„The Prodigy“ Konzert am 28.11.2018 im Kulturhaus Zenith in München Freimann.
München Freimann??? Kenne ich doch… War ich schonmal… Genau! Das M,O,C, in dem alljährlich die High End München stattfindet, liegt an der Lilienthalallee schräg gegenüber. Somit wurde das Prodigy Konzert für den ambitionierten HiFi-isten zum halben Heimspiel – und die letzten Meter der Anreise zum Kinderspiel. Der Münchner Norden ist für die Anreise aus Stuttgart sowieso sehr angenehm – nichtsdestotrotz wird es mit der Rückreise ein langer Tag werden. Die Erfahrung meiner konzerterprobten Mitstreiter sagt: um 23 Uhr geht im Zenith das Licht an, dann gehts wieder Heim. Ich war also gespannt, was zwischendurch passieren wird…
Ziemlich pünktlich kurz nach 20 Uhr gehen die „Slaves“ an den Start. Auf der vollen Bühnenbreite von 27 Metern – nach hinten mit einem schlichten schwarzen Tuch verhangen. Das Setup: Extrem übersichtlich. Ein Schlagzeug – und das nicht allzu oppulent. Drum-Set wäre schon ein großes Wort dafür. Aber was die Slaves, eine britische „Two Man Boygroup“ (O-Ton des Sängers Isaac Holman) „bei der kein Anderer mitmachen wollte“, ablieferten, war alles andere als Kammer Musik. Und geposed haben die zwei, das es für eine Punk-Bigband gereicht hätte. Durch das impulsive Drum Stakkato von Holman und die beeindruckende PA war das Drehmoment vom ersten Schlag an hoch – und die Drehzahl steigerte sich kontinuierlich in den 45 Minuten des Auftritts. Alles, was man im Internet nachhören kann, ist verglichen mit dem Sound der Live-Performance der Punk-Band in der Kulturhalle Zenith ein Kindergeburtstag. Die Drums massierten – oder besser: malträtierten – meinen Brustkorb und die Magengrube. Der Gittarist Laurie Vincent erweckte den Anschein, nach Kilometern bezahlt zu werden. Fersengeld war die Devise. Die Bühne bot ja auch genug Auslauf… Ich glaube, die „Slaves“ hatten eine Menge Spaß – das Publikum auch. Viertel vor Neuen war die Halle Energie geladen.
The Prodigy ließ das Publikum in der gut gefüllten Halle des Zeniths, ein ehemaliges Eisenbahn Ausbesserungswerk, 45 Minuten lang runterkühlen und im eigenen Saft schmoren – bis sich Spannung breit machte… Unruhe… Ungeduld… Erwartung… Und um halb Zehn fiel endlich der Vorhang. Das schwarze Tuch verschwand und Scheinwerfer blitzten über die nun rund 16 Meter tiefe Bühne. Das unerbittliche Spektakel aus Licht und Sound begann. The Prodigy heizte den Fans mächtig ein im fulminanten Blitzlichtgewitter und im gewohnten Outfit. Die Akteure (Keith Flint, Musik-Mastermind Liam Howlett und Maxim Reality Keith Palmer) sind ziemlich so alt wie wir. Baujahr ’67 bis ’71.
Trotz der übermächtigen Show, die wenig Platz für klare Gedanken ließ, ging mir trotzdem durch den Kopf, wie unterschiedlich die Lebenswege doch sein konnten… Im Gründungsjahr von the Prodigy, 1990, hatte ich das studieren angefangen – und auch irgendwann abgeschlossen. Weshalb ich wohl auf dieser Seite der Bühne stand – und weil ich als Karo-Hemd-Träger einfach weniger publikumstauglich bin 😉 Aber keine Zeit für Sentimentalitäten – ich stand auf der richtigen Seite der Bühne. Mit tausenden anderen. Einem angenehm bunt gemischten Publikum. Jünger, älter. Bieder, abgedreht. Alle unter einem Dach. Klasse. Mir reicht es, wenn die Post ab und zu mal abgeht. Und das war hier der Fall. Und zwar richtig! Man konnte sich der Energie der Show nicht entziehen…
Eine Stunde und zwanzig Minuten heizten The Prodigy den Fans ein. Fetter Sound, grelle Optik, direkter Draht von der ersten bis zur letzten Minute, von der ersten bis in die letzte Zuschauerreihe. Die Zenith-Halle war im Rausch. Songs vom neuen Album „No Tourists“ und Altbewährtes wechselten sich ab. Die Songs schienen meistens nicht ausgespielt – das war einerseits schade, aber anderseits blieb so immer der Druck auf dem Kessel. Bis zum Schluss. Bis kurz vor 23 Uhr wie erwartet die Lichter angingen. Die knappen anderthalb Stunden erschienen auf dem Papier kurz – und nicht nur auf dem Papier. Auch gefühlt. Aber ab Sekunde eins hat The Prodigy 200% geliefert. In unserem Alter hat man keine Zeit zu verlieren. Ein fairer Deal also! Was ein Abend…