Auf den gut besuchten Norddeutschen HiFi-Tagen 2019 ging es nicht nur ums Sehen und Gesehenwerden, sondern auch ums Hören und Gehört werden. Logisch, waren ja HiFi-Tage und keine Kunstausstellung. Somit war natürlich der Klang wichtig – aber es war nicht immer einfach einen umfassenden Eindruck zu erhaschen. Der Besuch einer HiFi-Messe kann deshalb die intensive Auseinandersetzung mit einem Musiksystem beim Händler oder idealerweise daheim nicht ersetzen. Aber er kann den Appetit auch in kleinen Stippvisiten vielfältig anregen. Also hieß es auch für mich: Umschauen, reinschauen, reinhören und für später merken.
Ein Besuch bei Auris Audio aus dem serbischen Belgrad ist immer eine gute Idee. Sollte es nicht möglich sein einen Hörplatz zu ergattern, so gibt es zumindest immer etwas zu sehen. Der Gedanke an Auris Audio verbindet sich bei mir immer mit feinen Materialkombinationen und warmglimmender Röhrentechnik. Auf den Norddeutschen HiFi-Tagen wurde ich in beiderlei Hinsicht nicht enttäuscht. Zum einen gab es wieder was zu sehen und zum anderen war noch ein Plätzchen im Sweetspot frei. Es spielten die Poison 8 (9.558 Euro / Paar) am mächtigen Fortissimo Röhrenvollverstärker (10.925 Euro). Die mit 15 cm breite und damit superschmale Schallfront der 1,10 Meter hohen Poison 8 ließ einen ebenso schlanken Sound vermuten.
Schubladendenken. Denn: weit gefehlt. Frontal sitzend hatte ich die mit 39 cm beachtliche Tiefe des Gehäuses nicht mit ins Kalkül gezogen. In geometrischer Summe bewirkt diese dann einige Liter an Klangvolumen für den seitlich angeordneten Bass. Positive Überraschungen sind eh immer die besten. Der Klang war raumfüllend, satt und ausgewogen. Stimmen kamen angenehm rüber, der Klang war detailliert, aber nicht aufdringlich. Der Bass lieferte ein schönes Fundament ohne derbe zu wirken. Eine Kombi für den Merkzettel – klanglich einerseits, aber auch für Menschen, die ihr HiFi-Hobby nicht verstecken möchte.
Ein hierzulande eher unbekannter Hersteller ist amphion mit Lautsprechern handmade in Finnland. Ein guter Grund, sich der Marke zu nähern und für eine Stippvisite, die mit einem Platz im Sweetspot auf einem der wenigen Stühle im Hörzimmer belohnt wurde. Übrigens ist es immer eine gute Idee, auch mal abseits des Mainstreams rein zu schauen. Schöne neue Eindrücke konnte man als HiFi-Interessierter auch gut vor einer kleinen Kombi weniger geläufiger Provenance im nicht so überlaufenen Hörzimmer gewinnen. Ein schöner Kontrast zum großen Besteck, das die großen Vertriebe in den gut gefüllten Hörsälen auffuhren. Die Mischung macht’s bei einem Besuch von HiFi-Messen.
Doch nun zu amphion. Es spielte, quer zur Raumlängsachse und auf kurzer Hör-Distanz, die Argon 3S (1075 Euro / Stück) an MUTEC Profi-Digital-Equipment und Marantz HiFi-Komponenten. Das Ergebnis war überzeugend. Präzise, räumlich und authentisch. Stimmen und Instrumente waren wohl positioniert. Die Klangfarben empfand ich als sauber und eher neutral, wobei der Bass natürlich nicht abgrundtief ging, aber sehr sauber im Bereich seines Wirkens arbeitete. Zudem schien der Lautsprecher die gute Elektronik zu danken. Bei dem fairen Preis ein Kandidat für die nähere Betrachtung.
In einem der Hotelfoyers schlug mir auf recht direkte Art ein Bohne Audio „Sympathisant“ vor, doch mal dem Hörraum einen Besuch ab zu statten. Mich würde ein begeisternder Lautsprecher erwarten. Nun gut dachte ich. Wir sind in Hamburg, die Reeperbahn ist nicht weit – da läuft das wohl so 😉 So folgte ich und schaute im zugehörigen Hörraum rein, der bis auf den Platz vorne links restlos besetzt war. Ich darf konstatieren, das meine Nebensitzerin derart angetan war vom Sound der Bohne BB10-L, das ein Überwechseln nach rechts auf den Sweetspot des Aufbaus in realistischen Zeitmaßstäben nicht mehr möglich schien. Was ja ein gutes Zeichen war – spürbare Begeisterung im Umfeld anstatt Müdigkeit nach einem langen Messetag steckte mich an. So gönnte ich den Glücklichen ihre Freude und extrapolierte mein Hörerlebnis in den Sweetspot hinein. Der Vorführer versprach Schnelligkeit – wenn nicht gar den schnellsten Lautsprecher seiner Klasse. Letzteres vermag ich nicht zu beurteilen. Fest stand für mich eins: der aktive Lautsprecher machte Spaß. Das war wohl auch sein Auftrag. Das Musikmaterial war entsprechend. Die BB10-L rockte und fetzte das Hotelzimmer. Das große Hochmittelton-Bändchen spielte herrlich crisp und wurde vom satten Bass wunderbar unterstützt. Dynamik vom feinsten. Da ging wirklich was. Einen Eindruck von Räumlichkeit, Klangfarben oder Stimmen zu bekommen musste ich verschieben. Aber egal. Gut getan hat der BB10-L im relativ kleinen Hotelzimmer sicherlich die Raum-Einmessung durch einen digitalen Trinnov Vorverstärker-Prozessor. Spielbereit wartete noch ein litauischer Reed Muse 1C Plattendreher an der aussergewöhnlichen Phono-Vorstufe mit Profi-Technologie von a+s. Spannend.
Backes & Müller war in zwei Hörzimmern am Start. Wer die Dimensionen von Standard-Hotelzimmer von Geschäftsreisen kennt und auch schonmal den größeren Modellen der B&M-Lautsprecherserien angesichtig wurde weiss, das es nicht einfach ist, beides in Einklang zu bringen. Zuerst steckte ich meinen Kopf in den Raum, in dem ein Paar weiße BM Line 15 (134 cm hoch) und ein Paar schwarze BM Line 20 (155 cm hoch) aufspielten. Da der Raum bis auf den letzten Platz besetzt war entschloss ich mich, mein aktives Glück im Nachbarraum zu suchen.
Hier warteten je ein Paar weiße BM Prime 12 und BM Prime 14 auf Zuhörer. Der Raum war angenehm besucht. So konnte ich auf der Hörachse Platz nehmen. Es lief der gleiche Titel wie im anderen BM Raum. Wie machen die das? Es war kein Vorführer im Raum. Ach ja – gelebte Hausvernetzung mit einem einfachen Sonos System hüben wie drüben, das an die Primes wie Line die Musik lieferte. Das begeistert mich: riesen Lautsprecher, die mit den kleinsten Kisten bespielt werden können. So überschaubar sah es denn auch auf dem Hotelzimmer-Schreibtisch aus. So war es wieder erstaunlich, wie die Lautsprecher – es lief die Prime 14 – auch in kleinem Raum und kurze Distanz funktionierten. Wer sich für diesen Lautsprecher entscheidet, wird ihm natürlich mehr Platz gönnen. Sonst spielt er unter Wert. Die B&Ms zählen wohl zu den Lautsprechern, die ihre Sache einfach richtig machen wollen. Trotz beeindruckender Gestalt keine unnötige Effekthascherei. Schöne räumlich Abbildung, tonal eher neutral und von spielfreudiger Natur. Klanglich sehr interessant – logistisch fürs gschwind mal Reinhören daheim sicher eine Herausforderung.
Ich liebe ja HiFi, das gestalterisch auch eine Aussage wagt. Und bei LOG Audio ist der Name des Produkts bereits Programm. Der CUBE I ist ein System aus zwei Stereo-Würfeln, die sich in ihrer Attraktion aber nicht auf ihr Äußeres reduzieren lassen. Natürlich empfehlen sie sich für modernes Ambiente und etwas großzügigere Räume, um ihre optische Wirkung entfalten zu können. Die aktiven drei-Wege CUBE I lieferten auf den Norddeutschen HiFi-Tagen ordentliches HiFi ab. Mir fiel spontan die schönen Stimmen auf, die sie zwischen sich zu projizieren vermochten. Das wäre mal was für einen unserer Hörräume. Ein schönes Konzept.
Eins meiner Messe-Highlights war der Besuch bei der niederländischen HiFi-Marke mola-mola. mola-mola ist übrigens eine Bezeichnung für den skurril geformten Mondfisch – dem bis 3,3 m langen und 2,3 Tonnen schwersten Knochenfisch der Welt. Wer nun das Logo der Hifi-Marke mola-mola kennt weiß, wie der Fisch im Profil aussieht. Aber darum geht es hier ja nicht.
mola-mola stellte auf den NDHT seinen Tambaqui DAC in Kombination mit zwei Kaluga Monoblocks vor. Einen digitalen Musikdatenlieferanten dazu und gemeinsam mit den Spielpartnern Vivid Kaya 45, drei-Wege Standlautsprechern, war die High-End Anlage fertig. Außer, dass ich die mola-mola-Komponenten für sich schon extrem hübsch fand, war die Kombination mit den Vivids extraordinär. Ein echter Hingucker. Aber nicht wegen Opulenz, sondern wegen der schönen Linienführung.
Aber bei mola-mola und Vivid ist das Äußere gewiss kein Blendwerk sondern die nach ausßen gekehrte innere Qualität. Wir hatten das Glück allein im Hörraum zu sein und nach Herzenslust zu schauen und im Stereo-Dreieck Platz zu nehmen. Der Sound der Kombi war einfach phantastisch. Der musikalische Raum tat sich vor uns in richtiger Dimension auf. Höhe, Breite und Tiefe stimmten. Auch die Staffelung des Geschehens war prima. Keine Lücken, kein Gedränge. Gelöst von den Vivids. Der Rhythmus nahm uns und unsere Füße direkt mit. Der Sound hat berührt, ja fast angemacht. Eigentlich waren wir etwas traurig, das wir irgendwann weiter mussten. Eine längere Hörsession wär schon was Feines, um sich noch mehr auf die mola-mola / Vivid-Kombi einlassen zu können.
Voxativ stellte in einem der größeren Raum des Holiday Inns aus. Bei dem Berliner Hersteller war das 9.87 System (im Bild aussen) und das Voxativ Hagen ABSOLUT System in Kombination mit dem Voxativ T805 TubeAmp am Start. Die Neuheit bei Voxativ, die für den Einsatz von Breitbandlautsprechern bekannt sind, war das elektronische Modul „ABSOLUT“ (im Bild vorn unten), das eine DSP-Funktionalität enthält und damit die klangliche Anpassung der Lautsprecher an die Umgebung ermöglicht, um so noch mehr aus dem Breitbänder heraus zu holen. Gemeinsam wird es mit dem bekannten Hagen Kompaktlautsprecher zum Hagen ABSOLUT System. Preis für das System laut Hersteller: 7.900 US-Dollar.
Für mich spielte das 9.87 System, das die bruchlose Darbietung des Breitbänders mit einem Tieftonmodul kombiniert. Neben den tonalen und räumlichen Vorzügen des Breitbänders lieferte der nahtlos ankoppelnde Tieftöner eine beeindruckende, komplette Bühne, die Lust auf mehr gemacht hat. Und Lust, sich mal näher mit dem Hagen ABSOLUT zu beschäftigen. Einem interessanten Gespann für die Freunde breitbandiger Schallwandler.
Die Wiener Lautsprechermanufaktur begeisterte mich in der ersten Annäherung durch ihr Handwerk. Dem kunst- und respektvollen Umgang mit Holz. Später habe ich erfahren, das die Gehäuse der Modelle wie zum Beispiel Stella und Maria hälftig aus dem Vollen gefräst, dann verleimt und gefinished werden. Schon eine tolle Sache. Die elegante vollaktive Maria hatte zwar nur einen Gästeplatz im Eck – und durfte gut aussehen. Dafür spielten die vollaktiven kompakten Sissi im Mid-Size-Format auf. Die Schallwand ist bei der Sissi im D’Appolito-Aufbau bestückt, ergänzt durch einen parallel laufenden Folienhochtöner auf dem Gehäuse. Kein Superhochtöner, wie man meinen könnte.
Der Klang der Sissi kam für einen Kompaktlautsprecher sehr erwachsen und rund rüber. Der Hochton wirkte seidig und die Akteure im musikalischen Geschehen odnete die Sissi mit strenger Hand. Es machte mir eine Freude, gleichzeitig dem Klang zu lauschen und dabei das Holzhandwerk zu betrachten. Eine passende Sysmbiose.
Die kleine Kombination mit einem schönen, natürlichen Materialmix bei der kompakten Stella (Bild oben) war nur zu betrachten. Machte aber auch beim Anschauen schon Spaß.