Vor ziemlich genau einem Jahr war ich zu Gast auf der Hausmesse des Heimkino-Spezialisten FM-Audio und dessen Mastermind Nils Hitschke im (fast) benachbarten Holzgerlingen. Neben seinen Vorführungen im beeindruckenden Demo-Heimkino und seinen Lautsprechern Exponaten hatte Nils zur Unterhaltung der Besucher noch einen Rennsimulator von Race-Simulator.de aufgefahren. Mit dessen Betreibern Simon Wahl und Dennis Rohr verbindet ihn aber nicht nur, dass sie den Spieltrieb der angereisten Heimkinofans angemessen befriedigen konnten, sie bauen mit ihrer Firma Ostalb-Audio zudem auch noch die aufwändigen und präzise gefertigten Gehäuse der Heimkino-Lautsprecher von FM-Audio. Womit ich so langsam die Kurve vom Rennsimulator zu meinem „Zu Besuch bei“ Bericht bei dess-akustik bekomme.
Denn neben der virtuellen Fahrmaschine hatte Simon von Ostalb-Audio noch die ungefinishten Prototypen-Gehäuse ihrer skulpturalen, mannshohen – zu dem Zeitpunkt noch namenlosen – High End Standlautsprecher mit dabei. Im Vorgarten von Nils Hitschkes Heimkino aufgestellt muteten sie so spacig an wie die lebensgroßen Roboterfiguren bei einer Games Convention oder (Heim-) Kino-Premiere. Spacig… das passt auch begrifflich zu den dess-akustik SPACE Lautsprechern wie die Faust aufs Auge.
Auf der Hausmesse von Nils unterhielt ich mich mit Simon und erfuhr in groben Zügen, was Ostalb-Audio in naher Zukunft mit den auffälligen, aber auf der Veranstaltung letztes Jahr noch stummen Exponaten vorhatte. Wir tauschten unsere Kontakte aus, verbunden mit Simons Versprechen sich zu melden. Weihnachten, Silvester und Ostern vergingen, und ich fragte mich von Zeit zu Zeit, was wohl aus dem spacigen Lautsprecher-Projekt geworden sei. Aber es gab auch so genug zu tun und ein Jahr verging.
Zu Bernds und meiner Freude meldete sich Dennis nach eben genau einem Jahr mit der freudigen Nachricht, dass aus den Prototypen ein fertiges Produkt, eigentlich eine Produktreihe eben mit dem Namen dess-akustik SPACE geworden sei. Dass sich die beiden an uns HiFi-IFAs erinnert haben und uns als erstem HiFi-Magazin ein Sneak-Preview gewähren, darüber freuen wir uns natürlich riesig. Manche Menschen schwätzen halt lange viel und dann kommt nix, die Jungs von der Ostalb schwätzen lange nix und packen dann den (Lautsprecher-) Hammer aus. So muss das sein! Und so darf ich vor der Premiere in der illustren Welt des HiFi auf den Süddeutschen HiFi-Tagen in Karlsruhe einen Vorab-Blick und zwei Vorab-Ohren in den sorgfältig akustisch optimierten Hörraum am Herstellungsort in Göggingen bei Schwäbisch Gmünd werfen.
Die dess-Aukustik SPACE wird es in drei Größen geben: S, M und L. Die etwas über 1,80 m hohen SPACE L stehen auf dem Hörplatz, die beiden M nebeneinander im Hintergrund und das Paar S ist aktuell im Entstehen in der Holzwerkstatt. Allen gemein ist das Fehlen rechter Winkel, was neben dem akustischen Vorteil, stehenden Wellen keine Chance zu geben, auch eine Leistungsschau der Fertigungstechnik ist. Kästen kann man zur Not mit einer Kreissäge bauen, die Gehäuse der SPACE besser mit einem 5-Achs-Bearbeitungszentrum, das mit einer CAM-3D-Software programmiert wird. Das günstigste Finish wäre eine Folierung, Standard ein Furnier oder Lack, aber auch sämtliche Sonderausführungen sind – wenn technisch machbar – denkbar. Ein spannendes Projekt in Sachen Individualisierung ist bereits in der Mache. Neben der auffälligen Erscheinung und in der Preisklasse um 40.000 Euro macht es ja keinen Sinn die SPACE zu verstecken – und dann soll sie auch genau so ausschauen, wie es sich der Besitzer wünscht.
Die SPACE sind ein aktives System. Ich sage System, weil die ersten Prototypen der voluminösen SPACE L noch aktive Lautsprecher waren, die die Endstufen ins Gehäuse integriert hatten. Angesteuert werden die Lautsprecher-Kanäle (Hochton/Mittelton/Tiefton) ohnehin einzeln von einem DSP mit Raumkorrektur von FM-Audio. Hier schließt sich wieder ein Kreis zu Nils Hitschke.
Für jeden Lautsprecher werden also drei Verstärkermodule benötigt, die – ohne die Form oder das Volumen zu korrumpieren – in den kleineren Varianten S und M ohnehin keinen Platz mehr gefunden hätten. Somit hat dess-akustik den konsequenten Entschluss gefasst, die Verstärker-Elektronik in einer selbst entworfenen 6-Kanal-Endstufen-Einheit mit integriertem 8-Kanal-DSP zusammen zu fassen und aufs HiFi-Rack auszulagern. Der SPACE AMP, so der Name, ist für alle drei Lautsprecher identisch. Je Lautsprecher stehen stattliche 1.300 Watt bereit, die den Verstärker immer im grünen Lastbereich halten sollen: 300 Watt Hochton, 300 Watt Mittelton und 700 Watt Tiefton. Ganz bewusst übermotorisiert, um in jeder Situation souverän unterwegs zu sein.
Die Verbindung zwischen Elektronik und Lautsprecher hat übergangsweise noch ein dickes Kabel übernommen, das alle drei Kanäle in einem Mantel übertragt, in der Serie werden die Kanäle von jeweils einem hochwertigen Lautsprecherkabel gespeist. Partner von dess-Akustik in Sachen Kabel ist VIABLUE aus dem ebenfalls baden-württembergischen Malsch bei Karlsruhe. Dem Systemgedanken folgend wird der Sinn des mächtigen 8-Kanal-DSP schnell klar, denn neben der Ansteuerung der Chassis übernimmt er die Korrektur des wiedergegebenen Signals beispielsweise bezüglich der Raumeigenheiten wie Moden, Über- und Unterdämpfung im Frequenzband sowie einer asymmetrischen Aufstellung – zum Beispiel wenn ein Lautsprecher im Eck, der andere frei steht wie im Hörraum in Göggingen. Die zwei unbenutzten DSP-Kanäle sind Reserve und können zum Beispiel zur Einbindung von Subwoofern konfiguriert werden.
Das Auge des Kenners erkennt sogleich die Systembestückung der SPACE L und M vom Chassis-Spezialisten Scan Speak, die mit dem zentralen Hochtöner sowie den darüber und darunter symmetrisch angeordneten Mittel- und Tieftönern geometrisch eine d’Appolito Anordnung besitzen. Hoch- und Mittelton sind bei den Varianten identisch, sie unterscheiden sich aber in den Bass-Chassis, die rückseitig jeweils von zwei Bassreflexrohren unterstützt werden. Der Bassreflex ist übrigens hervorragend abgestimmt, da er selbst bei hohen Pegeln nur pulsiert, ohne signifikante Luftströmungen zu erzeugen. Dennis und Simon bereiten sich derzeit darauf vor, so haben sie mir verraten, noch eine weitere Rakete zu zünden und die SPACE M PRO mit neuen handgefertigten Chassis von Bliesma im Hochton-Bereich auszustatten, die einen minimalen Luftspalt im Antrieb besitzen und aufwändig zentriert werden.
Technische Daten
Space L (in der Vorführung):
- Abmessungen: 1850 * 440 * 800 mm (H * B * T)
- Gewicht: 70 kg pro Stück
- Frequenzgang: 27 – 24000 Hz
- Bestückung: ScanSpeak
Space M (im Hörraum ausgestellt):
- Abmessungen: 1650 * 385 * 700 mm (H * B * T)
- Gewicht: 50 kg pro Stück
- Frequenzgang: 35 – 24000 Hz
- Bestückung: ScanSpeak
Space M Pro (in der Entwicklung):
- Abmessungen: 1650 * 385 * 700 mm (H * B * T)
- Gewicht: 55 kg pro Stück
- Frequenzgang: 26 – 25000 Hz
- Bestückung TT+MT: ScanSpeak
Bestückung HT: Bliesma
Space Amp (Für alle Lautsprecher gleich):
- 6-Kanal Verstärker mit 8-Kanal High-End DSP
(zwei prozessierte Ausgänge Reserve für z.B. Subwoofer) - Leistung je Lautsprecher: 700Watt für TT / 300 Watt für MT / 300 Watt für HT
Summe je Lautsprecher 1300Watt
Höreindruck
Nach der Theorie im Gespräch mit Dennis und Simon, die erst ein paar Tage zuvor von einer Dienstreise aus Berlin Adlershof zurückgekehrt sind, wo sie in den Ausstellungsräumlichkeiten des Pool- und Wellnesszentrums Aqua Vista ein highend Demo-Heimkino mit Komponenten von FM-Audio und Raumkorrektur von Nils Hitschke eingerichtet haben, folgt nun die Praxis: Gestreamte Hörerlebnisse, die keinen ausgiebigen Hörtest ersetzen können und sollen, aber schon einmal mächtig Lust auf alles Weitere machen.
Die Rolle des Disc-Jockeys übernimmt Dennis, der aus seiner Lieblings-Playlist das überraschende Cover von Louis Armstrongs „What a Wonderful World“ von Friend ‚N Fellow aus dem Hut zaubert. Dabei erzeugt die SPACE L eine überzeugende Räumlichkeit in allen Dimensionen. Angenehm empfinde ich, dass die Tiefe des Raumes auch leicht hinter die Lautsprecher reicht, so dass die prominent aufgenommene Stimme mich nicht anspringen muss, um sich von der Band abzuheben. Noch einen drauf setzt „These Bones“ von The Fairfield Four. Die rauchigen Stimmen sind sauber gezeichnet und gruppiert sowie die Details fein herausgearbeitet. Aber das sind doch mehr als vier Sänger? Genau! Das „four“ bezieht sich nicht auf die Anzahl der Stimmen, sondern auf die vier Stimmlagen des Gesangs. Das feine Ohr muss bei der SPACE L für die Erkenntnis nicht extra recherchieren, ihm reicht das aufmerksame Zuhören.
Genrewechsel. „Queen Mary“ von Francine Thirteen kommt mit einem staubtrockenen Bass, der ohne Wummern viel Luft bewegt: Knackig, impulsiv und ohne zu Dröhnen – und das auf Gewerbegebiet-Lautstärke und das Ende der Pegel-Fahnenstange war noch nicht erreicht. Zuerst denke ich, die SPACE L spielt eher schlank im Bass. Das ist aber ein Trugschluss, der sich ergibt, wenn die Impulse präzise und verfärbungsfrei wiedergegeben werden. Dann noch ein Cover: das im Original schon leicht abgegriffene „Mensch“ von Herbert Grönemeyer sehr erfrischend neu interpretiert von den Scala and Colacny Brothers. Die dess akustik Boliden zeigen hier, dass sie überzeugend groß wie auch klein spielen können, so wie es die Musik verlangt. Dabei sind sie sehr ausgewogen im Sound, haben keine Präferenzen bei der Auswahl der Musik und betreiben keine Bauernfängerei durch ein Sounding.
Mr. Spock, dem man in Sachen „space“-Abenteuern bekanntlich so schnell nichts vormacht, würde das Erlebte subsumierend für die Leser wohl auf seine bekannt trockene Art so auf den Punkt bringen: Faszinierend. Für mich gehörte die Abend-Vorstellung auf der Ostalb eindeutig zur Kategorie Wow-Erlebnis!
Und da man die Dinge eben am besten selbst erleben sollte, hier die Koordinaten auf den
Süddeutsche HiFi-Tage am 16./17.09.2023
Ostalb-Audio: Raum 14
Radisson Blu Hotel Karlsruhe
Am Hardtwald 10
76275 Ettlingen bei Karlsruhe
Kontakt
dess akustik GmbH
Geschäftsführer: Dennis Rohr, Simon Wahl
Brunnenäcker 17
73571 Göggingen
Tel.: (07175) 99791 – 0
Mail: info@ostalb-audio.de
Web: (im Aufbau): www.dess-akustik.de
Fotos: Falk Visarius