Sonntag morgen. Heute ist mein Geburtstag. Endlich scheint die Sonne nach vielen kalten Tagen im April und Mai. Die Kälte hat eine Ewigkeit gedauert. Auch scheinen die Corona-Maßnahmen eine Ewigkeit zu dauern. Der zweite Geburtstag im Lockdown. Unterschied dieses mal: Es darf nur eine Person über 14 Jahren aus einem anderen Haushalt zu Besuch kommen. Zu meinem 50ten waren es noch insgesamt 5 Personen, die sich treffen durften aus zwei weiteren Haushalten. Nacheinander dürften mir über den Tag verteilt dutzende Menschen gratulieren – einzeln. Ich muss und will das nicht verstehen. Obwohl ich ein großer Verfechter von Schutzmaßnahmen bin. Aber alles das scheint, wie auch die Kälte des noch jungen Jahres, eine Ewigkeit zu dauern. Ich warte also ab, was mir der Tag so bringt.
Der Tag bringt mir erfreuliches. Denn die Ewigkeit hat noch ein anderes Gesicht und zwar in Gestalt des Dan Clark Audio AEON2 Noire, einem geschlossenen Over-Ear-Kopfhörer, in dem es in diesem Test gehen soll. AEON steht für im archaischen Griechisch unter anderem für die Lebenszeit, das Leben, einen [unbegrenzten]Zeitraum und somit eben die Ewigkeit. Ich gebe zu, die genaue Definition bei Wikipedia nachgeschlagen zu haben, für mich war ein Aeon nebulös immer ein Synonym für eine ziemlich lange Zeitperiode. Aber, ganz ehrlich, das beste an dem Wort ist: es klingt verdammt gut… Und wie der geschlossene Dan Clark Audi AEON2 Noire im Hier und Jetzt klingt, das möchte ich euch in diesem HiFi-IFAs-Review näher bringen.
Annäherung
Um beim Thema zu bleiben: um einen Kopfhörer an den Start zu bringen Bedarf es keiner Ewigkeit. Wäre auch schlimm, denn praktisch soll er, trotz aller Klangansprüche und technischer Sorgfalt, doch sein. So ist es auch beim Aeon2. Dem Kopfhörer liegen ein gummiertes, 1,8m langes Kabel bei, das an jeweils an der rechten und linken Hörermuschel mit M12 push-pull Steckern angesteckt wird. Da der Kopfhörer geometrisch nicht vollständig symmetrisch ist und es dadurch ein vorn und hinten gibt, kann der routinierte Besitzer die Kabel ohne weitere Kennzeichnung einer Seite zuordnen. Dem Neuling hilft die Kennzeichnung R und L auf dem Kopf-Leder, das auch die Tragegröße einstellt. Das rechte Kabel ist dann gut sichtbar mit dem international gültigen „rot für rechter Kanal“ gekennzeichnet.
Wenn der Hörer den Kopfhörer aufsetzt, bemerkt er die angenehme Ergonomie, die aus eben dieser angepassten Geometrie entsteht. Die mit großen Radien dreieckigen Hörer zeichnen die Form der Ohrmuschel gut nach, umschließen das Ohr sicher und sitzen mit sanftem Druck auf dem Kopf auf. Die Polster sind dabei handschmeichlerisch angenehm und ohne Druckstellen. Die Kabel zeigen wie bei einem Sicherheitsgurt leicht nach vorn. So setzen die Stecker bei Kopfbewegungen im anatomisch gesunden Rahmen nicht am Körper auf. Zudem halten sie das wertige, gummierte Kabel etwas vom Körper ab. Anders als geflochtene Kabel hat dieses natürlich durch seine Eigensteifigkeit ein gewisses Eigenleben, fällt aber sehr gut und lässt sich leicht bändigen. Der Klinkenstecker zum Gerät ist im Mobil-Format 3,5mm ausgeführt, ein Adapter auf das Gardemaß 6,3mm liegt bei.
Der schwarze Hochglanzlack auf den Ohrmuscheln macht den AEON2 sehr edel, passend dazu die Deckelflächen aus glänzend versiegeltem Carbon im Race-Look. Die beweglichen Schenkel aus mattem Metall wirken – im Zusammenspiel mit dem doppelten Drahtbügel – sehr leicht. Fast wie eine bionische Interpretation von Zweigen. Kontrast dazu sind – ebenso angenehm wie robust – die Ohrpolster aus Kunstleder und das Band im Bügelband aus Leder. Letzteres innen aufgeraut für besseren Halt. Zusammen ergibt das eine schlüssige Symbiose.
Der Kopfhörer findet seinen Ruheplatz in einer Formhülle, die gleichzeitig auch als stoß- und recht druckfester Transportbehälter dient. Der mit einem Reißverschluss versehene Deckel der Hülle hat innen ein Netz für eher flache Gegenstände. Das Kabel habe ich mich gescheut hinein zu tun, da mir der Platz doch zu eng erschien und ich mit den Steckern nicht den Kopfhörer beschädigen wollte. Insbesondere wenn das Case gestaucht werden sollte. Hier würde ich mir eine andere Lösung wünschen. Die Form der Hülle wirkt allerdings wie an den Kopfhörer angeschrumpft und macht das Case – das eine schicke Metallplakette mit dem Firmenlogo hat – von außen interessant und gibt dem Kopfhörer, der darin in genau einer Position gebettet werden kann, sicheren Halt.
Der Kopfhörer wird über jeweils zwei Gelenke in den Kopfbügel eingefaltet. Die Ohrpolster liegen dann aneinander. Da die Bewegung um die vier Gelenke in etwa gleichzeitig passieren muss empfiehlt es sich, beim Zusammenlegen die Polster bereits in die finale Position zusammen zu legen und den Bügel mit sanftem Druck in seine Ruheposition zu drücken. Das funktioniert sehr gut. Doch zum Wegpacken ist es jetzt bei Weitem zu früh. Ich lasse den AEON2 Noire aber erstmal auseinander gefaltet und einsatzbereit. Während ich mich an den Technikteil mache, kann ich mich schon mal warm hören…
Technik
Der Dan Clark AEON2 wird im Stammhaus in San Diego, Californien, handgefertigt. Beim Bügel und Gehäuse verwendet Dan Clark eine Titanlegierung, Aluminium und Kohlefaser um Stabilität und Leichtbau miteinander zu kombinieren. Das Gewicht des Kopfhörers liegt deshalb ohne Kabel bei 321 Gramm. Die Faltbügel arbeiten nach einem kardanischen Prinzip.
Im Inneren kommt ein proprietärer planarmagnetischer Wandler aus eigener Entwicklung und Fertigung zum Einsatz. Der hocheffiziente Antrieb kommt mit einem kleineren Magneten aus und reduziert so dass Gewicht des Systems. Die patentierte Trueflow Technologie verbessert die Luftströme im Antrieb um störende Wechselwirkungen zu reduzieren. Im AEON2 kommt dies in überarbeiteter Version zum Einsatz.
Der ebenfalls patentierte V-Planar besitzt eine texturierte Oberfläche, die für eine bessere Tiefbass-Performance und eine grundsätzlich höhere Stabilität des Diaphragmas sorgen soll. Mittels der drei beiliegenden Inlays kann der Hörer klangliches Feintuning betreiben.
Technische Daten
- Bauform: Over-Ear
- Bauweise: geschlossen
- Treiber: planar, elektro-magnetisch
- Impedanz: 12,65 Ohm
- Gewicht mit Kabel: 391 g
- Gewicht ohne Kabel: 321 g
- Kabellänge: 180 cm
Zubehör
- DUMMER Cable Kopfhörer Kabel
geräteseitig: 3,5 mm Klinke, alternativ: 4-pol XLR
Kopfhörerseitig: M12 4-pol push-pull - Bei Kabel mit 3,5 mm Klinke: Schraubadapter auf 6,35 mm
- Inlays zur Klanganpassung
- Transport-Case
- Kurzanleitung
- Echtheitszertifikat
Klang
Der AEON2 wird an meinem Hörplatz vom BURSON Playmate2 – auch aus dem AudioNEXT-Vertrieb – angetrieben. Der Playmate 2 passt mit rund 650 Euro auch preislich gut zum 1.000 Euro Kopfhörer. Der Kopfhörerverstärker hängt mit seinem integrierten DAC per USB am Laptop, das die Musik über die APP von Amazon Music in HD Qualität zieht. Der geschlossene Kopfhörer hat eine gute Elektronik verdient und wächst mit dessen Qualität. Der AEON2 ist durch seine Falttechnik zwar ein toller Reisebegleiter, aber er spielt gegenüber reinrassigen Mobilkopfhörern ein gutes Stück leiser. Natürlich kann man ihn direkt an Mobilgeräten betreiben, diese sollten aber einen guten Kopfhörerverstärker integriert haben, sonst kann der Besitzer das Potenzial nicht ausschöpfen. Es macht also Sinn auch unterwegs eine entsprechend wertige Elektronik zwischen zu schalten. Direkt am Handy kann man es beispielsweise einen Earmen SPARROW (HiFi-IFAs-Test November 2020) zur Hand nehmen, oder aber am Reiseziel angekommen einen entsprechend kompakten Kopfhörerverstärker. Zu Hause nimmt diese Rolle der BURSON Playmate 2 ein.
Es ist ja ein schöner Tag und es gibt eigentlich keinen Grund zur Klage. Aber um die leichte Tristesse, die sich dieser Tage manchmal doch einstellt, zwischen den Ohren weg zu wischen, starte ich mit etwas musikalisch Heiterem: „Don’t tell me“ vom Duo Blancmange aus 1984. Mann, das ist lange her – aber es macht mir immer noch gute Laune. Ein Fund in meiner 2020er Playlist.
Der Sinn steht mir nicht nach audiophilem Kleinklein. Mit “Don’t tell me“ spielt Kombi frisch auf. Als wollte sie sagen: „Hey, komm jetzt. Auf!“ Das macht direkt an. Der Kopfhörer nimmt den treibenden Rhythmus des Songs auf. Mit dem Kopfhörer fällt mir auf , mit wie viel kleinen Details der Song gespickt ist, die ihn so lebendig machen. Der AEON2 kommt dabei offen und dynamisch rüber, zeichnet die klanglichen Ereignisse schön. Natürlich ist die Aufnahme Pop-Musik, aber man erkennt, dass sie recht ausgewogen ist und sich nicht aufdrängt. Das anständige Bassfundament des geschlossenen Kopfhörers schafft ein Fundament und Struktur in der Musik.
Bassfundament… Das probiere ich direkt mit The Prodigy’s „Need Some1“ aus. Es ist zu verlockend… Und ich werde nicht enttäuscht. Der AEON2 haut mir den Sound der Wunderkinder ebenso wie Deichkinds „Bude voll People“ um die Ohren. Beide Bands hatte ich 2018 und 2020 noch live gesehen…
Der AEON2 hat die Gene für einen Feingeist, ohne aber zurück zu stecken, wenn es voll ins Leben geht. Der Feingeist in ihm lässt die Musik mit feiner Zeichnung nachvollziehbar und griffig werden, die Impulsivität macht ihn zum Raver. Durch die Offenheit, die der Kopfhörer immer behält erdrückt er den Musikhörer nicht mit Sound – auch wenn es mal lauter wird. Mit „Peter Gunn (feat. Duane Eddie)“ von Art of Noise geht es gleich weiter. Herrlich.
Um mich der handgemachten Musik zu nähern, aber nicht an Fahrt zu verlieren, suche ich mir die Blues Travellers heraus. Ein fantastischer Song. Die freche Gitarre und der verspielte Bass eröffnen den Song, der Drumstick drischt immer wieder knackig aufs Fell – auf den Punkt. Wieder dieses Gefühl für Rhythmus und Struktur. Die Mundharmonika kommt nölig scharf – aber nie schneidend. Der Raum, der sich großzügig um den Kopf herum aufbaut, ist wohl geordnet. Die markante Blues-Rock Stimme von Sänger John Popp bekommt Charakter und lädt zum Zuhören ein, um dem leicht kruden – aber irgendwie beachtenswerten – Text zuzuhören. Jedem Seins. Ein schönes Motto auch für manche Hifi-Diskussion: „I tell you one thing, you’ll tell me another. We walk away and even then shake hands…“
Um dem Thema Transparenz auf die Spur zu gehen lege ich noch Ralph Towners „Anthem“ auf – bzw. lade es in die Playlist ein. Wunderbare Solo-Gitarrenmusik. Die Bühne gehört ganz dem Instrument – und dem Solisten. Die Aufnahme hat einen schönen Raum, der weder künstlich aufgezogen aufgezogen ist, noch zur Singularität in der Mitte des Kopfes verschmilzt. Das macht der AEON2 wirklich klasse. Er nutzt die Informationen der Aufnahme, um im zur Verfügung stehenden Raum der Gitarre ein Volumen zu verleihen und gleichzeitig mit einer Aura zu umgeben. Die Aufnahme ist sehr intim. Der Kopfhörer vermittelt mit seiner Nähe jedes feine Detail.
Die hart gezupfte Seite, das Quietschen beim Bewegen der Finger, das Aufschlagen der hart angerissenen Saite auf dem Griffbrett. Nah, aber nicht aufdringlich. Nicht exponiert, weil auch drumherum noch genug da ist. Wie der Klangkörper der Gitarre. Ich höre die Musik nicht nur – ich wohne ihr bei.
Dem schönen Wetter heute und der Perspektive der nächsten Monate geschuldet, schließe ich mit Martina Freytag und „Summertime“ von ihrem Album „Bestimmt“. Für mich noch eine Art kleiner Härtetest. Ohne der Künstlerin zu nahe treten zu von wollen – ich finde die Stimmakrobatik als Kunstform faszinierend – kann mir die nah aufgenommene Stimme auch leicht mal auf den Keks gehen. Vor allem, wenn es das HiFi-Equipment zu gut meint. Dann kippt die Stimme leicht ins Scharfe, Zischelige. Nicht so mit der BURSON Playmate 2 und Dan Clarke Audio AOEN2 Kombi. Jetzt bin ich wieder bei meinem Anfangsstatement: das Duo spielt frisch auf. Natürlich gibt es „S“-Betonungen in der Stimme – wie es nunmal ist, im richtigen Leben – aber keine Überbetonung. „Summertime… and the living is easy…“ singt Frau Freytag. Ja, so ist das. Mit dem AEON2 könnte ich noch eine kleine Ewigkeit lauschen. Aber es gibt ja auch noch die zweitschönsten Dinge im Leben… Später. Dafür ist noch etwas Zeit…
Fazit
Der Dan Clark AEON2 noire tritt in der 1.000 Euro Preisklasse an und dementsprechend hoch sind natürlich die Erwartungen. Diese erfüllt der geschlossene Kopfhörer mit Bravour. Er zeigt sich auf hohem Niveau ausgewogen und glänzt gleichzeitig mit einem transparenten Klangbild, das sich aber nicht aufdrängt und dadurch eine coole Lässigkeit vermittelt. Im musikalischen Raum kann sich die Grob- und Feindynamik, die der AOEN2 Noire vermittelt, schön entfalten. Dank seiner klanglichen Meriten und dem guten Sitz ist der Kopfhörer absolut langzeittauglich, so dass der Musikfreund – einmal in den Bann gezogen – ein ganzes AEON mit ihm hören mag…
Im Test
Geschlossener Over-Ear Kopfhörer in kompaktem Reise-Case
Dan Clark Audio AEON2 Noire
Preis: 999 Euro
Vertrieb
AudioNEXT GmbH
Isenbergstraße 20
45130 Essen
Tel.: +49 (0)201 5073950
Mail: info@audionext.de
Web: www.audionext.de
Mitspieler im Test
Digitale Quellen – Streaming Bridge LUMIN U1 mini, Musikserver MELCO N100, D/A-Wandler MERASON DAC-1, FiiO M11
Lautsprecher – Dutch&Dutch 8c
Kopfhörer- / Vorverstärker – SPL Phonitor x mit DAC 768xs, SPL Phonitor se mit DAC 768xs, Burson Playmate2, EarMen TR-Amp, makroAudio Steinberg, EarMen SPARROW
Kopfhörer – ULTRASONE Edition 15, FiiO FH7, DENON AH-D7100, Dan Clark Audio AEON2 Noire, Perfect Sound m100r
XLR-Signalkabel – WSS Premium Line KS-200, WSS Platin Line KS-200
Zubehör – Netzkabel Supra LoRad 2.5, bfly Audio bPower, Netzleiste SUPRA Cables LoRad MD07 DC 16 EU SP MKIII, NuPrime AC-4 Power Conditioner, SBooster BOTW P&P Netzteil, innuos Phoenix
Fotos: F. Visarius