In Sachen HiFi geht es diesen Sommer Schlag auf Schlag. Nur ein freies Wochenende konnten sich die Organisatoren der Norddeutschen und Süddeutschen HiFi-Tage 2022 zwischen der Veranstaltung im Privathotel Lindtner in Hamburg und dem Holiday Inn in Stuttgart Weilimdorf gönnen. Vergangenes Wochenende stand also die Hotel-Messe im Ländle an, die das Team um Ivonne Borchert-Lima und ihrem Vater Wolfgang Borchert weiter auf Trab hielt. Das konnte aber die gute Laune nicht trüben. Für die HiFi-IFAs war die Teilnahme praktisch Ehrensache, da es für mich ein Heimspiel und für Bernd zumindest ein Lokal-Derby war. Bernd hat schon von den NDHT 2022 in Hamburg berichtet, war aber trotzdem aus Ulm angereist, um sich einen Eindruck zu verschaffen und Kontakte zu pflegen. Berichten darf ich euch, da Bernd zur Stunde in Sachen HiFi schon weiter unterwegs auf die britische Insel ist. Davon werden wir hier sicher erfahren. Doch nun zu den SDHT vom 03. und 04. September 2022.
Bereits kurz vor zehn – dem offiziellen Startzeitpunkt der SDHT 2022 – warf ich einen Blick bei Backes&Müller in den Hörraum. Noch war es sehr ruhig – zumindest was das Publikum anging. Dies änderte sich natürlich im Laufe des Tages, ich hatte aber früh aus der zweiten Reihe einen guten Blick auf die mitgebrachten, spielbereiten Exponate: Je ein Paar BM 12 (15.000 Euro), BM 15 (30.000 Euro) und BM 35 (90.000 Euro). Aktuell lief die BM 12, die – wie alle Modelle – mit ihrer digitale Weiche auf Raum und Hörgewohnheiten anpassbar war. Für B&M ist die Zeitrichtigkeit ein wichtiges Konstruktionsmerkmal. Eine aktive Regelung der Chassis unterdrückt zudem Resonanzen der Membranen. Ein Klopftest bewies dies. Die BM12 hinterließ im Raum einen souveränen Eindruck. Wer sich davon selbst überzeugen will, nimmt Kontakt mit Backes&Müller auf und bringt etwas Zeit mit ins benachbarte Kornwestheim für eine entspannte Hörsession.
SETA Audio brachte die Finesse 610 im Bambus Gewandt mit auf die SDHT 2022. Der Lautsprecher schlägt mit 38.000 Euro zu Buche. Dafür bietet sie – neben imposanter Größe – 3-Wege mit Tieftönern sowie Mitteltönern, die auf ein eigenes Gehäusevolumen spielen und sich somit nicht gegenseitig beeinflussen. Mit 96dB haben sie einen sehr guten Wirkungsgrad und bedürfen keiner Verstärker-Boliden. Im Hörraum des Holiday Inn spielten sie sehr dynamisch und ausgesprochen forsch nach vorn.
Wie schon in Hamburg war Voxativ mit dem großen Besteck auch nach Stuttgart gereist. Das spielfertige Ensemble trat in der Preisklasse um 100.000 Euro an. Im akustischen Mittelpunkt stand – dafür ist Voxativ bekannt – der Breitbänder, der sich auch im Klangcharakter des Systems 9.88 wohltuend bemerkbar machte. Das Klangbild gab sich in sich sehr stimmig und wirkte wie aus einem Guss sowie ausgesprochen räumlich.
Aus Aalborg kommt nicht nur schmackhafter Aquavit, sondern auch feinstes HiFi. In einem der Konferenzräume präsentierte die von Lars Kristensen und Michael Børresen gegründete Audio Group Denmark Ihre Marken Ansuz- (Kabel), Aavik- (Elektronik) und Børresen (Lautsprecher) Acoustics. Zu Beginn spielte ein eisenarm konzipierter Prototypen-Lautsprecher in der Preisklasse um 6.000 Euro. Die Topmodelle von Børresen sind vollständig frei von Eisen. Der Standlautsprecher lieferte impulsive, tiefe Bässe und hatte einen schön fokussierten Sweetspot. Dabei zeigte er keine Effekthascherei, der Bändchenhochtöner war also wohl temperiert. Das Soundvolumen passte gut zum Raum. Es schien, der Präsentator hatte dabei eine Schwäche für Elektro-Musik.
Am Nachmittag kam der State-Of-The-Art Kompaktlautsprecher ins Spiel, der ebenfalls im Vorserien-Status war. Die Besucher bekamen also viel Neues aus Dänemark auf die Ohren. Seine Besonderheit waren unter anderem die 3D-gedruckten Körbe der Chassis mit steifigkeits- und strömungsoptimierter Geometrie. Børresen arbeitet dabei mit einer Hochschule zusammen. Der vergleichsweise zierliche wie ebenso elegante Speaker mit integriertem Stand erzeugte ein grandioses Klangerlebnis, das man ob der Größe so nicht erwartete – speziell bezüglich Raum und trockenem Bass. Die Lautsprecher schlagen mit knapp über 90.000 Euro zu Buche, damit lag der Gesamtwert der Anlage bei deutlich über 400.000 Euro.
Cito-Audio lud im zweiten Obergeschoß zu entspanntem Hören ein. Hier spielten die kompakten DBC-8K – das K steht hier für Kalotte, sie sind auch in der Variante A mit AMT-Hochtöner erhältlich – auf passenden Ständern an YBA-Elektronik. Die DBC-8K waren übrigens bereits bei den HiFi-IFAs im Test wie auch der YBA Heritage A200. Die Lautsprecher liegen dabei in der Preisklasse um 8.000 Euro.
Audiaz ist ein Hersteller mit geballter Rosenheimer Kompetenz. Dr. Helmuth Weber beschäftigt sich mit der Entwicklung der Lautsprecher und der Kabel, Günther Hartl fertigt ebenda die aufwändigen Gehäuse. Kennzeichen sind die Keramik Membrane der Lautsprecher Chassis. Hiermit waren die Cadenza ausgestattet, die im Hotelzimmer spielten. Als Aufwertung bietet Audiaz in diversen Modellen die Ausstattung mit Diamant Membranen an. An der Spitze steht dabei das Top-Modell Opera Grandezza, das neben einem Diamant-Hochtöner auch den 90mm durchmessenden weltweit größten Diamantmitteltöner besitzt. Die Keramik Cadenza, die mit zwei 170mm Tieftönern ausgestattet ist, spielte homogen, ausgewogen und mit eher schlankem Bass – alles ohne Effekthascherei. Dabei klingen die beiden Säulen um 28.000 Euro auch außerhalb des Sweetspots räumlich. Dabei nahmen wir auch einen Musik-Tipp mit: „Wuthering Heights“ (Kate Bush Cover) von Ghost. Reinhören lohnt sich.
Bohne Audio zeigte auf den SDHT 2022 ein nagelneues Musiksystem mit Respekt einflößendem Subwoofer. Das System ist so neu, dass der kleinere Subwoofer noch auf Fertigstellung in der Werkstatt wartet. Egal, viel hilft viel 😉 Trotzdem fügte sich der Tiefton-Bolide prima in den Sound des Systems ein. Im elektronischen Zentrum stand ein Trinnov Altitude Prozessor, der jedes (!) Lautsprecher-Chassis separat ansteuert. Das System hat vier vollaktive Wege mit selbst entwickeltem Bändchen-Hochtöner. Der ausgestellte Subwoofer hatte zwei aktive und zwei passive Membrane. In der Preisklasse um 50.000 Euro bekommt der Musikfreund neben den Lautsprechern und Subwoofern auch den Trinnov Prozessor, die nötigen Endstufen, Kabel sowie Aufstellung und Einmessen im Hörraum. Nur noch die Quelle, was auch ein Plattensieler sein kann, anschließen – fertig. Der Sound gab sich impulsiv und sehr livehaftig. Bei „Fever“ erstaunte das Fingerschippsen weit links neben dem Lautsprecher, fast am Fenster. Reinhard Mey entführte aufs „Narrenschiff“. Ein Titel, der wohl nie an Aktualität verliert. Obwohl der Sound mächtig war, lieferte er gleichzeitig Feinheiten und differenzierte schön die Stimmen. Das System bewegt beachtliche Luftvolumina und knickte im großen Finale – das man dem Liedermacher eigentlich gar nicht zutraut – keinen einen Deut ein. An Bord von Reinhard Meys Narrenschiff mitzufahren beutet Dramatik pur – und endet mit einem riesen Knall… Das Bohne Audio System hat dies eindrucksvoll nachgezeichnet.
Auf der High End 2022 in München präsentierte sich der junge Pforzheimer Hersteller Houchmand noch schweigend im Newcomer-Bereich. Nun bekam der edle Lautsprecher seine Premiere mit Ton im Hörzimmer auf den SDHT. Das digitale, Jitter-optimierte System besteht aus einer Schaltzentrale mit Streamer, die Verbindung zu den Lautsprechern übernimmt ein CAT-Kabel und die aktiven Lautsprecher wandeln dann das Signal. Das Houchmand-System mit 3-Wegen incl. co-axialem Hoch-/Mitteltöner klang dabei sehr räumlich und detailliert. Das luxuriöse System mit extrem aufwändigem Lack und Metallpolitur liegt bei 60.000 Euro und richtet sich neben dem Musikfan auch an Freunde gediegenen Interiors.
Auf der offenen und wuseligen Fläche im ersten Obergeschoss präsentierte der Röhren-Spezialist Cayin seine Kopfhörer-Verstärker. Ins Auge fielen auf den ersten Blick natürlich die klassischen Röhren-„Geräte“ und die bereit liegenden Meze-Kopfhörer. Im freundlichen Gespräch offenbarte sich dann ein ganz anderes Highlight: der mobile Highend Röhren-Player Cayin N8ii um 3.700 Euro mit sahnigem Sound – umschaltbar zwischen Class A und Class-B Modus.
Gemeinsam am Start waren wieder die Leimener „Nachbarn“ BetonArt und HiFi-Akademie, den HiFi-IFAs aus diversen Tests und Hausbesuchen bestens bekannt. Die Lautsprecher von BetonArt sind aus dem ungewöhnlichen, aber passenden Werkstoff Beton – der Name ist natürlich Programm. Aus Beton war auch der neue Fuß des Ständers für den Stream6 WiSA (um 2.900 Euro), der so wie ein Raumschiff zwischen den aktiven Syno Pro aktiv zu schweben schien – noch so neu, dass der Beton kaum durchgetrocknet war. Natürlich brauchen die Geräte Strom, die Musik-Daten kamen in diesem Setup aber kabellos per Funk (WiSA) zu den Lautsprechern. Den Besucher empfing ein feiner Sound, sehr räumlich auch auf kurzer Distanz, dabei recht zackig, aber angenehm. Die Syno Pro Lautsprecher mit Bändchen liegen bei rund 12.000 Euro und werden für 800 Euro angeliefert und mittels DSP einmessen und an den Raum angepasst. Wir HiFi-IFAs hatten die Schwester Syno aktiv mit Kalotten-Hochtöner im Test. Einen Test vom HiFi Akademie Stream6 (ohne WiSA) haben wir übrigens auch im Angebot.
Erst vor wenigen Wochen feierte der AcouLab Première Premiere. Der kompakte, aktive Lautsprecher mit geschlossenem Gehäuse hat zwei Wege mit AMT-Hochtöner. Angeschlossen wird er digital – die Wandlung übernimmt dann ein AKM-Chip – oder analog. Der Klang war ausgewogen und für die Größe des Lautsprechers erstaunlich erwachsen. Der Preis liegt bei 4.700 Euro im Direktvertrieb. Ein fairer Deal ist das 99 Euro Testpaket für eine Woche, das an den Kaufpreis angerechnet wird. AcouLab bietet eine lebenslange Reparaturgarantie zum Selbstkostenpreis
Im zweiten Obergeschoss des Holiday Inn reichten sich die Plattenspieler der jungen Marke Luphonic mittels Boaacoustic-Kabeln über Elektronik von CanEver die Hände mit den Lautsprechern von Ichos – die in einem markanten Orange-Ton antraten. Was ja eigentlich bestens zur CI der HiFi-IFAs passt 🙂 An die Anlage angeschlossen war der Luphonic H2, stumm im Bild zu sehen der schlankere H1 – beide gut zu erkennen an ihrem H-förmigen Chassis. Eine Musik, die von der CD zugespielt wurde, blieb uns besonders in den Gehörgängen haften. Roger Waters Album „Amused to death“ präsentierte sich mit mit großer Bühne. Eingespielte Klangaufnahmen von Geräuschen hatten eine schier unfassbare Breite wie beispielsweise ein Pferd mit Glöckchen das von ganz weit links bis ganz weit rechts durch akustische Bild trabte. Weit über die Lautsprecher hinaus. Ein aufnahmetechnischer Trick, der hier sehr gut rüber kam. Auch das Klocken und Splittern beim Holz- oder Eishacken (angeblich streitet hier die Fachwelt) kam gespenstisch realistisch rüber. Dazu die charismatische Stimme. Klasse.
Zum Ausklang des Tages noch ein Abstecher ins Hörzimmer der KlangLoft, die Bernd auch schon in Hamburg auf den NDHT 2022 besucht hatte. Die gute Laune und ausgelassene Stimmung war sicherlich nicht nur auf die leeren Weizenbiergläser in der Hand von Hörzimmerbesatzung und Gästen zurückzuführen. Es spielte auch ausgesprochen lebensfrohe, schmissige Musik, die zum Mitgehen einlud. Herrlich. KlangLoft typisch stammte die edle Elektronik von Aries Cerat, die Breitbandlautsprecher Cube Jazzon (um 8.000 Euro) taten ihr übriges. Voller Sound passend zum Hörraum im Holiday Inn.
Derart beschwingt – nur ohne Weißbier 😉 – ließen Bernd und ich dann den Messetag gegen 18 Uhr ausklingen und bereiteten uns mental auf das Dinner und weitere schöne Gespräche vor. Über den Sonntag, an dem die Tore zu den Süddeutschen HiFi-Tagen von 10 bis 16 Uhr geöffnet sein sollten, geht es dann im nächsten Bericht weiter, der die Tage bei uns zu lesen ist. So, stay tuned.
Fotos: Falk Visarius