Sonntag, halb elf in Deutschland. Nach unserem Hotel-Frühstückchen kamen wir recht entspannt am zweiten Tag der Deutsche HiFi-Tage 2022 im Darmstadtium an. Obwohl die Ausstellerzahl deutlich geringer war als 2019 und unser Pensum mit etwas Disziplin und Hast – aber wer will das schon – an einem Tag zu bewältigen gewesen wäre, konnten wir den Extra-Tag gut brauchen, um in Ruhe weitere Gespräche zu führen und Eindrücke zu sammeln. Eines war klar: Es wird keine Langeweile aufkommen. Der Vorteil der diesjährigen Ausstellerzahl war, dass man sich selber entspannte und sich schon unterbewusst mehr Zeit für Gespräche an den Ständen und Hörräumen ließ. Natürlich haben wir es nicht zählen können, aber nach unserem Eindruck werden es auch deutlich weniger Besucher als beim letzten Mal gewesen sein. Das merkte man aber nur im Atrium und auf den Gängen, denn die Hörräume der Aussteller, die den Weg nach Darmstadt gefunden haben, waren bestens besucht und zu den beliebten Vorführzeiten eigentlich immer voll. Die Aussteller berichteten auch, dass die Besucher in den Vorführungen Sitzfleisch bewiesen und gespannt der Musik gelauscht haben. Aber was red ich. Los geht’s.
Immer etwas los war beispielsweise im ersten Geschoss bei CAYIN. Der chinesische Hersteller, der bei seiner Elektronik schwerpunktmäßig auf Röhren setzt und mit seinen wertigen Gehäusen mit massiver Front gut erkennbar ist, hat ein breites Produktspektrum, setzte aber in Darmstadt wie schon in Stuttgart in der Vorführung auf Kopfhörerverstärker. Das Interesse des Publikums war offensichtlich – und die Sonne schien durch die große Glasfassade nicht nur für sondern auch auf das edle HiFi-Equipment.
In Sachen Vorführung war Malte Ruhnke schneller als der Blitz. Der von uns überaus geschätzte Journalist referierte nicht nur fachkundig bei B&M zu Raumakustik-Themen, sondern unterstützte auch bei Audio Reference ambitioniert in der Vorführung. Offensichtlich hatte er großes Vergnügen in seinem neuen Job und den von seiner Agentur betreuten Produkten – was sich sicher auch auf das Hörvergnügen des Publikums übertrug. Die Wilson Audio Sophia gingen mit direkter Ansprache zu Werke und zogen die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich, befeuert von edler Elektronik von Dan d’Agostino. Unten im Bild – vorne rechts – sind die Lautsprecher des Surround-Spezialisten M&K, die ebenfalls im Vertriebsportfolio von Audio Reference zu finden sind, zu sehen. Einige Modelle – wie hier ausgestellt – eignen sich durchaus auch hervorragend für den Stereo-Betrieb.
Die bei Technics aufgereihten DJ-Plattenspieler erinnerten ein wenig an das Farbschema von Piet Mondrian. Doch die Farbauswahl auf der Messe täuscht, denn gefeiert wird nicht die grafische Kunst. Mit dem in 7 Farben erhältlichen sowie limitierten SL-1200M7L um 1.000 Euro feiert Technics die 50-jährige Geschichte seines Kult-Turntables. Der Direkttriebler ging 1972 erstmals an den Start.
Neben den Plattenspielern im farbenfrohen Gewandt präsentierte Technics auf dem Sideboard auch klassisches HiFi in silber und schwarz sowie seine Kopfhörer. Wer mochte, konnte einen Blick in das Innere eines frei geschnittenen kompakten SB-C600 2-Wege Koaxial-Lautsprechers werfen. Bereits stumm machte er sich gut neben der Kompaktanlage SA-C600. Von der Kubatur passt dazu perfekt mit gleicher Deckhöhe der Plattenspieler SL-1550C aus der Premium-Class. Alle drei jeweils bepreist mit einem UVP von 999 Euro.
In der Vorführung machten die aufgeständerten kompakten Lautsprecher SB-C600 und die Kompaktanlage SA-C600 als Duo eine richtig gute Figur. Tolles HiFi um 2.000 Euro mit schöner Räumlichkeit und Feinarbeit war für Bernd und mich ein echtes Messe-Highlight, und für den aufgerufenen Preis echt der Hammer. Natürlich war der Raum für die Regallautsprecher zu groß, aber in den vorderen Reihen mit kurzem Hörabständen ließ sich erahnen, was in kleinen bis mittelgroßen Gemächern möglich ist. Mehr Präsenz war mit den Standlautsprechern SB-G90 und den aktuellen Geräten aus der Reference- und Grand-Class-Serie zu erleben, die ebenfalls in den moderierten Hörsessions vorgeführt wurden.
Natürlich geht es hier um Musik und wir sind kein Architektur-Magazin, aber der Raum von DENON und Polk Audio, die neben beispielsweise auch Marantz und Bowers&Wilkins in Sound United vereinigt sind, begeisterte mich schon beim Betreten. Spärlich möbliert und aufs Wesentliche reduziert wurde hier im Sonnenlicht das Zusammenspiel des warmen, hellen Holzes mit dem Sichtbeton und der offengelegten Gebäudestatik deutlich. Dabei nahmen die grauen Stoffe der neun Sitz-Würfel und der Lautsprecherbespannungen den Farbtons des Betons auf. Ausgestellt waren stumm ein DENON-Surround-Receiver und die schicken DENON HOME 150 / 250 / 350 Wireless-Lautsprecher mit integrierter HEOS-System-Vernetzung. Zum Platznehmen auf den Sitzwürfeln luden das EISA Award prämierte DENON Duo aus Verstärker PMA-900HNE und der CD-Spieler mit USB-Schnittstelle DCD-900E sowie die 2,5-Wege Standlautsprecher R600 von Polk Audio ein. Sie traten den Beweis an, dass ein HiFi-System um 3.000 Euro spontan mehr Spaß an der Musik vermitteln kann, als Anlagen die ein 10-faches kosten. Wir haben uns gefreut, dass sich doch der ein oder andere Hersteller getraut hat, Anlagen im „bezahlbaren“ Ein- und Aufstiegssegment vorzustellen.
Im gehobenen Preissegment, bei dem man statt vom Kauf schon von einer kleinen Investition sprechen darf, waren dann der Lautsprecher-Hersteller Manger an Elektronik vom HiFi- und Pro-Audio-Spezialisten SPL am Start. Die passive Manger p2 – mit ihrem markentypischen Wandler – wurden von der Vorstufe SPL Director mk2 und den Mono-Endstufen SPL Performer m1000 befeuert. Markant thronte der Transrotor Plattenspieler auf dem Rack. Die präsentierte Kombi warf zwar lange Schatten, sorgte aber definitiv nicht für lange Gesichter. Zum Thema Architektur und Dekoration sage ich jetzt mal nichts – aber ich fand sie auch in diesem Hörraum extrem gelungen. Interessanterweise mussten die Aussteller – im Gegensatz zu anderen HiFi-Messen – nur sehr wenig – bis gar nicht – an der Raumakustik herumdoktern.
Gebannt lauschte Bernd begeistert der Vorführung, die mit den wenigen Worten räumlich, natürlich und entspannt sicherlich gut umrissen ist. Wir erinnerten uns dabei an den Test der aktiven Manger s1 in unserem Hörraum zurück. Aktiv dabei am Stand dabei war neben Daniela Manger auch der umtriebige Jochen Bareiß, der die Vorführung nicht nur mit Gerätschaften, sondern auch mit den von ihm hergestellten WSS-Kabeln unterstützte. Der Name seines Nürtinger Ladens: hörenswert HiFi. Unsere Meinung dazu in Bezug auf die Deutschen HiFi-Tage: Mission accomplished.
Nichts kann man unbeobachtet machen… Bernd erwischte mich dann noch, als ich mich mal wieder Inkognito als HiFi-Detektiv (O-Ton Bernd) am Kopfhörerverstärker Phonitor xe von SPL zu schaffen machte. Eigentlich fast nicht nötig, hatten wir doch bereits den Kopfhörerverstärker mit optionalem DAC SPL Phonitor x und den Dan Clark Audio AEON2 Noire zum Test. Aber warum in dem Gewusel nicht mal abtauchen, wenn man vorher schon weiß, dass man seinen Spaß haben wird. So war ich dann auch kurz mal so tief versunken, dass ich fast nicht bemerkte, wie der Tonmeister Jean-Marie Geijsen (wir kannten ihn von Tag 1 aus seiner Hörsession bei CBA-Audio) nach seinem Besuch bei Manger und SPL Audio den Hörsaal verließ.
CANTON feierte auf den Deutschen HiFi-Tagen sein 50-jähriges bestehen, die silbernen Luftballons deuteten dies dezent an. Als stumme Geburtstagsgäste standen bei der Party zahlreiche Mitglieder der SMART SOUND Familie vom kompakten Smart VENTO S32 (2.600 Euro / Paar) bis zum gestandenen Smart REFERENCE 5 K (8.500 Euro / Paar) Spalier. Allesamt ausgewachsene HiFi-Lautsprecher kombiniert mit intelligenter kabelloser Vernetzung.
In der Vorführung trafen sich im klassischen Anlagen-Setup an AVM-Elektronik die großen Top-Lautsprecher REFERENCE 5 K (5.350 Euro / Stück) und REFERENCE 3 K (3.650 Euro / Stück) sowie in schwarz die limitierte außergewöhnliche ERGO 50 Jahre GS Edition.
Audio Trade alias ATR setzte in seinem großzügig bemessenen Raum auf Lifestyle. Aus unserer Sicht ein gelungenes Konzept, da es HiFi als integralen Bestandteil des Wohnraumes verstand. Im Falle des aktiven Ultra-HD Streaming-Lautsprechers Cabasse The Pearl Pelegrina (12.500 Euro / Stück) natürlich in betont skulptureller Gestalt, die nicht nur hervorragend musizieren, sondern auch dem Auge gefallen will.
Ein Hingucker war dementsprechend auch der brandneue Plattenspieler ZV11X in custom metalic green des kanadischen Spezialisten ZAVFINO aus Nova Scotia. Status: „coming soon“. ZAVFINO Turntables starten in der Preisklasse ab rund 5.000 Euro.
Schlicht, aber schick machte sich der Pro-Ject Debut Carbon EVO in Satin Gold-Gelb für rund 600 Euro neben der exakt passend gefärbten Pro-Ject Speaker Box 5 S2. Das kann kein Zufall sein 😉
Zur Freude eines jeden Wohnraumgestalters nahm das Goldgelb (RAL 1004) der Dekorplatten des USM Haller Sideboards gekonnt Farbe der Pro-Ject-Geräte vom Nachbartisch auf. Auf dem Möbel, das nicht nur eine Zierde für Arzt- und Anwaltspraxen sein sollte, präsentierte sich in schwarz das smarte 2.1-Lautsprechersystem Cabasse The Pearl Keshi 2.1 um 2.000 Euro. Ob das Schwarz-Gelb für audiophile Fußballfans ein dezenter Hinweis auf die Finest Audio Show am 05./06.11.2022 in Dortmund sein sollte? Wir wissen es nicht 😉 Ein Tipp jedenfalls für HiFi-Fans aus Rheinland und Ruhrgebiet, die sich für ihr Hobby begeistern lassen wollen.
So, das war’s auch schon von den Deutschen HiFi-Tagen 2022 aus dem Darmstadtium in Darmstadt – einem hervorragenden Austragungsort für eine HiFi-Messe. Danken möchten wir Michael Hackenberg vom Veranstalter WEKA Media, der sich emsig und interessiert um die Branchenvertreter (Journalisten) kümmerte, die als Besucher kamen und zum Teil beim Einlass einen recht holprigen Start erlebten. Das Urgestein, schon seit Motor-Presse Tagen bei den HiFi-Magazinen stereoplay und AUDIO, wird sich bald in den verdienten (Un)Ruhestand verabschieden. Dafür wünschen wir ihm an dieser Stelle alles Gute, sind uns aber sicher, das wir uns nicht das letzte Mal gesehen und gesprochen haben.
Die quantitative Seite der Veranstaltung: Weniger Besucher – ob dies an der Strategie des Veranstalters lag, einen Eintrittspreis zu verlangen, oder an der generellen Vorsicht der Menschen zu Zeiten von Corona (oder beidem), können wir nicht beurteilen – trafen auf eine geschrumpfte Zahl an Ausstellern. Den Gesetzen der Mathematik folgend resultierten daraus jedenfalls weiterhin gut besuchte Hörräume.
Unser subjektiver Eindruck: Unter dem Strich positiv. Händler, Vertriebe und Hersteller, die den Weg nach Darmstadt gefunden hatten, erfreute die Resonanz des Publikums, die zahlreich und interessiert in ihren Interims-Dependancen verweilten. Auch für uns waren es zwei schöne Tage im Darmstadtium mit vielen ansprechenden Hör-Eindrücken, vielen schönen Gesprächen und Begegnungen mit den Ausstellern, aber auch mit interessanten Menschen und Kennern aus der Szene wie Malte Ruhnke (rtfm), Holger Biermann (lowbeats) und Stefan Schickedanz (Journalist), um stellvertretend nur einige zu nennen. Ihnen liefen wir auch „nach Feierabend“ gerne auf einen Plausch über den Weg. Wir würden uns riesig freuen, wenn die Veranstaltung mit Potenzial im Darmstadtium auch im nächsten Jahr eine Fortsetzung fände und wären gerne wieder dabei!
Fotos: F. Visarius (18) / B. Weber (2)
Deutsche HiFi-Tage 2022 – Reportage und Eindrücke – Der Samstag