Test: Piega Coax 511 – High End Standlautsprecher mit Mittel-Hochton Koaxial-Chassis

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Im Test die Standlautsprecher Piega Coax 511 in der 10.000 Euroklasse. Im Bild der Hoch-Mittel-Töner mit BändchenSo ein Paar edle High End Standlautsprecher wie die Piega Coax 511 hätte ich ja auch gern mal zum Test bei mir. Doch ein wenig scheue ich mich schon davor. Nicht das ich jetzt Angst vor High End hätte, doch 32 kg Lebendgewicht ohne Verpackung in den dritten Stock zu hieven, und das ohne Aufzug, das ist schon eine Aufgabe… Aber – in Abwandlung eines bekannten Zitats – vor den Genuss haben die Götter den Schweiß gesetzt. Glücklicherweise werden mir die Lautsprecher nicht von einer Spedition geliefert, sondern vom Piega-Vertriebsmann Manuel Neitzel himself. Und so pusten wir gemeinsam die Stufen hoch. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Aber nun genug der Sprücheklopferei.


Technik

Die 10.000 Euro Standlautsprecher Piega Coax 511 im TestEine optische Augenweide sind sie ja schon, die Piega Coax 511. Und sie sehen so aus, wie man sich die schweizer Lautsprecher gemeinhin vorstellt. Schön schlank und wohnraumfreundlich von den Abmessungen her. Gut passend in ein elegantes Loft, aber auch dezent und gut integrierbar in ein ganz normales Wohnzimmer. Ein paar Bedenken hatte ich anfangs ja schon bezüglich ihrer Standfestigkeit: nur 22 cm breit und 25 cm tief, dafür aber 115 cm hoch und keine den Stand verbessernde Fußtraversen. Doch nachdem ich sie aufgestellt und ausgerichtet hatte, was mit den verstellbaren Füßen schnell vor sich ging, war ich angenehm über die Standfestigkeit der Coax 511 überrascht. Das dürfte wohl auch den 32 kg Gewicht je Standlautsprecher liegen.

Nun, an dem erklecklichen Gewicht der Piega ist die Konstruktion des Lautsprechergehäuses auf jeden Fall beteiligt, werden sie schließlich aus Aluminium hergestellt. Und zwar im Stranggussverfahren, bei dem man rein theorethisch auch endlos lange Profile herstellen könnte. Ohne Boden und Deckel, die werden den Lautsprechern später spendiert. Unter anderem nachdem die Öffnungen für die Chassis gefräst wurden. Und natürlich ein paar Aussteifungen montiert, damit das Gehäuse nicht vibrieren kann. Eine Reflexöffnung findet man übrigens nicht auf dem Rücken der Piega, da sie geschlossen konstruiert sind. Dafür ein solide gemachtes Bi-Wiring Terminal. So ganz ohne Holz kommt allerdings auch Piega nicht aus, denn die Vorderseite der Lautsprecher ist zur Stabilisierung mit MDF hinterlegt. Wo ich eh gerade vorne unterwegs bin: Die Frontabdeckungen werden von Magneten gehalten.

Bi-Wiring Anschluss am Standlautsprecher Piega Coax 511Ist schon der Gehäusebau aus Aluminium wirklich sehr nobel und qualitativ absolut hochwertig ausgeführt, setzt Piega diesem mit dem selbst entwickelten und gebauten Bändchen-Koaxialchassis „C111“ für den Hoch- und Mitteltonbereich die Krone auf. Problemen mit der zeitrichtigen Abstrahlung und Phasenverdrehungen möchte der schweizer Lautsprecherbauer mit dieser Konstruktion aus dem Weg gehen. Zudem sind Chassis dieser Art irre schnell, und von daher unter anderem bestens für eine gute Feinauflösung geeignet. Ab 600 Hz kommt der Mitteltöner ins Spiel und der Hochtöner ab 3.500 Hz, dieser soll bis 50.000 Hz hinauf spielen, die Überprüfung mittels Gehör habe ich mir dann aber doch erspart…

Bei den vier jeweils 16 cm messenden Tieftönern verlässt sich Piega auf die Kompetenz des renommierten Hersteller SEAS. Angetrieben werden allerdings nur zwei von ihnen, die beiden anderen werden als Passivstrahler genutzt. Auf einen Bassreflex verzichtet Piega um Strömungsgeräusche zu vermeiden und zugunsten eines trockeneren Basses. Auch die Tieftonchassis sind keine Standardware. Deren Membranen sind wie das Gehäuse aus Aluminium gefertigt und zusätzlich mit Keramik beschichtet.

Im Test die Standlautsprecher Piega Coax 511. Hier im Bild die vier Tieftöner von SEAS
Ein paar technische Daten
  • Impedanz: 4 Ohm
  • Frequenzgang: 32 Hz – 50 kHz
  • Größe: 22*25*115 cm (B*T*H)
  • Gewicht: 32 kg
  • Prinzip: 3-Wege-Standlautsprecher
  • Hoch-Mittelton: 1 x C111 Koaxialbändchen
  • Tiefton: 2 x 160 mm „aktiv“, 2 x 160 mm „passiv“
  • Anschluss: Bi-Wiring
  • Gehäuse: Aluminium. Silber, Schwarz, Weiß
  • Preis: Um 11.000 Euro

Klang

Tim Bendzko mit dem Album "Wenn Worte meine Sprache wären"„Wenn Worte meine Sprache wären“ singt Tim Bendzko. Die Sprache, also die Stimme des Sängers, kommt über die Piega Coax 511 wirklich gut verständlich, als verblüffend naturgetreu empfinde ich sie. Okay, auf einem seiner Konzerte war ich noch nicht, aber er scheint doch vor mir zu stehen. Damit der deutsche Pop-Sänger wirklich schön zentriert vor mir ist, rücke ich die High End Standlautsprecher noch ein wenig hin und her. Am Besten sagt mir deren Positionierung zu, wenn die Chassis direkt auf meinen Hörplatz gerichtet sind. So ist der Raum zwischen den Lautsprechern komplett gefüllt, und ich komme vollends in den Genuss der Mittel-Hochton Koaxiale. „Ich hab‘ die Worte nicht für dich…“ singt Tim. Mich scheint er damit nicht zu meinen, denn ich höre ihn über die Piega klar und dennoch mit sehr viel Ausdruck. Obwohl die beiden Säulen direkt auf mich ausgerichtet sind, stört dabei kein Zischeln oder Zirpen der Hochtöner meine in diesem Bereich doch recht empfindlichen Ohren, was für die Konstruktion der Lautsprecher mit den Bändchen spricht.

Cover des Album "Hallelujah" von Espen LindDa mir die Ausdrucksstärke der Coax 511 sehr zusagt, möchte ich wissen, ob dies zufällig nur bei Tim so ist, oder auch bei anderen Musiktiteln. Also lege ich kurzerhand den alte Schmachtfetzen „Hallelujah“ auf. Diesmal in der Live-Aufnahme von Espen Lind, Kurt Nilsen, Alejandro Fuentes og Askil Holm. Mmm, das ist schon überzeugend, dieses locker leichte und luftige Gitarrenspiel zu Beginn des Liedes. Und dazu dieses Jammern und Schluchzen, diese Inbrunst der Stimmen, die die Interpretation dieses Klassikers einzigartig machen. Auch die Tiefenstaffelung der Piega überzeugt mich, denn das Publikum höre ich ziemlich weit im Hintergrund. Alter Schwede, das geht ganz schön tief rein. Feuerzeug raus und weiter geht’s! Da heißt es zwischendrin dann schon mal die Taschentücher rausholen. Die Coax 511 zeigen soviel Gefühl, dass es mir schon fast unheimlich wird…

Cover von Dire Straits: Lover Over GoldOb die Piega Coax 511 neben ihrer großen Ausdrucksstärke und Emotionalität auch untenrum ähnlich gute Fähigkeiten auzuweisen haben? Ich bin gespannt, sind diese Standlautsprecher ja doch recht schlank und wohnraumfreundlich gebaut. Und besitzen zudem „nur“ zwei angetriebene 16er Tieftöner in ihrem geschlossenen Gehäuse. Nachbarschaftsfreundlich beginnt „Privat Investigations“ von den Dire Straits. Auf das anfängliche elektronische Wabern folgen links und rechts die ersten Gitarrenklänge, bevor diese dann exakt in der Mitte der beiden Lautsprecher stehen bleiben.

Ruhig und klar erklingt das Klavier und die einzelnen Tastenläufe perlen, ja das begeistert. Mark Knopfler steigt mit seinem Sprechgesang dazu ein, und ich folge seinen Worten. Dieses Lied von ihm verführt, wenn man es nicht kennt, zum Genießen und Träumen. Ja, bis dann so bei Minute 3:48 die ersten dezenteren Bässe ertönen und den Hörer langsam wecken. Die Gitarre wird jetzt aggressiver gespielt, der Interpret gibt Gas. Interessant, wie gut sich das heraushören lässt. Verschluckt wird dabei nichts, aber glücklicherweise sind die Koax-Bändchen der Piegas gnädig mit mir und überspitzen nicht. Doch spätestens bei Minute 5:10 wird man endgültig aus seinen Träumen gerissen bei den sehr kräftigen und trocken gespielten Bassläufen.

Cover: Jeff Beck "Brush With The Blues"Die Art der Coax 511 mit der Musik umzugehen verlangt ja geradezu nach  Jeff Beck und „Brush With The Blues“. Eine Wonne, diese Fender Stratocaster, welche prachtvollen Klangfarben der Blueser seinem Instrument entlockt. Das kann nicht jeder, auch nicht jeder Lautsprecher kann das vermitteln. Und auch bei diesem Lied haben die Piega die unteren Lagen verdammt gut im Griff, von Einknicken keine Spur. Dafür knickt leider mein Raum ein, wenn ich den Verstärker weiter aufdrehe. Dann kommt er im Bass doch an seine Grenzen. Mit etwas mehr Luft im Rücken der Lautsprecher wird es angenehmer. Doch so 25 bis 30 qm Spielfläche sollte man den beiden Schweizern zur freien Entfaltung schon gönnen.

Nils Wülker und sein Album "Up"Also schalte ich einen, oder auch zwei Gänge zurück, und gönne mir zum Schluss des Test noch einen Ausflug zum Album „Up“ mit Nils Wülker. Ist ja schließlich auch schon etwas später geworden, und die Nachbarn werden es mir hoffentlich danken… Mit seinem Instrument, der Trompete, weiß Wülker wirklich gut umzugehen, mir gefällt sein feinfühliges Spiel. Sehr liebevoll und zärtlich ist es. Und die Piega Coax 511 spielen mit, goldfarben und der passenden Strahlkraft. Noch mehr dieser Farbigkeit als mit der eigenen Elektronik entlocken übrigens die Mono-Endstufen NuPrime Evolution One, die einen leicht warmen Charakter aufweisen, den eleganten Standlautsprechern, ein kongeniales Zusammenspiel ist das. So richtig schön geht das dann bei Stücken rein, bei denen Nils Wülker von Künstlern wie Max Mutzke und Laureen Flynn begleitet wird. Eine schöne und angenehme Ergänzung des Instruments sind die Stimmen, dir mir intim wie bei einem Wohnzimmerkonzert erscheinen.


Fazit

High End Standlautsprecher Piega Coax 511. Test-Ergebnis 5,6 von 6,0 Punkten

In der Preisklasse der High End Standlautsprecher um zehntausend Euro redet Piega mit den Coax 511 aufgrund des interessanten Mittel-Hochton-Koax ein gewichtiges Wort mit. Sie schmücken mit ihrem schlanken und zurückhaltenden Design sowohl ein Loft als auch das heimische Wohnzimmer. Basis der guten Klänge ist ein sehr kräftiges und sauberes Tiefton-Fundament, das aber nach größeren Räumen ab ungefähr 25 bis 30 qm verlangt. Auf dieser Grundlage bauen gefühlvolle Klangfarben auf. Warm klingende Verstärker steigern das Vergnügen noch. Und die Feinzeichnung der Koaxial-Bändchen ist auf jeden Fall eine Klasse für sich.


Im Test

High End Standlautsprecher
Piega Coax 511
Preis: 11.000 € / Paar
Größe: 22*25*115 cm
Gewicht: 32 kg / Stück
Gehäuse: Aluminium. Silber, Schwarz, Weiß


Kontakt

PIEGA SA
Bahnhofstrasse
CH-298810 Horgen

Tel.: +41-44-725 90 42
Web: www.piega.ch


Mitspieler im Test

Quellen digital – Netzwerkspieler Cambridge Audio 851N, CD-Spieler Cambridge Audio 851C, Musikserver Innuos ZEN MK.III, D/A-Wandler mit Vorverstärker NuPrime Evo DAC
Quellen analog – Plattenspieler Rega Planar 6 mit MM-Tonabnehmer TAD Excalibur Black, Phono MM- & MC Verstärker Trigon Vanguard III, Plattenspieler Sonoro Platinum
Verstärker – Vorverstärker Cambridge Audio 851E, Endverstärker Cambridge Audio 851W, Mono Endstufen NuPrime Evolution One, Vollverstärker Technics SU-G700
Lautsprecher – Standlautsprecher LUA Con Espressione, Subwoofer REL R 505, Kompaktlautsprecher Wharfedale EVO 4.2
Kopfhörer – Offener Kopfhörer Focal Clear, Kopfhörerverstärker Divaldi AMP-02 mit Phono MM- & MC Stufe
Zubehör – Lautsprecherkabel Supra XL Annorum. XLR- und Cinchkabel Fadel Art Pro Link, Stromkabel Supra LoRad 2.5, Netzleiste PS Audio Dectet, HiFi-Switch NuPrime Omnia SW-8

About Author

Aufgewachsen in der Blütezeit des HiFi mit Telefunken Allegretto TS 2020 nebst einem Dual 1228 mit Reibradantrieb und Wechsler. Damals habe ich die Technik des Duals bestaunt. Heute denke ich mit Grauen daran, wie die Schallplatten aufeinandergefallen sind...

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