte auflegen. Eine Yacht sollte es schon sein – bei einer Jolle kommt die Masseträgheit nicht mit 😉
Gleich daneben wartete DYNAUDIO nicht nur mit einem weiteren Volkswagen und einem Porsche Cayenne in Sachen Car-Audio auf, sondern auch mit einem De Lorean im Top Zustand als Eye-Catcher. Da der Flux Kompensator offensichtlich noch bei Doc Brown in der Werkstatt lag und zurück in die Zukunft zu reisen ausschied, hieß also: ab ins Getümmel.
Da ich mit der Car-Hifi-Interpretation von Clearaudio und Elac bereits ersten Kontakt hatte, war dann auch der Abstecher zum Hörraum des Lautsprecherherstellers fällig. Hier stand die Concentro S509 im Mittelpunkt. Besonderheit: Ein Koax aus JET-Hochtöner, der mit Tiefmitteltöner und vier seitlichen Bässen zu einem Vierwege-System um 16.000 Euro wird. Der Sound war ansprechend und hat richtig Spaß gemacht. Eine erfrischende Möglichkeit, den Akku kurz aufzuladen, bevor es weiter ging.
Eyecatcher am Stand des Vertriebs Audio Reference waren unter anderem die Mono-Endstufe Dan d’Agostino Relentless Mono-Block. Die Fertigungs-Qualität der Pretiose war immer wieder bestechend – so war das Gerät auch im stummen Zustand beeindruckend. Klanglich wird sie sicherlich auch über jeden Zweifel erhaben sein – auch wenn das Vergnügen im heimischen Hörzimmer nur sehr wenigen Menschen vorbehalten sein wird. Mit einem Lebendgewicht von rund 260 kg dient die rote Kordel wohl wirklich nur zum Schutz vor unziemlichen Betatschen. Unerlaubte Mitnahme im Vorbeigehen dürfte hingegen ausgeschlossen sein und keiner Vorkehrung bedürfen.
Vor etwas Bling-Bling scheute sich in deutlich kleinerem Format und in der Federgewichtsklasse auch Campfire Audio nicht. Aus dem Sortiment des amerikanischen Kopfhörer-Spezialisten hatten die HiFi-IFAs bereits das Modell SOLARIS im Test.
Eine Überraschung offenbarte sich in der Hörkabine des ukrainischen Herstellers Copra. Ein Tipp von Besuchern der High End, die ich zufällig bei Burger und Radler im Biergarten getroffen hatte. Danke nochmal dafür! Sie sagten – zum Thema ultimativer Nachhaltigkeit – Copra stelle Lautsprecher aus Kokosnüssen her. Und diese klängen auch noch super. Und tatsächlich ging der klangliche Eindruck weit über einen ordentlich gemachten Gimmick hinaus. Gehört hatte ich die neueren, äußeren Zwei-Wege-Systeme in Kombination mit einem Subwoofer. Der Sound war frisch und knackig. Durch den Sub kam auch ein guter Bass. Für Spaß war also definitiv gesorgt. Interessant wird sein, wie bruchlos das System im Übergang zum Tiefton bei komplexer Musik spielt.
Ein Besuch galt auch dem Kabelspezialisten Boaacoustic. Der Stand war gut besucht und sicherlich wurde unter den Besuchern das Thema Kabel – wie eigentlich immer – kontrovers diskutiert. Wir HiFi-IFAs haben jedenfalls unsere (positiven) Erfahrungen mit dem Thema Kabel und auch mit Boaacoustic im Test gemacht.
Im Mittelpunkt stand bei Boaacoustic die neue ARGENTUM Serie mit Cinch- und XLR-, Lautsprecher-, sowie Netzkabeln. Aber auch die Blueberry, Blackberry, Evolution Black und Silver Serien waren mit zahlreichen Produkten vertreten.
Enthusiastisch hat mich dann auch Kim Levin abgefangen in den oberen Gängen des Atrium 4. Ihre Begeisterung galt auch dem Zubehör. Im Wechsel stellte sie mir eine Plattentellerauflage aus Kork vor und dann die Auflage aus dem Levin Design Programm. Der akustische Effekt (es ging ihr nicht um die Haptik 😉 ) beim Abspielen der Platte war erstaunlich, da tatsächlich mehr Ruhe ins Klangbild kam. Für alle, die für so ein Experiment offen sind, kann ich eigene Versuche und eigene Erlebnisse nur empfehlen. Technische Basis war auf dem gemeinsamen Stand ein Rike Audio Plattenspieler.
Brandneu im Programm ist der Kopfhörerverstärker, den Frank Levin in den Händen hält und der gleichzeitig als Kopfhörerständer dient. Ich bin gespannt auf den Sound… Danke ihr beiden, für die Zeit und das schöne Gespräch!
Wo wir grad beim Design sind. Ein echter Eyecatcher ist das Soundsystem DoDeca von DoAcoustics. Der Zwölfflächner arbeitet mit 3 Kanälen. Die Hoch-/Mittelton-Abteilung ist dabei jeweils mit einem Co-Axial-System bestückt. Spannende ist die durchdachte Logik, die aus einer klassischen Symbolik abgeleitet ist und so die Klassik mit der Moderne verbindet. Das Soundsystem ist auch App-gesteuert und arbeitet mit AirPlay, Bluetooth und analogem Eingang.
Eine gestalterische wie technische Ableitung ist der passive Lautsprecher DoAcoustics Ottavia, der ebenfalls mit einem Co-Axial-System und einem Bass arbeitet und so drei Wege aufweist. Die Lochung der hochglänzenden Abdeckung ist ebenfalls mit dem gleichen Muster verziert.
Angetrieben wurden die Lautsprecher vom ebenfalls italienischen Hersteller Trinaudio, den wir von einem gemeinsamen Stand mit cmi Distribution Europe und dem damaligen Spielpartner audel kannten.
Trinaudio hat hat für seine Vor-/End- und Voll-Verstärker sowie Phonovorstufe Gehäuse von respektabler Größe aus schickem Holz und edlen Corian an der Front. Die wenigen Bedienelemente fallen der Proportion des Gerätes folgend recht groß aus, was man fast als „seniorengerecht“ einordnen könnte. Mir persönlich gefällt das sehr gut. Warum soll man den Platz, den man hat, nicht auch nutzen – funktional und gestalterisch?!
Bei „gestalterisch“ fällt mir sofort der italienische Hersteller Diapason ein, der mir im Test der Adamantes V klanglich und mit dem facettierten Gehäuse (Adamantes = Diamant) aus massiver Walnuss auch optisch bereits sehr gut gefallen hat. In München zeigte Diapason die Karis Wave, die sonst ebenfalls in Walnuss gefertigt wird, in einer limitierten Edition (50 Stück) aus Olive. Wer sich für Holzbearbeitung begeistern kann, dürfte bei den Schmuckstücken hin und weg sein.
Nicht nur das: die Karis Wave spielten im Hörzimmer auch phantastisch Musik. Zuerst hatte ich mich beim Reinlaufen gefragt, ob nun die kleinen, oder die großen Lautsprecher spielen. Aber es waren die Karis Wave, die sich auch im Tieftonbereich achtbar schlugen und so ein rundes Bild erzeugten.
Diapason setzt bei der Weiche übrigens nur einen Hochpassfilter ein. Der Tief-/Mitteltöner blendet sich selbst konstruktionsbedingt aus, wie ich in einem angenehmen wie informativen Gespräch mit Diapason Gründer und Mastermind Alessandro Schiavi erfahren durfte.
Schön war es auch, Daniel Frauchiger wieder zu sehen. Wir durften seine ersten Schritte in Deutschland mit dem DAC-1 in Deutschland begleiten. Der hieß damals noch PURSON und wurde mit Einführung in den Markt durch den Vertrieb in MERASON DAC-1 (Test November 2018) umbenannt. Auf der High End 2022 stellte Daniel nun die überarbeiteten Gehäuse für den DAC-1 vor, die deutlich solider ausfallen und keine Verschraubungen oben auf dem Deckel mehr aufweisen. Neben der obligatorischen Alu-Front ist nun auch etwas güldenes im Programm. Im Hintergrund der kleine DAC-Bruder Frérot (Test August 2020) mit dem Netzteil pow1. DAC-1 und Frérot haben die HiFi-IFAs einen Hammer-Klang attestiert. Was noch mit dem Netzteil pow1 zu holen ist, probieren wir grad aus. Davon wird bald bei den HiFi-IFAs zu lesen sein.
Nicht nur das Brüderchen Frérot, neat-lich (5 Euro in die Wortspielkasse) sind auch die grad mal 45 cm hohen Standlautsprecher Neat Iota Alpha, die in verschiedenen Holzfurnieren zu haben sind. Von der Größe darf man sich nicht täuschen lassen. Wir haben die großen Brüder Explorer einmal an Cyrus Audio Elektronik, beide im Vertrieb von Bellevue Audio, gehört. Das war schon überraschend. Wer einen kleinen Lautsprecher in absoluter Wandnähe sucht, könnte hier einen Blick drauf werfen. An der Wand stehend wird auch die Form plausibel.
Zum Abschluss noch ein Abstecher zu sonoro, von denen wir bereits einige Geräte getestet haben. Angefangen hat das mit All-In-One-Streaming Geräten. Mit dem Streaming-Receiver MAESTRO, den Kompaktlautsprechern ORCHESTRA und den PLATINUM Plattenspielern hat der Neusser Hersteller dann den Schritt in Richtung HiFi gewagt. Hinter verschlossenen Türen und mit abgedeckter Kamera-Linse haben wir bereits einige Eindrücke bekommen, was sonst für die nahe Zukunft im Hause sonoro geplant ist. Fazit: Es bleibt spannend! Offiziell vorgestellt hat sonoro die Möglichkeit zur Einbindung ihrer Systeme ins Smart-Home mittels KNX. Exemplarisch vorgeführt mit GIRA-Bedienfeldern.
Eine neue Marke will sonoro ebenfalls etablieren: Faller. Der mobile Lautsprecher soll Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen unterstützen, ohne dass diese gleich beim Fernsehen oder Radiohören gleich einen Kopfhörer aufsetzen muss. Die Geräte sind akustisch speziell auf den Bereich menschlicher Sprache ausgelegt. Der Zuhörer soll mit dem kabellosen Lautsprecher eine Unterstützung in genau diesem Hörbereich bekommen und den Rest der Informationen sowie Geräusche natürlich aus seiner Umgebung aufnehmen können. Der Hörer lädt das Gerät in einer Ladeschale und nimmt es bei Bedarf dorthin mit, wo er sich aufhält. Eine interessante Idee, wie wir finden, um moderne Technologien zu nutzen, Menschen zu helfen.
Das war der zweite erste Eindruck von meiner Seite. Weiter geht’s die Tage von der High End München 2022.
Fotos: F. Visarius