Test: Standlautsprecher Guru Audio 28 – hübsche Schwedinnen

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Guru – bei dem Namen kommt mir ja so einiges in den Sinn, aber Lautsprecher? Sicherlich nicht. Und doch haben wir es genau damit zu tun. Guru Audio kommt aus Uppsala in Schweden und fertigt dort ein (noch?) relativ kleines Portfolio an Lautsprechern und Zubehör, das einer sympathischen, gar „alt-englischen“ Philosophie folgt – nämlich der, dass die Lautsprecher, quasi das Frontend einer Stereoanlage, relativ kompakt bleiben und sogar wandnah aufgestellt werden sollten, um sich so unauffällig wie möglich in das Wohnambiente einzufügen.

Das ist nicht nur dem Zugeständnis an unser aller besserer Hälfte geschuldet, sondern eher dem Fakt, dass eine Stereoanlage nur in den allerwenigsten Fällen einen separaten Hörraum in der Größe einer halben Turnhalle zur Verfügung hat, um sich richtig austoben zu können, auch optisch. So ist eben der Alltag des gemeinen Highenders – wenn man mal ehrlich ist – oft „höheren Mächten“ unterworfen. Meist kann man nur dann „ausfahren“, wenn der Nachbar auf Mallorca weilt oder die Familie mal ohne den Hausherren unterwegs ist. Demnach muss sich eine (auch gute und teure) Anlage im Normalfalle, vor allem, was die Boxen angeht, optisch eher „klein“ machen. Von Guru Audio kommt aktuell genau das richtige für diesen Anwendungsfall – nämlich eine kompakte Standbox, die Guru 28.


Standlautsprecher Guru Audio 28 – Optik und Technik

Wie kompakt die Guru 28 wirklich ist, wurde mir bewusst als ich diese beim Vertrieb (Audio Trade in Eltville – übrigens tolles Ambiente und nette Leute, ein Besuch lohnt sich unbedingt) zum ersten Mal in Fleisch und Blut erblickte. Nur etwas über 85 cm hoch, stapelt sie optisch sehr tief.

Sie hat ein Design, das man unwillkürlich sofort als „schwedisch“ einordnet, weil es so gut zum entsprechenden Stereotyp passt: klein, fein, Holz, klar gezeichnet, ohne viel Bling-Bling und mit viel Understatement. Die vorderen Treiber sitzen abgesetzt in einer sauber eingepassten, weißen Abdeckung, als da wären der Hochtöner (eine 20-Millimeter-„Softdome“-Kalotte) sowie der Mitteltöner (ein Konus mit einem Durchmesser von 10 Zentimetern, gefertigt aus einem Glasfiber-/Pappe-Mix). Tja, das ist das, was man gemeinhin einem kompakten Standlautsprecher so zutrauen würde.

Guru Audio hat es sich aber auf die Fahne geschrieben, „Real-World“ – Komponenten anzubieten, die eine gewisse Ernsthaftigkeit aufweisen; und so hat die Guru 28 nicht nur eine „arbeitende“ Front, sondern auch eine Rückseite, die sich musikalisch betätigt, nämlich zwei 11 Zentimeter durchmessende sowie bassreflexbeatmete Tieftöner. In diesem Fall greift „Bassreflex“ jedoch zu kurz, denn die Schweden haben bei ihren Lautsprechern eine kleine Besonderheit hinein entwickelt: die Guru Audio 28 arbeitet als ein kompletter sogenannter „Helmholtz-Resonator“. Dabei handelt es sich um eine etwas speziellere Form des gängigen Bassreflex-Designs, die nach dem „Masse-Feder-Prinzip“ arbeitet, um stehende Wellen innerhalb des Lautsprechergehäuses zu vermeiden. In dem Falle stellen die inneren (Holz-)Verstrebungen die „Masse“ dar und die dahinter befindliche Luft die „Feder“ – mit dem Effekt, dass letztgenanntes etwaige „stehende“ (und damit potentiell dröhnige) Wellen einfach in Wärme umwandelt und somit unschädlich macht. Kleiner Kritikpunkt auf der Rückseite: die Lautsprecheranschlüsse sind lediglich in BFA-Norm ausgeführt, demnach bleiben alle Lautsprecherkabel, die keine 4-Millimeter-Bananaterminals aufweisen, leider außen vor.

Die Guru 28 steht auf jeweils vier Füßchen aus einem Schaumstoffmix, die zwar nicht die letzte Standfestigkeit garantieren, jedoch Teil der Abstimmung der Guru Audio Lautsprecher sind – was man sofort feststellt, wenn man diese sehr weichen, elastisch-nachgiebigen „Pucks“ gegen etwas anderes austauscht…

Standlautsprecher Guru Audio 28 – Technische Daten

  • Frequenzbereich: 26 Hz – 30 kHz
  • Empfindlichkeit: 88 dB (@2,83 V, 1 m)
  • Nennimpedanz: 5 Ohm
  • Crossover-Band: 100 Hz, 2 – 7 kHz
  • Empfohlene Verstärkerleistung: 60 Watt – 300 Watt
  • Bauart: Helmholtz-Resonator
  • Gehäusematerial: MDF/Valchromat/Stahl
  • Hochtöner: 1* 20,5 mm Seidenkalotte
  • Mitteltöner: 1* 102 mm Gewebe mit Faserkegel
  • Tieftöner: 2*110-mm Papierfaser mit Papierkegel
  • Besonderheit: Tieftöner auf der Rückseite
  • nur BFA-Lautsprecheranschlüsse
  • Maße: 182*238*858 mm
  • Gewicht: 13,3 kg
  • Ausführungen: Eichefurnier oder Walnussfurnier

Standlautsprecher Guru Audio 28 – Der Klang

Stellt man die hübsche Schwedin – wie normalerweise gewohnt – so auf, dass die Lautsprecher mindestens circa 40 bis 50 Zentimeter „Luft“ nach hinten haben, fällt auf dass die Guru 28 es ganz famos vermag, eine stabile Räumlichkeit in der Tiefe zu schaffen, die ihren Ausmaßen regelrecht spottet. Sehr schön nachzuvollziehen im Song „Sword + Gun“ von Jose James (CD „No Beginning No End“, Blue Note) – eingeleitet von rhythmischem Klatschen setzen langsam die Blechbläser ein, bis Jose seine markante Stimme erhebt, die ein gutes Stück über der oberen Kante der Guru 28 schwebt….exakt mittig, stabil und in Fleisch und Blut. „Come to my Door“ von der gleichen CD setzt gar noch einen drauf, weil der süchtigmachend groovende Refrain so gut zum harmonischen Gesamtcharakter der Guru 28 passt.

Dieser Lautsprecher möchte geradezu durch die Diskrepanz seiner Abmessungen und dem klanglichen Ergebnis punkten, was er locker schafft. Er spielt sehr ausgeglichen, hat eine schöne Räumlichkeit sowie Stimmwiedergabe. Jedoch, so nach einigen Stunden fehlte mir nichts, bis auf… Ja, ein wenig Grundton sowie Bass könnten der ansonsten sehr gelungenen Präsentation nicht schaden. Am Verstärker kann es nicht liegen (ich hatte dankenswerterweise vom Vertrieb zum Vergleich einen Streamingverstärker von Waversa, den sehr guten MiniSlim Pro) – mein Vollverstärker ist in der Hinsicht eine Bank. Was also tun? In einem solchen Fall schadet es nicht, wenn man einfach der Philosophie und den eindringlichen Bitte von Guru Audio folgt: „Unsere Lautsprecher sollten unbedingt wandnah aufgestellt werden“ – also gut, gesagt, getan, obwohl es mich tatsächlich ein wenig Überwindung kostete, das wirklich zu machen.

Stehen die Guru 28 jedoch so, wie sie sollen (ungefähr zehn bis fünfzehn Zentimeter von der Rückwand weg!) gewinnt der Lautsprecher an allem, was ihm bis jetzt fehlte: Bass, Grundtonvolumen, mehr Brust statt Kehle (vor allem bei Männerstimmen) – er wird erst dann „vollständig“. Direkt an die Rückwand? Nein, so würde ich die Guru 28 nicht stellen, dann stellt sich ein „zu viel des Guten“ ein, die Guru entwickelt dann ganz schnell ein Bäuchlein im oberen Bassbereich. Natürlich kann man so mit der Guru 28 „spielen“, man kann sie durch mehr oder weniger Luft im Rücken sogar an seine eigenen Vorlieben und Hörgewohnheiten anpassen – ich mag es zum Beispiel nicht zu anämisch, nicht zu ausgedünnt, der Lautsprecher sollte das Klangbild „von unten“ aufbauen – aber es unbedingt schaffen, dass genau dort nichts verschmiert oder der Tiefbass die Mitten in irgendeiner Form beeinflusst.

Steht die 28er diesbezüglich richtig, spielen solche Songs wie „In Hell I`ll Be in good Company“ von The Dead South (in Hi-Res gestreamt) auf den Punkt. Los geht es mit einem einleitenden Pfeifen, dann setzen die Banjos, Cellos und Mandolinen ein, der Gesang steigert sich, die Backgroundsänger begleiten alles mit einem Schnippen – und im Bass schnalzt es erstaunlich tief und knackig. Dabei ist nach wie vor die erstaunliche Räumlichkeit und Höhe der Abbildung mit von der Partie.

2011 hatte Peter Gabriel mal wieder eine interessante musikalische Idee, natürlich wie immer mit experimentellem Ansatz: „New Blood“ ist eine Ansammlung vieler seiner Hits, die hier allerdings orchestral instrumentiert werden – mit der entsprechenden Portion an ungebremster Dynamik und einen zwerchfellerschütterndem Bass, alles sehr sauber und klar aufgenommen.

„Red Rain“ haut einem in ungewohnter Weise laute Stellen so ungeniert um die Ohren, dass es dem Nachbarn graust – um in den ruhigen Passagen fast unhörbar Peters hauchenden Gesang zu feiern. Diese riesigen Unterschiede zwischen leise und laut – am besten gestreamt über Hi-Res – sind es doch, die uns Spaß machen! Wenn es aus dem nichts so dermaßen knallt und scheppert, dass man erschreckt? Toll, mehr davon! Und immer wieder, wenn ich die zierliche Guru 28 sehe, muss ich bekennen: ja, die bringt das tatsächlich rüber, auch wenn sie optisch so „süß tut“. Räumlichkeit sowie Neutralität und der Grundton sind super, die dynamischen Fähigkeiten kommen hinzu. Die 28er sind trotz ihrer Größe ernstzunehmende Standlautsprecher, die allerdings nicht bis zur höchsten Lautstärke mitgehen – wenn es anfängt, so richtig laut zu werden, heben sie die Hand. Aber hier reden wir über schon unanständige Pegel, die in der Form niemand wirklich lange fährt…


Standlautsprecher Guru Audio 28 – Fazit

Anfänglich steht man als bekennender Fan von „amtlichen“ Hifi-Gerätschaften etwas ratlos vor der Guru 28. Diese schafft es aber dann in der Folge ohne weiteres, durch ihre schöne sowie zurückhaltende Optik und natürlich durch ihre klanglichen Fähigkeiten zu überzeugen – diese konterkarieren die zierlichen Abmessungen doch recht deutlich. Sehr ausgeprägt sind die räumlichen Fähigkeiten der Guru 28 (spielt hier eventuell die „Dipol-artige“ Anordnung der Basstreiber auf der Rückseite doch eine größere Rolle?). Insgesamt sehr neutral abgestimmt, bietet die Guru 28 gleichfalls einen satten Bass sowie eine sehr gute Dynamik. Die Kirsche auf der Torte stellt meiner Meinung nach die „Höhe“ der Klangbühne dar – diese spielt sich nämlich ein gutes Stück über der oberen Kante des Lautsprechers ab. Die Guru 28 erfordert ein wenig Aufmerksamkeit und Liebe bei der Aufstellung; hat man aber dann den Sweet Point gefunden, kann man mit der hübschen Schwedin viele, viele glückliche Stunden verbringen.


Im Test

Standlautsprecher Guru Audio 28
Unverbindliche Preisempfehlung: 4.000,- Euro / Paar
Gewicht: 13,3 kg
Garantie: 2 Jahre


Vertrieb

ATR Audio Trade
HiFi Vertriebsgesellschaft mbH
Schenkendorfstraße 29
45472 Mülheim an der Ruhr

Web: www.audiotra.de
Mail: info@audiotra.de
Tel.: +49 (0) 208-882 66 0


Mitspieler im Test

Quellen digital – Netzwerkspieler Olive Audio 4HD, High End CD-Spieler AMR CD-777
Quellen analog – Plattenspieler Dr. Feickert Audio Blackbird mit Tonabnehmer EMT HSD 006 und Ortofon SPU Classic GE MKII, Phono MM- & MC Verstärker Cyrus Signature Phono (mit PSX-R)
Verstärker – Vollverstärker Unison Unico 150, Vorstufe Audio Hungary APR 204, Endstufe Bryston 4 BSST, Hybridvollverstärker Circle Labs Audio A 200
Lautsprecher – Standlautsprecher Sonus Faber Olympica 2, Paradigm Founder 80f
Zubehör – Kabel von Horn Audiophiles, A23, HMS, Isotek, Boaacoustic, Tellurium Q

About Author

Kein Studium der Elektrotechnik. Keine Lehre im Hifi-Laden, auch sonst kein Job in der einschlägigen Branche. Nur pure, echte Leidenschaft, die schon im Kindesalter dazu geführt hat, dass ich mir die Nase an den entsprechenden Schaufensterscheiben plattgedrückt habe. Dann ging es - ich hatte meinen ersten Job – richtig los und es folgte ein sehr langer, steiniger, harter und arg teurer Weg ins Klangnirvana mit der Erkenntnis, dass man dieses mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eh nie erreichen wird. Problem: Diese Erfahrung stachelt die Motivation nur noch weiter an. Da hilft nur „keep cool“ und immer weiterhören!

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