Beitrag zur Lage der europäischen HiFi-Union: Völlig Banane von Stefan Schickedanz

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Banane PixabayVöllig Banane

Ein Beitrag von Stefan Schickedanz zur Lage der europäischen HiFi-Union

Ach nee, erst äußert sich ein YouTuber zu Politik. Und jetzt zu allem Überfluss auch noch ein HiFi-Tester!
Warum ich mich hier aufs politische Glatteis begebe? Das hat einerseits mit der Duplizität der Ereignisse zu tun. Andererseits gibt es da ja diesen HiFi-Blog mit den lockeren Beiträgen… Für die HiFi-IFAs wollte ich ja auch einmal was Ausgefallenes schreiben…

Dass ich dieser Gemengelage genau jetzt nachkomme, ist allerdings nicht ganz uneigennützig. Während meiner Arbeit bei einer großen HiFi-Zeitschrift in München kam mir kürzlich ein interessantes Fundstück unter, das geradezu exemplarisch das Dilemma der heutigen Zeit, um präzise zu sein, das Dilemma der Europäischen Union an einem simplen Beispiel veranschaulicht.

Weil zu allem Überfluss auch noch diesen Sonntag das neue Europäische Parlament gewählt wird, was angesichts zahlreicher europakritischer Parteien und einer nicht unerheblichen Zahl enttäuschter Wähler dann auch gleich zur Schicksalswahl über Europa an sich hochstilisiert wird und nicht über die Zusammensetzung einer, vor allem von Handelsinteressen getriebenen Staatengemeinschaft. Dass die in ihrer jetzigen Form immer mehr Bürgern in vielen Ländern auf Unverständnis und Ablehnung stößt, braucht einen bei genauerem Hinsehen ohne Parteibrille eigentlich nicht zu überraschen. Keine Angst, ich sehe mich jetzt nicht berufen, irgendjemanden eine Lektion über EU-Außenpolitik, Grenzsicherung oder Vorschriften über die Krümmung von Gurken oder Bananen zu geben. Solche Stunts überlasse ich lieber nassforschen YouTubern, die noch grün hinter den Ohren und blau auf dem Kopf sind.

Aber es hat schon mit Bananen zu tun – allerdings jene Bananen zu denen ich auch guten Gewissens meinen Senf hinzugeben kann. Die Rede ist von Bananensteckern. Wie geschichtsbewusste HiFi-Fans vielleicht noch wissen, waren diese praktischen und kontaktsicheren Steckverbindungen für die unvermeidlichen Strippen zwischen Verstärkern und Lautsprechern so ziemlich die ersten Opfer der bisweilen als maßlos empfundenen EU-Regelungswut. Kürzlich hatte ich mit dem an sich fein gemachten Teac AI-301DA-X einen fast schon penetranten Streber in Sachen Regelkonformität auf dem Hörtisch. Die Japaner wollten wohl die besseren Europäer sein und stopften die Bananensteckereingänge ihrer soliden Lautsprecherklemmen mit gleich zwei Kunststoffteilen. Nachdem ich die allgemein üblichen, allerdings außergewöhnlich fest sitzenden Stopfen heraus gepult hatte, wollte der männliche Bananenstecker (darf man das noch sagen?) immer noch nicht passen. Also schraubte ich, wüste Verwünschungen gen Western ausstoßend, die Klemmen ab und entdeckte heimtückische, extrem fest sitzende Ringe in den Bohrungen. Da wie üblich kein richtiges Werkzeug zur Hand war, fand ich eine improvisierte Lösung, um die Ringe zu entfernen – was mir fast wie ein Akt der Befreiung vorkam. Bin ich jetzt ein schlechter Europäer?

An die Sache mit dem Bananen-Bann selbst und an mein blankes Entsetzen kann ich mich nach vielen Jahren noch sehr gut erinnern. Allerdings fehlte mir damals schon jegliches Verständnis für die völlig an den Haaren herbeigezogene Argumentationskette. Es war irgendetwas Nebulöses von wegen Sicherheit, wobei mir niemals einleuchtete, wie man sich mit einer Kombination aus einer Lautsprecherklemme mit der Möglichkeit zur Aufnahme eines Bananensteckers und dem Bananenstecker selbst ins Jenseits befördern sollte.

Es mag zynisch erscheinen, aber als alter Spötter muss ich zugeben: Wenn es jemandem gelänge, hätte er, sie oder es den Darwinismus Preis definitiv verdient. Zumal ich mir sicher bin: Wer es mit Gewalt darauf anlegt, schafft es dann auch trotzdem mit den seit Erlass dieser Regelung zugestopften Kabelklemmen. Schon allein deshalb, weil man die üblichen Kunststoff-Stopfen entfernen kann. Dann steht dem Suizid oder der Selbstverstümmelung nichts mehr im Wege. Einziger Unterschied: Der Hersteller hat gute Miene zum dummen Spiel gemacht und kann dafür nicht strafrechtlich belangt werden.

Kennen Sie ein besseres Beispiel für sinnlose Schikanen, die die Welt nicht braucht? Als HiFi-Tester bekommt man solche fragwürdigen Regelungen made in Europa jeden Monat aufs Neue bei den Hörtests vor Augen geführt. Sie glauben gar nicht, mit welchen erfinderischen Tricks wir diese lästigen Spaßverderber vor den Hörtests schon heraus gepult haben und wie viel kostbare Lebenszeit die Europäische Gemeinschaft damit von hart arbeitenden Lohnschreibern gestohlen hat.

Ein Ökonom könnte ihn jetzt ohne Probleme den betriebswirtschaftlichen Schaden auf Heller und Pfennig genau ausrechnen. Doch mir geht es um mehr. Mir geht es um einen, von den Bürgern in den einzelnen Ländern bisweilen abgehobenen, sich selbst am Leben erhaltenden Organismus, der wie Umfragen unschwer belegen, immer mehr Menschen in die Arme von Populisten treibt. Schuld sind aber nicht die Populisten. Das steckt im Grunde schon im Begriff selbst. Deren Existenzgrundlage basiert nämlich darauf, aufzugreifen, was der Mann oder die Frau respektive der, die oder das Diverse auf der Straße denkt und für deren Frust einfache, polarisierende Lösungen zu liefern.

Vor diesem Hintergrund stellt sich schon die Frage, ob sich das europäische Parlament in Brüssel und Straßburg nicht besser um die großen, drängenden Themen, die den gesamten Kontinent betreffen, kümmern sollte, als in einer Tour haarkleine Regeln für irgendwelche banalen, bewährten Alltagsabläufe wie den Bananenstecker zu erlassen? Die extrem strengen, für die meisten Verbraucher (wie üblich wenig demokratisch) aus heiterem Himmel in geltendes Recht umgesetzten Vorgaben gegen knusprige Pommes Frites oder Kartoffelchips sind so ein Beispiel, über das ich mich allerdings in meinem Technik-Ressort nur durch die Hintertür äußern kann. Dem Bananenstecker sei Dank!

Aber ist Ihnen mal aufgefallen, dass seit dem vor allem Kartoffelchips, gerade die besonders edlen Sorten aus dem Kessel irgendwie nur noch fad schmecken? Das ging mir jedenfalls so. Dabei muss man wie bei Allem im Leben abwägen, ob einem der Verzicht auf irgendetwas statistisch hochgerechnete zusätzliche Lebensminuten wert ist oder nicht. Immerhin kann ich der Sache mit einem lachenden und einem weinenden Auge etwas Gutes abgewinnen. Was 1000 Lebensmittel-Ampeln nicht geschafft haben, haben der schale Geschmack und die wenig einladende Konsistenz der neuen Chips erledigt: Während ich früher in den seltensten Fällen nach der ersten Hand voller knuspriger Chips dem Rest der Tüte nicht widerstehen konnte und in der Folge skeptisch meinen Bauch beäugte, ging durch die neue EU-konforme Zubereitungsweise mein Chipskonsum beinahe auf null zurück. Immerhin ein Kollateralnutzen – so ähnlich wie bei der Endzeit-Aufregung über das Waldsterben in den 80ern, die uns den Kat und damit bessere Luft in den Städten beschert hat. Eine Ironie der Geschichte, dass die gleichen Leute, die heute inbrünstig über ein paar Mikrogramm von irgendwas unter Extrembedingungen am Straßenrand streiten, die menschliche Gesundheit dabei ursprünglich gar nicht auf der Agenda hatten.

Ja, es ist schon eine komplexe, bisweilen auch verrückte Welt in der wir leben. Und ich möchte Sie in Ihrem Wahlverhalten auch nicht beeinflussen, zumal ich selbst unmittelbar vor der Wahl noch nicht einmal weiß, was ich selber wählen werde. Sicher ist nur: Ich werde wählen gehen und möchte sie mit diesen Zeilen ermuntern, die Dinge differenziert zu sehen – Schwarz-Weiß-Schemen helfen allenfalls bei der Kennzeichnung von Lautsprecherkabeln mit und ohne Bananensteckern – und morgen unbedingt von einem Recht Gebrauch zu machen, des hierzulande vor allem östlich der Oder vor gar nicht so langer Zeit unerschwinglicher Luxus war.

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Mit "Männerspielsachen" gab der Technik-Journalist (AUDIO, VIDEO, stereoplay) 2008 sein Buchdebüt. Es folgten einige weitere Werke, dennoch testet er weiterhin mit Wonne Autos, Anlagen und gelegentlich Armbanduhren.

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